Die Neutronenaktivierungsanalyse (NAA) und ihr Nutzen für die Archäologie des antiken Mittelmeerraumes

Stand und Perspektiven der Forschung


Die Herkunft von Keramik ist eine der Grundfragen archäologischer Forschung. Seit über einem halben Jahrhundert werden zur Herkunftsbestimmung keramischer Artefakte auch chemische Analyseverfahren angewandt. Unabhängig von Fundort und komplementär zur archäologischen Klassifizierung können so sowohl Produktionsorte als auch die dort produzierten Waren identifiziert werden. Seit den 1960er Jahren hat sich unter den vielfältigen naturwissenschaftlichen Methoden die Neutronenaktivierungsanalyse (NAA) als hierfür besonders verlässliches und bis heute unverzichtbares Werkzeug bewährt. In der Folge wurden durch verschiedene Labore zahlreiche Daten erhoben, die aufgrund divergierender technischer und statistischer Verfahren sowie einer oft nur geringen Zahl an Proben aber nur schwer Vergleiche zwischen den Einzelstudien erlauben. Insbesondere in Regionen und Epochen ausgeprägter Konnektivität wie dem antiken Mittelmeerraum werden solche Vergleiche aber dringend benötigt. Sie ermöglichen nämlich nicht nur die Identifizierung eines Produktionsortes, sondern auch die Nachverfolgbarkeit von verhandelten Waren.
Es ist insbesondere der Etablierung der „Bonner Methode“ der NAA durch Hans Mommsen sowie ihrer seit über 30 Jahren kontinuierlichen Anwendung zu verdanken, dass ein Blick auf die weit verzweigten Distributionswege antiker Keramik zunehmend möglich ist – und immer wieder für überraschende Ergebnisse sorgt. Gerade angesichts aktueller Fragestellungen und Konzepten zu Kulturkontakten, Kulturtransfer, ökonomischen und/oder sozialen Netzwerken oder einer Archaeology of Consumption, lassen die bisher erzielten Erkenntnisse auf das große Potenzial der NAA für die archäologische Forschung schließen. Lag der Schwerpunkt der Untersuchungen bislang auf dem ostmediterranen Raum und der Ägäis, rücken seit einigen Jahren die Gebiete des zentralen Mittelmeerraumes sowie der Schwarzmeerregionen zunehmend in den Fokus des Interesses. Die räumliche und zeitliche Verbreitung mancher chemischer Muster erfordert dabei einen Blick auch über die fachspezifischen Grenzen der einzelnen archäologischen Disziplinen hinaus, der aber durch eine oft disparate Publikationslage erschwert wird.
Mit dem somit notwendigerweise interdisziplinär ausgerichteten Workshop soll nach Möglichkeit ein Überblick über die aktuellen NAA-basierten Forschungen im gesamten Mittelmeerraum geschaffen werden, der ab der späten Bronzezeit die vorrömischen Epochen umfasst. Welche Töpferzentren für welche Waren lassen sich identifizieren und wohin wurden ihre Produkte verhandelt? Müssen sicher geglaubte Herkunftsannahmen modifiziert oder revidiert werden? Ferner soll diskutiert werden, was Provenienzanalysen auch hinsichtlich der Frage nach Kulturkontakten, räumlicher und sozialer Mobilität oder der Verhandlung von Identitäten beitragen können. Lassen sich in Zonen kultureller Kontakte etwa kulturell heterogene Produktionsspektren nachweisen? In welchen Kontexten wurden bestimmte Waren verwendet und was für eine Bedeutung kann hieraus möglicherweise für die Konstituierung von Gruppen entlang identitätsstiftender Linien abgeleitet werden?
Abseits der spezifischen Anwendungsmöglichkeiten der NAA innerhalb der Archäologien wird auch eine Beschäftigung mit der Vergleichbarkeit von Datensätzen angestrebt, die von unterschiedlichen Laboren erhoben wurden. Welche Möglichkeiten der Zusammenführung gibt es, wo liegen die Hindernisse und welche Lösungsansätze bieten sich an? Ziel des Workshops ist es, den großen Nutzen der NAA für die Archäologie des antiken Mittelmeerraumes herauszuarbeiten und mit aktuellen Forschungsfragen zu verknüpfen, um so letztendlich einen Beitrag zur Zukunftsfähigkeit dieser Methode zu leisten.


Organisation

Kai Riehle · Erich Kistler
Birgit Öhlinger · Christian Heitz

Kontakt

kai.riehlespam prevention@uni-tuebingen.de

Interessenten mögen sich für den BBB Link bitte an Kai Riehle wenden.


Donnerstag, 17. Juni

10:00 Erich Kistler & Richard Posamentir (Universitäten Innsbruck/Tübingen) Begrüßung
10:10 Kai Riehle (Universitäten Innsbruck/Tübingen) Einführung

Sektion 1: Contacts & Exchange

Chair: Kai Riehle

10:30

David Ben-Shlomo (Ariel University)

Inter-Regional and Intra-Regional Trade in Pottery according to NAA Studies in the
Southern Levant

11:00 Alexander Fantalkin (Tel Aviv University) Neutron activation analysis of the Aegean Iron Age Pottery from Israel: A state of current
research and future perspectives
11:30 Stefanos Gimatzidis (OEAI, Wien) Early Iron Age Greek pottery overseas: origin and circulation patterns of the
Protogeometric and Geometric pottery in the Mediterranean
12:00 Gunnar Lehmann (Ben-Gurion University, Beer Sheva) NAA at Kinet Höyük: Iron Age Assemblages in Cilicia and Mediterranean Exchange
12:30 Mittagspause
Sektion 2: Contexts & Consumption
Chair: Birgit Öhlinger
14:00 Penelope A. Mountjoy (British School at Athens) The application of NAA results to LBA pottery in the east Mediterranean
14:30 Susanne Prillwitz (Universität Heidelberg) „The Mycenaean, the Grey and the Ugly“ – Das Verhältnis fremder und lokaler Elemente
in der Keramikproduktion von Tiryns
15:00 Jan K. Jacobsen (Danish Institute, Rom) NAA investigations on misfired ceramics from a 6th century BC kiln context in Area Aita,
Francavilla Marittima, southern Italy
15:30 Kai Riehle (Universität Innsbruck/Tübingen) Local Potter’s Reactions in Italy and Sicily

Freitag, 18. Juni

Sektion 3: Problems & possible solutions 
Chair: Christian Heitz

10:00

Anno Hein (NCSR Demokritos, Athen) Compositional variation of clays and archaeological ceramics in the Eastern
Mediterranean

10:30

Reinhard Jung (OEAI, Wien) Mykenische Keramik in Italien: Probleme von Import und Produktion
11:00 Hans Mommsen (HISKP Universität Bonn) Important facts about Neutron Activation Analysis (NAA) and the problems of
provenancing Sicilian pottery
11:30 Mittagspause
Sektion 4: Reflexions & new applications for NAA-based research
Chair: Kai Riehle
13:00 Leonhard Geißler (Universität Tübingen) „Paint it black“ – Neue Erkenntnisse zu den schwarzfigurigen Werkstätten in Italien
13:30 Udo Schlotzhauer (DAI, Berlin) Real or fake? Can we use the NAA as a method for verifying fakes of ancient pottery?
14:00 Johannes Sterba (Technische Universität Wien) Experimental Archaeology? – Simulated NAA-Datasets for deeper understanding
14:30 Bartłomiej Lis (PAN, Warschau) Results of NAA analyses – an archaeologist’s perspective from the pottery shed
15:00 Pause
15:15 Abschlussdiskussion (Chair: Erich Kistler & Kai Riehle)