Bitterfeld - Stadtprofil

Lage und Geologie

Bitterfeld gehört zum Chemiedreieck bei Leipzig . Leuna und Buna sind die zwei weiteren Standorte. Bitterfeld liegt nördlich von Leipzig und somit noch im Leipziger Becken (das Leipziger Becken wird hier näher erklärt). Das Gebiet um Bitterfeld ist Teil der Halle-Witterberg-Scholle (Schönfelder et al. 2004, S. 2) und liegt im Altmoränengebiet. Im Eozän kam es zur Meerestransgression und -regression. In dieser Zeit lagerten sich marine und terrestrische Sedimente wechselnd ab. In der Rückzugsphase des Meeres kam es zur Bildung von Mooren und Sümpfen, aus denen sich die Braunkohleflözen heraus entwickelten. Diese Entwickelung war essentiell für die oberflächennahen nutzbaren Braunkohlelagerstätten. Im Untermiozän bildetet sich der 35m mächtige Flözkomplex bei Bitterfeld (Schönfelder et al. 2004, S. 3). Das heutige Landschaftsbild wurde vor allem durch Akkumulations- und Erosionsvorgänge geprägt, die im Pleistozän entstanden. Durch glaziale und fluviale Phasen wurde das Gebiet stark durch Flüsse geprägt, die sich tief einkerbten, aber wieder im Verlauf des Holozäns aufgeschüttet wurden (Schönfelder et al. 2004, S. 6). In den interstadialen Phasen des Pleistozäns wurde zudem Löss äolisch in die Mulden eingeweht, was zu einem fruchtbaren Boden geführt hat. Seit Mitte des 19. Jahrhunderts wurde der Raum um Bitterfeld durch Tagebaue und Industrieanlagen intensiv überprägt.

Geschichte

Man hat zwar Belege gefunden, dass Bitterfeld zur Zeit der Jungsteinzeit besiedelt gewesen sein musste. Diese reichen aber nicht aus um eine Landnahme nachzuweisen (Schönfelder et al. 2004, S. 29). Im 6. Jahrhundert wanderten Slawen in das Gebiet ein und ab dem früher 8. Jahrhundert kann man von einer durchgehende Besiedlung ausgehen. Im Mittelalter war die Stad vor allem durch Handwerker und Landwirtschaft geprägt (Schönfelder et al. 2004, S. 29). 1857 erfolgte die Anbindung an das Eisenbahnnetz und es kam zum industriellen Aufschwung. Die Kohlevorkommen wurden erkundet und es entstanden zahlreiche Tagebauten (Schönfelder et al. 2004, S. 45). Infolge siedelten sich zahlreiche Chemieunternehmen an.

Im ersten Weltkrieg war Bitterfeld stark in die Kriegswirtschaft der kaiserlichen Reiches einbezogen. Es wurden kriegswichtige Chemikalien wie Salpetersäure, Sprengstoff, Magnesium u.v.m. produziert (Schönfelder et al. 2004, S. 45). Im zweiten Weltkrieg war Bitterfeld bereits ein modernes Industriezentrum, dass erneut kriegswichtige Substanzen herstellten. In den Industriebetreiben arbeiteten zu dieser Zeit viele Zwangsarbeiter (Schönfelder et al. 2004, S. 46). Zu Zeiten der DDR war Bitterfeld ein wichtiger Braunkohle- und Chemiestandort, jedoch begannen zu dieser Zeit die Industrieanlagen zu zerfallen. Die zahlreichen Industrie- und Tagebauunternehmen führten zu einer starken Schadstoffbelastung und Umweltverschmutzung in Bitterfeld, was das Image der Stadt stark prägte. Der berüchtigte „Silbersee“ ist dafür ein bekanntes Beispiel. In ihn wurden bis zu 30 Millionen Kubikmeter Abwässer eingeleitet, was zur Ausbildung einer 6 bis 10 Meter dicken Schlammschicht aus Industrieabfällen und Schadstoffen aus (Kreus 2009). Bis heute ist unklar, wie dieser beseitigt werden kann. In der Endphase der DDR war das Gebiet vor allem bekannt für seine maroden Industrieanlagen und gefährliche Umweltverschmutzung. Die Modernisierung der Anlagen wurde von der DDR konsequent vernachlässigt und so bekam Bitterfeld den Titel der „dreckigsten Stadt Europas“.  Darauf kann man das heutige „Bitterfeldsyndrom“ zurückführen, dass eine anthropogene Bodendegradation durch Kontamination durch Industrieagglomerationen, Abfallakkumulation und Altlasten beschreibt (Kreus 2009). Durch die veralteten Industrieanlagen wurden Boden und Gewässer nachhaltig mit chemischen Giftstoffen kontaminiert. 1990 wurde die Chemiefaserproduktion eingestellt, wodurch die Abwasserlast sank (Kreus 2009).

Stadtentwicklung

Bitterfeld war aufgrund seiner Lage in einer Mulde stehts attraktives Siedlungsgebiet, denn durch den eingewehten war der Boden im Vergleich zum direkten Umland recht fruchtbar (Schönfelder et al. 2004, S. 27). So wird der westliche Teil Bitterfelds aufgrund seiner fruchtbaren Lössböden seit seit der Jungsteinzeit bis heute intensiv landwirtschaftlich genutzt (Schönfelder et al. 2004, S. 27).
Die rege Bautätigkeit im 16. Jahrhundert dokumentiert eine Wachstumsperiode der Stadt. Als sich 1893 vermehrt Industrie ansiedelte wuchs die Stadt immer weiter (Schönfelder et al. 2004, S. 27). Da in der DDR die Sanierung historischer Gebäude keinen hohen Stellenwert einnahm, mussten 1961 viele Gebäude wegen ihrer Baufälligkeit abgerissen werden (Schönfelder et al. 2004, S. 27). Nach der Wende wurden altindustrielle Räume umstrukturiert und saniert und gelten heute als Naherholungsgebiete.

Wirtschaft

Mit dem Beginn des Braunkohletagebaus in dem 1830er Jahren kam es schnell zu einem wirtschaftlichen Aufschwung (Schönfelder et al. 2004, S. 45). Als in den 1890er Jahren zur Kohleindustrie auch noch Energiewirtschaft und Großchemie hinzukamen, waren zunehmend Umweltschäden zu verzeichnen (Schönfelder et al. 2004, S. 45). Bitterfeld erlebte schnell einen Aufschwung zu einem großen und wichtigen Chemiestandort, da hier wichtige Innovationen wie Anilinfarben gemacht wurden (Schönfelder et al. 2004, S. 45) (mehr dazu hier). Bitterfeld profitierte vor allem von den Standortvorteilen wie preiswerte Braunkohle als Energieträger, vergleichsweise niedrige Bodenpreisen und niedrige Lohnkosten sowie der günstigen Verkehrslage (Schönfelder et al. 2004, S. 45–46). Doch der Höhenflug des Innovationszentrums hielt nicht ewig an. Zum Ende des Zweiten Weltkriegs und zur Zeiten der DDR war Bitterfeld aufgrund seiner maroden Industrie als „Dreckschleuder“ bekannt (Schönfelder et al. 2004, S. 46). Das weltliche und wirtschaftliche Ansehen Bitterfelds litt in der DDR stark. Dennoch war Bitterfeld als Chemiestandort für die DDR sehr wichtig und wurde auch als „Apotheke der Volkswirtschaft“ bezeichnet (Schönfelder et al. 2004, S. 46). Doch mittlerweile hat sich ein schrittweiser Wandel der damaligen ökologischen Situation vollzogen. Bitterfeld möchte sein Image ändern und seine Chemie sauberer gestalten (Schönfelder et al. 2004, S. 46). Seit der gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Neuorientierung nach der Wende steht die Überwindung der Umweltzerstörung und Sanierung der Schäden an vorderster Stelle. Durch die Integration modernen und hochtechnologsicher Verfahren zur Herstellung von Produkten in den Unternehmen soll zum einen die wirtschaftliche Tradition des Raumes bewahrt werden und zum anderen der eingeschlagene Weg zu einer nachhaltigen und umweltgerechten Raumentwicklung gegangen werden (Schönfelder et al. 2004, S. 62).

Stadtimage

Bitterfeld ist Teil des „Mitteldeutschen Chemiedreiecks“ um Halle (Saale) und Leipzig und trotz Stilllegung vieler Industriebetriebe und wirtschaftlicher Probleme ist die Stadt immer noch ein bedeutender Standort der chemischen Industrie. Dadurch ist sie noch als eine Industriestadt bekannt. Mit diesem Image geht allerdings der von der Stadt geprägte Begriff des Bitterfeld-Syndroms einher. Das Altlasten-Syndrom „kennzeichnet Gebiete mit starken Kontaminationen der Böden. Die Siedlungs- und Industrieabfälle werden in diesen Regionen an Ablagerungsstellen entsorgt, die dem Schadstoffpotential nicht (ausreichend) entsprechen. Die Einbringung der Abfälle erfolgt zumeist unsortiert, unkontrolliert oder ungeordnet. Bodenkontaminationen mit Gefährdungen für die Gesundheit und Umwelt führen zu Altlasten“ (WBGU 1994). Dieses trat in Bitterfeld, aufgrund von starken Umweltproblemen, bedingt durch unzureichende Schutzmaßnahmen, erstmals in den 1990er auf. Dies ist eine äußerst negative und unfreiwillige Imagebildung.

Gegen dieses negative Image versucht Bitterfeld sich als eine grüne Industriestadt an der Goitzschen Seenlandschaft zu inszenieren. Mit dem Bemühen eine intakte Umwelt herzustellen und dem historischen Ortskern, soll eine junge moderne Industriestadt mit Hang zur Tradition entstehen (Linus Wittich Medien KG o. J.). Auch mit dem Bitterfelder-Bogen, das 28m hohes Wahrzeichen der Stadt soll eine Brücke von den Altindustrieanlagen zum modernen Chemie-Park und vom dem Braunkohletagebau zur gestalteten Landschaft geschlagen werden. Daraus resultierte dann auch der Stadtslogan: Wir haben den Bogen raus (Goitzsche Tourismus o. J.).
 

Literaturverzeichnis