Früheisenzeitliche Keramik aus Kalapodi (Phokis)

Das Heiligtum von Kalapodi liegt in der zentralgriechischen Landschaft Phokis in der Grenzregion zu Lokris und Böotien an einer wichtigen Überlandroute, welche in der Antike vom korinthischen Golf über Delphi und das Kephissostal an den Euripos bzw. nach Orchomenos führte (Abb. 1). Es handelt sich um einen der zentralen Kultplätze der antiken Phokis, der von der aktuellen Forschung mit dem erstmals bei Herodot (Hdt. 1, 46; 8, 33. 134) erwähnten Orakelheiligtum des Apollon von Abai identifiziert wird. Das Heiligtum mit seinen beiden zentralen Kultgebäuden – dem Nord- und dem Südtempel – wurde von der Abteilung Athen des Deutschen Archäologischen Institutes in mehrjährigen Grabungskampagnen unter der Leitung von R. C. S. Felsch (1973–1982), W.-D. Niemeier (2004–2013) und K. Sporn (2014–2020) intensiv erforscht und zählt heute zu den wenigen griechischen Heiligtümern, in denen sich eine lückenlose Kontinuität kultischer Aktivitäten von der späten Bronzezeit bis in die byzantinische Epoche hat nachweisen lassen.

Im Rahmen des von der DFG geförderten Projektes „Die protogeometrische und geometrische Feinkeramik aus dem Heiligtum von Kalapodi: Chronologie, Ritualcharakter und Konnektivität eines früheisenzeitlichen Kultplatzes in Phokis“ soll die bemalte Drehscheibenkeramik aus den Grabungen in Kalapodi als eine der für die frühe Eisenzeit (ca. 1000 – 700 v. Chr.) wichtigsten Fundgattungen systematisch dokumentiert, nach typo-chronologischen und archäometrischen Gesichtspunkten klassifiziert sowie einer kontextuellen Auswertung unterzogen werden. Die ganzheitliche Analyse der stratifizierten Keramikensembles lässt Ergebnisse erwarten, anhand derer die Fundkeramik in Hinblick auf die Zusammenhänge zwischen einzelnen Grabungsbefunden, auf funktionale Aspekte und die daraus ableitbare Rekonstruktion von Aktivitäten im Heiligtum sowie auf die regionale und überregionale Vernetzung des Kultplatzes bzw. seiner Klientel untersucht und im epochenübergreifenden Kontext der lokalen bzw. regionalen Keramiktechnologie und -produktion verortet werden kann. Jenseits des primären Ziels, die in der Fundkeramik inhärenten Informationen zu erschließen, mithilfe derer eine bessere Charakterisierung des früheisenzeitlichen Heiligtums von Kalapodi möglich sein wird, hat das Vorhaben das Potential, einen substantiellen Beitrag zur Erforschung der protogeometrischen und geometrischen Keramik in der zentralgriechischen Region zu leisten.


Kooperationen

Deutsches Archäologisches Institut DAI Abteilung Athen

14th Ephorate of Prehistoric and Classical Antiquities, Lamia

Stratigraphie und Kontext: Dr. Jan-Marc Henke, DAI Abteilung Athen

Archäometrische Analysen: Dr. Anno Hein, National Centre of Scientific Research “Demokritos”, Aghia Paraskevi


Bisheriger Stand der Projektarbeit

Fundbearbeitungskampagne Kalapodi 2023

Vom 12. Juni bis 13. Oktober 2013 fand im Depot in Kalapodi die erste Dokumentationskampagne des Projektes statt. Primäres Ziel waren die Sichtung der projektrelevanten Keramikbestände aus den Grabungen von R. Felsch (1973-1982), W.-D. Niemeier (2004-2013) und K. Sporn (2018) im Depot, die Auswahl, Vorbereitung und geordnete Ablage des diagnostischen Materials für die weitere Bearbeitung (Abb. 1) sowie der Beginn der Dokumentationsarbeiten. Die im Vorfeld der Kampagne auf Basis der Grabungsdokumentation ermittelten stratigraphischen Befundkontexte der protogeometrischen bis früharchaischen Zeit wurden systematisch gesichtet, die darin vergesellschaftete Feinkeramik für die Fundstatistik numerisch erfasst und in rund 2.100 Sammelaufnahmen photographisch festgehalten (Abb. 2). Parallel zur Auswahl der diagnostischen Stücke für die weitere Bearbeitung und deren Inventarisierung erfolgte die kontextübergreifende Suche nach Anpassungen und Zusammengehörigkeiten zwischen den Gefäßfragmenten, welche zum besseren Verständnis der stratigraphischen Zusammenhänge in dem gesamten Grabungsareal beitragen (Abb. 3). Besonders die Gefäßanpassungen zwischen Kontexten der Grabungen von R. Felsch und W-D. Niemeier (Abb. 4. 5) unterstützen die Korrelation dieser beiden methodisch voneinander abweichenden und teilweise sich überschneidenden Grabungsstratigraphien. Während diese der eigentlichen Dokumentation vorangehenden Arbeiten für einen Teil der Keramikbestände aus den älteren Grabungen (1973-1982) erst im kommenden Jahr beendet werden können, wurden sie für die neueren Grabungen (2004-2013 und 2018) bereits abgeschlossen und es konnte mit der Dokumentation der nunmehr etwa 7.500 inventarisierten Gefäßindividuen begonnen werden. Bis zum Ende der Kampagne wurden für rund 2.600 Gefäßindividuen aus den Grabungsjahren 2004-2007 und 2018 eine Zeichnung erstellt und die Katalogdaten einschließlich einer ersten fabrikatstypologischen Charakterisierung erhoben; die diagnostische Feinkeramik aus den Grabungsjahren 2004 und 2018 wurde in knapp 1.670 Einzelaufnahmen photographisch dokumentiert.

Projektmitarbeitende: Zeichnerin Ch. Kolb (Athen); studentische Hilfskraft M. Hutai (Tübingen)

Logistische Unterstützung: D. Grigoropoulos (DAI Athen); K. Kock-Paraskeva (DAI Athen); Ch. Vaporakis (Kalapodi/Museum Atalanti); A. Himi (Kalapodi)


Projektrelevante Literatur (Auswahl)

R. C. S. Felsch, Kalapodi. Bericht über die Grabungen im Heiligtum der Artemis Elaphebolos und des Apollon von Hyampolis 1978–1982, mit Beiträgen von K. Braun, M. Jacob-Felsch, G. Hübner, A. Nitsche, M. Salta und einer Studie zu den Mythen von Hyampolis von P. Ellinger AA 1987, 1–99

R. C. S. Felsch (Hrsg.), Ergebnisse der Ausgrabungen im Heiligtum der Artemis und des Apollon von Hyampolis in der antiken Phokis, Kalapodi 1 (Mainz 1996)

R. C. S. Felsch, Opferhandlungen des Alltagslebens im Heiligtum der Artemis Elaphebolos von Hyampolis in den Phasen SH IIIC - spätgeometrisch, in: R. Laffineur – R. Hägg (Hrsg.), Potnia. Deities and Religion in the Aegean Bronze Age, Proceedings of the 8th International Aegean Conference, Göteborg 12.-15. April 2000, Aegaeum 22 (Liège 2001) 193–199

R. C. S. Felsch (Hrsg.), Ergebnisse der Ausgrabungen im Heiligtum der Artemis und des Apollon von Hyampolis in der antiken Phokis, Kalapodi 2 (Mainz 2007)

I. Kaiser, Rituelle Mahlzeiten im spätbronzezeitlichen (SH III A) bis früheisenzeitlichen (SG) Heiligtum von Kalapodi, in: S. Gerlach – D. Raue (Hrsg.), Forschungscluster 4 Heiligtümer. Gestalt und Ritual, Kontinuität und Veränderung. Sanktuar und Ritual – Heilige Plätze im archäologischen Befund, Menschen – Kulturen – Traditionen, ForschungsCluster 4, 10 (Rahden/Westf. 2013) 295–297

I. Kaiser – L.C. Rizzotto – S. Strack, Development of a Ceramic Cultic Assemblage. Analyzing Pottery from Late Helladic IIIC through Late Geometric Kalapodi, in: S. Verdan – Th. Theurillat – A. Kenzelmann Pfeyffer (Hrsg.), Early Iron Age Pottery: A Quantitative Approach. Proceedings of the International Round Table Organized by the Swiss School of Archaeology in Greece (Athens, November 28–30, 2008) (Oxford 2011) 29–44

W. D. Niemeier, Das Orakelheiligtum des Apollon von Abai/Kalapodi. Eines der bedeutendsten griechischen Heiligtümer nach den Ergebnissen der neuen Ausgrabungen, TrWPr 25 2013 (Wiesbaden 2016)

K. Sporn, Extraurban oder Urban? Zu den phokischen Nationalheiligtümern von Abai und Hyampolis und dem Heiligtum von Kalapodi, in: H. Bumke (Hrsg.), Kulte im Kult. Sakrale Strukturen extraurbaner Heiligtümer, Internationale Tagung des Forschungsprojektes „Kulte im Kult“ der Nordrhein-westfälischen Akademie der Wissenschaften und der Künste an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg vom 12. bis 13. Februar 2012 (Rahden/Westf. 2020) 119–142

M. B. Toffolo – A. Fantalkin – I. S. Lemos – R. C. S Felsch – W.-D. Niemeier – G. D. R. Sanders – I. Finkelstein – E. Boaretto, Towards an Absolute Chronology for the Aegean Iron Age: New Radicarbon Dates from Lefkandi, Kalapodi and Corinth, PLos One 8, 12, 2013, e83117 <https://doi.org/10.1371/journal.pone.0083117> (26.02.2021)