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Was könnte dies sein?

In seiner Veröffentlichung „Psychodiagnostik“ beschrieb Hermann Rorschach 1921 das Verfahren, das als Ergebnis ein Persönlichkeitsbild liefern soll.
Die Versuchsperson erhielt eine „Tintenkleckskarte“ nach der anderen in die Hand und wurde gefragt: „Was könnte dies sein?“.

Die Reaktionen und Antworten wurden protokolliert und u.a. nach folgenden Fragestellungen ausgewertet:

  • Wie lang ist die Reaktionszeit? Wieviele Antworten werden gegeben? Wie oft wird keine Antwort gegeben?
  • Werden die Zufallsbilder „wahrgenommen“ im Sinne einer Sinnesempfindung oder „gedeutet“ bzw. ein Inhalt hineininterpretiert?
  • Ergibt sich die Antwort ausschließlich aus der Form des Bildes, oder darüber hinaus durch Bewegungsempfindungen oder die Farbe?
  • Wird das Bild als Ganzes oder in Teilen, und in welchen Teilen erfasst und gedeutet?
  • Was wird gesehen? Wie häufig wurde die gleiche Antwort von anderen Versuchspersonen gegeben?

Klecksographie – also Bilder aus Tintenklecksen, bei denen das Papier in der Mitte gefaltet wird und dadurch eine symmetrische abstrakte Abbildung entsteht – gibt es seit dem 19. Jahrhundert. Der Arzt und Schriftsteller Justinus Kerner brachte um 1890 ein Buch mit dem Titel „Klecksographien“ heraus und prägte diesen Begriff.

Für einen Rorschachtest aber mussten die Klecksographien bestimmte Anforderungen erfüllen, um verwendbar zu sein: die Formen sollten relativ einfach sein und die Verteilung der Kleckse gewisse Bedingungen der Raumrhythmik erfüllen, damit die Versuchsperson die Bilder nicht als „einfache Kleckse“ ablehnte und die Deutung verweigerte. Asymmetrische Bilder beispielsweise wurden von einem Großteil der Versuchspersonen abgelehnt. Symmetrie schaffte außerdem gleiche Bedingungen für Rechts- und Linkshänder. Eine geeignete Testserie aus 10 Bildern herzustellen ist also nicht so einfach wie es zunächst scheint.

Diese Bilderserie kann bei Ihnen übrigens nicht mehr angewendet werden, da die Zufallsbilder der Versuchsperson vorher nicht bekannt sein dürfen.

Der Rorschachtest wird bis heute als diagnostisches Hilfsmittel eingesetzt, ist aber in Bezug auf Aussagekraft und Verlässlichkeit umstritten.

 

Biographisches:

Hermann Rorschach war ein Schweizer Psychiater und Psychoanalytiker. Er wurde 1884 in Zürich geboren und wuchs in Schaffhausen auf.

Das Studium der Medizin in Neuenburg, Zürich, Bern und Berlin schloss er 1910 mit dem Staatsexamen ab. Er arbeitete danach in verschiedenen psychiatrischen Kliniken und Heil- und Pflegeanstalten in Münsterlingen, Münsingen (CH), Moskau, Bern/Waldau und Herisau.

Er starb 1922 mit nur 37 Jahren an einer zu spät behandelten Blinddarmentzündung.

 


Literatur:

Justins Kerner: Klecksographien. – 1890.- http://digi.ub.uni-heidelberg.de/diglit/kerner1890

Hens, Szymon: Phantasieprüfung mit formlosen Klecksen bei Schulkindern, normalen Erwachsenen und Geisteskranken. – Zürich, Univ., Diss., 1917/18

Rorschach, Hermann: Psychodiagnostik. – 5. Aufl. – Bern, 1946. – UB: Jf II 606