Im Juni 1864 wandte sich Professor Carl Vierordt in seiner Eigenschaft als Rektor der Universität an den Gemeinderat der Stadt Tübingen mit der Bitte, man möge im Winter 1864 wieder eine Schlittschuhbahn einrichten. Nachdem im Jahr 1863 die Tübinger Bevölkerung zum ersten Mal in den Genuss einer Schlittschuhbahn in unmittelbarer Nähe der Stadt gekommen waren, regte sich innerhalb und außerhalb der Universitätskreise der Wunsch, „dass das, was wir einem vorübergehenden glücklichen Zufall verdanken, in jedem Winter regelmäßig durch absichtliche Veranstaltungen uns verschafft werden möchte“ so Carl Vierordt in seinem Schreiben an den Gemeinderat. Zur Rechtfertigung seiner Bitte wies er außerdem daraufhin, dass „die Lebensgenüße und Annehmlichkeiten, welche unsere Stadt ihren Angehörigen und namentlich auch den Studierenden in den Wintermonaten zu bieten vermag, auf ein höchst bescheidenes Maß beschränkt sind“. Rektor Vierordt lieferte auch gleich einen konkreten Vorschlag für den Ort der Schlittschuhbahn: die Wiesen des Ammertals.
Ein Blick in eine Akte aus der Überlieferung des Akademischen Rektoramtes, die im Universitätsarchiv verwahrt wird, verrät was aus dem Vorschlag von Professor Vierordt geworden ist. Zunächst wurde die Idee eine Schlittschuhbahn einzurichten abgelehnt, weil die zur Anlage der Eisbahn vorgeschlagenen Fläche als ungeeignet angesehen wurde. Eine Flutung der in unmittelbarer Nähe zur Bahn gelegenen Wiesen würde nicht nur den Bahnkörper, sondern auch die dort angepflanzten Futterkräuter stark schädigen, so das Königliche Betriebsbauamt Reutlingen.
Rektor Vierordt ließ sich nicht von seinem Plan abbringen und wandte sich im Oktober 1864 erneut an den Stadtschultheißen. Und es fand sich tatsächlich ein für eine Schlittschuhbahn geeigneter Ort: eine Wiese auf dem Wöhrd zwischen Roßkastanien- und Akazienallee, etwa an der Stelle, an der sich heute der Anlagensee erstreckt. Das Wasser konnte vom vorbeifließenden Mühlbach auf die Wiese geleitet werden. Fror der Mühlbach aufgrund von strenger Kälte zu, rückten die städtischen Arbeiter mit großen langen Holzhämmern an, um den Bach vom Eis zu befreien und so den Zufluss auf die Eisbahn zu sichern. In der Nacht wurden die auf der Eisbahn entstandenen Risse mit Wasser ausgegossen.
Am 6.Dezember 1864 konnte in der Tübinger Chronik die Eröffnung einer Schlittschuhbahn verkündet werden. Das Schlittschuhlaufen als winterliches Freizeitvergnügen erfreute sich auch in Tübingen großer Beliebtheit, so dass man 1891 die Schlittschuhbahn vergrößerte. Ab 1909 diente dann der Anlagensee als Eisbahn.
Höhepunkt ein jeder Eislaufsaison war über viele Jahre das Eisfest. Zu den Klängen der Militärkapelle wurde auf dem Eis Polonaise, Walzer oder auch Polka getanzt, Glühwein und Punsch getrunken und von den Berliner Pfannkuchen genascht, die die Konditorenlehrlinge zum Verkauf anboten. Zum Abschluss des Eisfestes marschierten die Teilnehmer mit Lampions unter musikalischer Begleitung zum Markplatz, wo das das Fest mit einem Abschiedsmarsch beendet wurde.
Quelle:
UAT 117/662: Akte betreffend die Herstellung einer Schlittschubahn, 1864-1891
Literatur:
Erinnerungen an den Tübinger Schlittschuhsport, in: Schwäbisches Tagblatt vom 09.02.1952
... und grüßen Sie mir die Welt! : Tübingen - eine Universitätsstadt auf alten Postkarten ; Ausstellung im Stadtmuseum Tübingen vom 14.07.-07.10.2007 ; / hrsg. v. Udo Rauch und Antje Zacharias, Stadtmuseum Tübingen, 2007. S. 219 (Tübinger Kataloge ; Nr. 78).