Philologisches Seminar

Versio latina

Akteure, Ziele und Funktionen der Übersetzung frühneuzeitlicher Literatur ins Lateinische

Das aktuelle Projekt wird von der DFG im Schwerpunktprogramm 2130 „Übersetzungskulturen der Frühen Neuzeit (1450-1800)“ finanziert (Sprecherin: Prof. Dr. Regina Toepfer, Würzburg). Es wird in den kommenden drei Jahren Übersetzungen vernakularer Literatur ins Lateinische untersuchen, die in der Frühen Neuzeit im Druck erfolgreich waren. Es arbeitet komplementär zur bisherigen Forschung, indem es Latein als Ziel- und nicht als Ausgangssprache fokussiert und die neulateinische Übersetzung ins Zentrum stellt. Es zielt darauf, (1) die kulturellen Funktionen und ökonomischen Ziele der versio latina zu erschließen, (2) die besondere, durch Mehrfachreferenz geprägte Translationssituation des neuzeitlichen Übersetzens ins Lateinische zu beschreiben und theoretisch zu reflektieren, und mit beidem (3) die ‚vergessene Latinität‘ der vernakularen Literatur ins Bewusstsein zu heben, die für die Internationalisierung des frühneuzeitlichen Literaturbetriebs und Buchhandels von größter Bedeutung war.

 

Das Projekt definiert ‚Übersetzung‘ sowohl sprachlich als auch kulturell: Kulturell ist die neulateinische versio dadurch charakterisiert, dass Latein zwar eine globale Sprache mit einer vergleichsweise großen Sprechergemeinschaft ist, sie aber weder über native speaker noch über einen gemeinsamen Sprechort verfügt. Der Begriff der ‚Zielkultur‘ muss für diese Konstellation neu bestimmt werden; dies leistet das Projekt, in dem es nach ihren Akteuren, Funktionen und Zielen fragt. Dem in der älteren Forschung formulierten Befremden über die „curiosities“ tritt es mit einer skoposorientierten Analyse entgegen. Nicht vom kulturellen Transfer zu trennen ist die besondere sprachliche Mehrfachreferenz der neulateinischen versio: Wenn ein deutscher Übersetzer einen spanischen Roman ins Lateinische überträgt und das Werk in einem international tätigen Verlag erscheint, werden die translatorischen Entscheidungen nicht nur vom ‚semantischen Rucksack‘ des antiken Latein, sondern auch von den Möglichkeiten des Neulateins, der Herkunftssprache des Übersetzers, der Ausgangssprache des Textes und ggf. auch von der Muttersprache(n) der intendierten Käufer geprägt. Dieses Feld wird auf Basis der Übersetzungen, ihrer Paratexte und publikationsbezogenen Sekundärquellen erarbeitet. Die versio latina wird damit als Komplementärphänomen zum Übersetzen aus dem Lateinischen und als Intermediärphänomen des globalen Austauschs kenntlich.