Die Sorben als ethnische Minderheit

Die Sorben sind eine westslawische Ethnie, die in der Lausitz lebt. Sie zählt zu einen der 4 anerkannten ethnischen bzw. nationalen Minderheiten in Deutschland. Um als solche anerkannt zu werden, müssen folgende 5 Kriterien erfüllt werden (bmi 2020 / bpb 2017):

  1. Die Mitglieder sind deutsche Staatsangehörige.

  2. Sie unterscheiden sich von der Mehrheitsbevölkerung durch eine eigene Sprache, Kultur, Geschichte und Identität.

  3. Sie wollen ihre Identität bewahren.

  4. Sie sind traditionell in Deutschland heimisch.

  5. Sie sind innerhalb Deutschlands in einem angestammten Siedlungsgebiet ansässig.

Die Sorben sind auch als „Wenden“ bekannt. Dieser ältere und gleichberechtigte Begriff wird v.a. in Brandenburg verwendet, wo er 2014 als offizielle Bezeichnung anerkannt wurde. Der Begriff geht auf das römische „Veneti“ zurück, welcher unbekannte Stämme aus dem Osten bezeichnet (BLPB).
Heute werden die Sorben auf ca. 60.000* Personen geschätzt, davon sind 40.000 in der sächsischen Oberlausitz (Obersorben) und 20.000 in der brandenburgischen Niederlausitz (Niedersorben) heimisch (bpb 2017).
*Zahlenangaben beruhen auf Schätzungen, da seit Ende des 2WK in der BRD generell keine bevölkerungsstatistischen und sozioökonomischen Daten auf ethnischer Basis erhoben werden. Hintergrund dessen ist die Verfolgung solcher Minderheiten während der NS Gewaltherschafft (bmi 2020).

Siedlungsgebiet

Die Lausitz umfasst den Süden Brandenburgs, den Osten des Freistaates Sachsen, sowie ein Teil Polens. Im Gebiet des heutigen Polens lebten die Sorben nur bis ins 20. Jh., da die damalige Bevölkerung germanisiert und die übrigen Sorben in das polnische Volk assimiliert wurden (bpb 2017 / Schuster-Šewc, 2001).

Geschichte

600 n.Chr. siedelten einige westslawische Stämme in ein nahezu unbewohntes Gebiet von etwa 40.000km2 in der Region zwischen Saale und Mulde. Im Mittelalter kam es dort zu einer intensiven deutschsprachigen Besiedlung und Herrschaftsbildung. Gefolgt wurde dies von einer Christianisierung der Sorben ab dem 10. Jh., sowie einer weitgehenden Assimilierung ab dem 11. Jh.. Es gelang nur der Ober- und Niederlausitz ihre kulturelle Eigenart zum Großteil zu bewahren oder sogar weiterzuentwickeln (BLPB).
1150 bis 1300 erstrecke sich eine Phase der Hochkolonisation, welche hauptsächlich von deutschen Siedlern getragen wurde, über die Lausitz. Eine Verdrängung der sorbischen Bevölkerung hat kaum stattgefunden, da fast immer in gerodeten Flächen gesiedelt wurde. Im 12. Jh. intensivierte sich dieser Landausbau in der Oberlausitz. Als Folge wurden große Waldgebiete für den Bau neuer Dörfer gerodet. Im Gegensatz zu den altsorbischen Siedlungen konnten Zuwanderer ihre Siedlung zu flämischem, niederländischem oder fränkischem Recht gründen. Sie erhielten somit Erbrecht am erschlossenen Land und waren persönlich frei (Brankačk & Mětšk 1977a).
Die Reformation drang sich erst verzögert in die Lausitz ein und wurde bis Mitte des 16. Jh. schrittweise in den einzelnen Herrschaften eingeführt. Daraus folgte, dass alle Sorben der Niederlausitz und 75% der Sorben der Oberlausitz evangelisch wurden. Doch da die meisten Sorben weder Deutsch verstanden noch schreiben konnten, wurde der Gottesdienst in ihrer Muttersprache gehalten. 1548 wurde von Mikławš Jakubica der 1. Text handschriftlich ins Sorbische übersetzt. Es handelte sich hierbei um Luthers Neues Testament, welches jedoch aufgrund fehlender finanzieller Mittel nie gedruckt wurde (Kunze 2008).
Mitte des 15. Jh. kam es zu einem Besitzwechsel der beiden Laustizen. Zunächst änderte sich nicht viel an der Autonomie der Sorben. Vielmehr wurde die Stärkung der sorbischen Kultur begünstigt, aber auch Macht und Gewalt des einheimischen Adels gegenüber der bäuerlichen Bevölkerung. Durch einen verstärkten Übergang der Eingenwirtschaft zur Gutswirtschaft wurde aus erblichen Grundbesitz unerblicher Landbesitz (Lassbesitz). Als Folge dessen, erstreckten sich Bauernunruhen über mehrere Jahre hinweg, welche letztendlich durch einen Einsatz des Militärs niedergeschlagen wurden.
An der Wende zum 19. Jh. war das sorbische Siedlungsgebiet Schauplatz der Napoleonischen Kriege. Mit deren Ende und dem Wiener Kongress 1815, kam es zu einer territorialen Neugliederung Europas. Große Teile des sorbischen Siedlungsgebiets waren davon betroffen. Die ehemalig zum Königreich Sachsen gehörende Gebiete der Niederlausitz, sowie die nördliche und östliche Oberlausitz fielen an Preußen. Dadurch gehörte ein Großteil der sorbischen Bevölkerung zu Preußen (200.000 Sorben). Zum Vergleich lebten im verbleibenden sächsischen Teil (nur) noch 50.000 Sorben. Die Bildung einer eigenen Nation war dadurch ausgeschlossen (Brankačk & Mětšk 1977b).
In der Weimarer Republik sowie im Nationalsozialismus versuchte die Politik, die Sorben in neue Strukturen und die Domowina in den Bund Deutscher Osten einzugliedern. Diese änderte sich jedoch nachdem klar wurde, dass sich die sorbischen Organisationen widersetzten. Dies hatte zu Folge, dass 1937 alle sorbischen Vereinigungen verboten wurden. Der Gebrauch der sorbischen Sprache wurde zudem in der Öffentlichkeit stark eingeschränkt. Um dies durchzusetzen wurden sorbische Lehrer und Geistliche aus der Lausitz in weit entfernte Teile Deutschlands versetzt. Ziel war es dadurch die Sorben zur Assimilation zu zwingen (Ulf 2005).
In der Nachkriegszeit war Domowina die 1. Organisation, die wieder zugelassen wurde. Ihre Wiedergründung fand am 10. Mai 1945 statt und hatte erneut das Ziel, die sorbische Identität zu erhalten. Dennoch war die Politik gegenüber den Sorben von Kontrolle und Bevormundung geprägt. Dadurch kam es zu einen starken Rückgang der sorbischen Bevölkerung zwischen 1945 und 1990. In der DDR wurden offiziell von 100.000 Sorben gesprochen. Nach der Wiedervereinigung wurden Schätzungen auf 40.000 bis 60.000 korrigiert. Es ist daher davon auszugehen, dass sich die Zahl der Sorben während der DDR Zeit halbiert hat (Barker 2009). Mit der Wiedervereinigung ergaben sich dann auch für die Sorben neue politische Rahmenbedingungen (web archive 2009).

Kultur und Sprache

Sorbisch gehört der westslawischen Sprachfamilie an und kann in zwei Schriftsprachen unterschieden werden: Niedersorbisch (dolnoserbšćina) und Obersorbisch (hornjoserbšćina). Es gibt zudem Grenz- und Übergangsdialekte, welche etwa mit den heutigen Landesgrenzen zwischen Sachen und Brandenburg übereinstimmen.
Beide Sprachen gelten als bedroht und werden im öffentlichen (und teilweise im Privaten) Leben oft durch Deutsch ersetzt. Dennoch ist die Kommunikation mit Behörden in Brandenburg und Sachsen prinzipiell auf sorbisch möglich (Sorbischer Kulturtourismus 2020 / Sachsen.de).
Die ersten Nachweise der Schriftsprache gehen ins 16. Jh. zurück. Die Kirche spielt hierbei eine maßgebliche Rolle. Denn erst durch die Verschriftlichung und Übersetzung kirchlicher Texte konnten sich die Schriftsprachen entwickeln. Die Kirche war aber auch lange eine germanisierende Instanz. In der NS-Zeit wurde der Gebrauch der sorbischen Sprache in der Kirche untersagt. Pfarrer die trotzdem auf sorbisch predigten waren daher wichtig für den Spracherhalt. Dies war v.a. in der katholischen Kirche der Fall, welche die sorbische Sprache als göttliches Geschenk ansah und es als Sünde galt, sie abzulegen. In evangelischen Gebieten ist die Sprache zumeist verschwunden und hat sich von der restlichen sorbischen Kultur (z.B. Tracht) leicht entkoppelt (Walde 2006).
Die Tracht galt als traditionelle Kleidung der sorbischen ländlichen Bevölkerung. Bis in 18. Jh. wurde festgelegt und reguliert welcher Stand, welche Tracht tragen durfte. Eine Änderung des Kleidungsstils erfolgte nach der Französischen Revolution (1789 - 1794), Tracht galt nun als Ausdruck sorbischer Identität. Die Tracht der Männer verschwand bereits im 19. Jh.. Die Frauentrachten erhielten sich länger, wurden aber auch weitestgehend aufgegeben (Sorbischer Kulturtourismus 2020).

Aktuelle Herausforderungen

Die Sorben haben mit einer massiven Abwanderung aus beruflichen Gründen zu kämpfen. Maßgeblich ist hierfür der ein Strukturwandel, welcher sich durch den Kohleausstieg noch deutlich verschärft hat. Die Braunkohle bzw. Tagebau war und ist ein wichtiger Arbeitgeber für die Sorben und hat die Lausitz stark geprägt. Über 250 Dörfer und Gemeinden mussten dem Tagebau weichen, ca. 130 davon in den letzten 70 Jahren. Mit dieser Heimat ging auch viel Kultur und Sprache verloren (mrd 2020 / sächsische Zeitung 2020).
Eine weitere Herausforderung ist ein zunehmender Rechtsradikalismus. 2014 kam es zu einer „Welle der Gewalt“. Neben Übergriffe auf junge Sorben wurden Zweisprachige Ortsschilder in der Oberlausitz mit Sprüchen wie „Sorben raus“ beschmiert. Der Fokus dieses Rechtsradikalismus verlagerte sich erst 2016 durch die Flüchtlingskrise. Ab dem Zeitpunkte wurden Flüchtlinge das neue Ziel rechtsextremer Übergriffe (shz 2015) (NZZ 2017).

Besuch Domowina – Bund der Lausitzer Sorben e.V.

Die Domowina - ein sorbischer poetischer Ausdruck für „Heimat“ - wurde 1912 in Hoyerwerda gegründet. Sie gilt als Bund der Lausitzer Sorben bzw. ein politisch unabhängiger Dachverband sorbischer Vereinigungen. Die Domowina hat ein Sitz in Bautzen sowie in Cottbus, welche als kulturelle Zentren der Sorben angesehen werden. Ihr Ziel ist es die Sprache, Kultur und Tradition der Sorben zu bewahren, sowie weiterzuentwickeln. In diesem Rahmen vertritt die Domowina die Interessen der Sorben gegenüber der Politik, des Staates und der Öffentlichkeit (BIBH) (Domowina). 
Am 17.08.2021 fand ein Besuch der Domowina in Bautzen statt. Nach einer kleinen Präsentation bestand die Möglichkeit mit Vorsitzenden Dawid Statnik in einem Dialog zu treten, sowie die Chance Fragen zu stellen. Thematisiert wurden v.a. die Bräuche der Sorben wie das Osterreiten, welches aufgrund von Corona im vergangenen Jahr (2020) zum ersten Mal in etwa 600 Jahren abgesagt wurde. Corona hat zu vielen weiteren Einschnitten in der Sorbischen Kultur geführt, z.B. für Schulen, welche einen Maßgeblichen Einfluss auf den Spracherhalt haben.
Eine Entkopplung der Sprache von der Kultur in der Niederlausitz wurde auch angesprochen. Während in der Oberlausitz Sprache und Kultur stark verbunden sind, sei dies in der Niederlausitz nicht der Fall. So trifft man dort auf kulturverbundene Sorben in Tracht, die nur geringfügig bis gar kein sorbisch sprechen. Jeder kann sich als Sorbe identifizieren oder unabhängig davon die Sprache(n) lernen. Hierfür wurden in den Schulen bereits mehrgliederige Systeme eingeführt (Dawid Statnik).

Literaturverzeichnis: