Fachbereich Wirtschaftswissenschaft

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19.10.2017

Wie hat sich in den letzten 30 Jahren die Einkommensverteilung entwickelt und warum?

James Markusen, Distinguished Professor an der University of Colorado Boulder, hat bahnbrechende Arbeiten zur Theorie des internationalen Handels und zur Theorie multinationaler Unternehmungen geleistet.

The Skilled-Labor Wage Premium and Falling Middle-Class Fortunes

Im Alten Senat der neuen Aula befasste sich Prof. James R. Markusen am 17. Oktober in seiner Vorlesung mit zwei Fragen:

1) Wie hat sich im Laufe der letzten 3 Jahrzehnte die Einkommensverteilung in verschiedenen Ländern entwickelt?

2) Welches sind die dahinterstehenden Triebkräfte?

Diese Fragen werden schon seit geraumer Zeit kontrovers diskutiert, sowohl in der Wissenschaft, als auch in der Politik. Markusen ließ keinen Zweifel an dem empirischen Befund: Erstens, dem Befund einer steigenden Lücke zwischen den Einkommen von Personen mit hoher Ausbildung und Personen mit geringer Ausbildung und zweitens dem Befund einer vergleichsweise schlechten Entwicklung der Beschäftigungs- und Einkommensperspektiven für Personen mit mittlerem Ausbildungsgrad – auch im Vergleich mit gering ausgebildeten Personen.

Die zweite Frage ist hingegen, nach Markusen, wesentlich schwerer zu beantworten. Zugleich aber ist eine überzeugende Antwort mit Blick auf populistische Strömungen in der Politik besonders wichtig. In der Literatur wurden bislang – ganz allgemein betrachtet – zwei Typen von Erklärungsversuchen angeboten: Globalisierung und technologische Veränderungen. Beide sind nach Markusen zweifelhaft. Er bot in seiner Vorlesung eine dritte Erklärung an, die an der systematischen Veränderung der Nachfragestruktur im Zuge des wirtschaftlichen Wachstums ansetzt.

Globalisierung, insbesondere die Zunahme des internationalen Handels, kann die Erhöhung der Skillprämie dann erklären, wenn damit eine Verringerung der heimischen Produktion von jenen Gütern verbunden ist, zu deren Produktion in hohem Ausmaß gering qualifizierte Arbeit benötigt wird. Das mag für Industrieländer wie Deutschland zutreffen, aber dann sollte in Herkunftsländern dieser Produkte (den Entwicklungs- oder Schwellenländern) eigentlich eine umgekehrte Entwicklung der Skillprämie beobachtet werden. Und das ist, so betonte Markusen, nicht der Fall.

Technologische Veränderungen können die Erhöhung der Skillprämie dann erklären, wenn der technologische Fortschritt einen sogenannten „skill-bias“ hat, wenn er vor allem gering qualifizierte Arbeit freisetzt und die Arbeitsnachfrage nach hoch ausgebildeter Arbeit sogar noch erhöht, oder solche Arbeit zumindest weniger stark freisetzt. Die empirische Überprüfung dieser Erklärung leidet, so betonte Markusen, unter dem notorischen Problem, dass der technologische Fortschritt, insbesondere sein „bias“ nur schwer empirisch zu identifizieren sind. Weiterhin wies Markusen darauf hin, dass die These selbst von vornherein daran leidet, dass sie wichtige Aspekte der Entwicklung nicht anspricht. Dazu zählt insbesondere die in den Daten beobachtbare Änderungen der Nachfragestruktur, die parallel zu den erwähnten Änderungen der Einkommensverteilung stattfindet.

Und hier setzt nun Markusens drittes Erklärungsparadigma an. Eine Zunahme der Einkommen pro Kopf geht – im Gegensatz zu einer weitverbreiteten Annahme in der herrschenden Theorie – nicht damit einher, dass die Nachfrage nach allen Gütern mehr oder weniger gleichförmig zunimmt (homothetische Präferenzen). Vielmehr beinhaltet das Spektrum von Gütern solche mit sehr hoher (weit über 1 liegenden) Einkommenselastizität der Nachfrage, und solche mit sehr geringer (weit unter 1 liegenden) Einkommenselastizität. Das ist an sich nicht neu. Aber in einer im Jahr 2014 im Quarterly Journal of Economics erschienen Arbeit hat Markusen mit seinen Koautoren nachgewiesen, dass Produkte mit besonders hoher Einkommenselastizität typischerweise auch solche Produkte sind, bei deren Erzeugung in hohem Maße hoch ausgebildete Arbeit benötigt wird, und umgekehrt. Dieser Befund ist neu, und er bietet eine Erklärung dafür, dass auch neutraler technologischer Fortschritt, also Fortschritt ohne jeden „bias“, die Einkommensverteilung in dem eingangs erwähnten Sinne verändert. Die Erklärung beruht darauf, dass Wirtschaftswachstum – trotz Neutralität der technologischen Entwicklung – mit einem Trend steigender Nachfrage von hoch ausgebildeter Arbeit, relativ zu einfacher Arbeit, einhergeht.

Wie schon die beiden traditionellen Erklärungsversuche, so kann auch diese dritte, die Markusen- Hypothese, gut erklären, dass die Zunahme der Skillprämie mit einer Zunahme des Angebots an hoch ausgebildeter Arbeit einhergeht. Das ist deswegen wichtig, weil wir diese Zunahme in starkem Ausmaße in fast allen Ländern der Welt beobachten. Markusen präsentierte in seiner Vorlesung zur Illustration dieser dritten Erklärungshypothese eine Fülle von Zahlen. Dabei wurde insbesondere klar, dass diese seine an nicht-homothetischen Präferenzen ansetzende Hypothese in perfekter Übereinstimmung steht mit der beobachteten Zunahme der „service economy“. Markusen betonte allerdings zum Schluss, dass sein nachfrageorientiertes Erklärungsparadigma nicht als Konkurrenz oder Alternative zu den Paradigmen der Globalisierung bzw. des technologischen Wandels verstanden werden sollte, sondern als eine wichtige Ergänzung.

Zusammenfassung: Professor Wilhelm Kohler, Lehrstuhl Intenationale Wirtschaftsbeziehungen am Fachbereich Wirtschaftswissenschaft.

Bild: Till Lentze

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