„I am sorry to interrupt you so early, counsel, but should it not actually be called the XIII. International Roman Law Moot Court?“ Nun, in der Tat hat es den Anschein, als würde in der Tübinger Chronik des IRLM ein Jahr fehlen. Der Grund hierfür ist seit nunmehr 14 Monaten in aller Munde: Corona. Und so beginnt der Bericht über den IRLM 2021 nicht – wie sonst üblich – drei Monate vor dem eigentlichen Termin, sondern im Januar 2020. Zu diesem Zeitpunkt waren wir noch zuversichtlich, im April desselben Jahres die Delegationen sieben verschiedener Universitäten bei uns in Tübingen empfangen zu dürfen. Wir, das waren im März 2020 die Klägervertreter Alexander Negrea und Eva Schreiber sowie die Beklagtenvertreter Kevin Dilper und Ivana Pavlovic.
Doch dann schlug die eben erwähnte, mittlerweile zur Pandemie mutierte Krankheit zu, und wir wurden erstmals abrupt ausgebremst: alle Veranstaltungen abgesagt, kein Empfang von Gästen mehr erlaubt (erst recht nicht aus dem Ausland), Lockdown. Wir mussten unsere Plädoyers einstweilen auf Eis legen.
Nachdem der erste Schreck über die neue Situation überwunden war, galt es, einen Ersatz für den ausgefallenen Termin zu finden. Schwierig, denn man wusste nicht, wie lange die Pandemie dauern würde (jetzt wissen wir: das zieht sich!). Also wurde erwogen, mit dem Moot Court so zu verfahren wie mit allen wegen der Pandemie abgesagten Veranstaltungen, nämlich eine Online-Veranstaltung daraus zu machen. Doch wie mittlerweile allseits bekannt sein dürfte, birgt die Kommunikation via Kamera und Mikrofon so ihre Tücken, besonders wenn man eigentlich auf die direkte Reaktion seines Gegenübers angewiesen ist. Und so entschieden wir uns als Tübinger Team und mit uns die Hälfte aller Teams, an dem XIII. (Online-) IRLM im September 2020 nicht teilzunehmen und stattdessen darauf zu hoffen, dass man sich im darauffolgenden Jahr wieder von Angesicht zu Angesicht gegenüberstehen würde. Mit dieser Entscheidung war jedoch auch klar, dass wir Alexander Negrea als Senior Counsel der Klägerseite verlieren würden, da er mit der Examensvorbereitung beginnen würde. Glücklicherweise konnten wir als Verstärkung des Teams Atreju Prado für die Beklagtenseite gewinnen; Ivana Pavlovic wechselte auf die Position des Senior Counsel der Klägerpartei.
Doch abermals wurden unsere Pläne durch Corona vereitelt. Nach einer zweiten Krankheitswelle im Winter war klar abzusehen, dass es mit dem gemeinsamen Treffen in Tübingen wieder nichts werden würde. Und wieder stand die Entscheidung im Raum: Online-Moot Court oder verschieben? Dieses Mal entschieden sich alle acht Universitäten dafür, den juristischen Kampf online auszutragen. Und so starteten wir im April 2021 zum XIV. International Roman Law Moot Court.
„Did this answer your question, your Honour?”
Nach dieser doch recht langen Vorrede sind ein paar Worte zum Fall angebracht. Im Jahr 540 betreibt der römische Bürger Iunius am Fuße des Mons Alba (d. h. der Schwäbischen Alb) eine Pferdezucht. Während er selbst sich auf einer Dienstreise befindet, händigt seine Stellvertreterin Bisulla dem Dressurreiter Gibuld den Hengst Totilas für einen Monat zur Probe aus. Gibuld trainiert das Pferd und gewinnt mit ihm auf einem Wettbewerb ein ansehnliches Preisgeld. Nachdem der Hengst auf dem Hof von Gibuld jedoch ausschlägt und dabei den Sklaven Agilo tödlich am Kopf trifft, gibt Gibuld das Pferd an Iunius zurück. Dieser verlangt von jenem nun das auf dem Wettbewerb gewonnene Preisgeld heraus. Überdies nutzt Iunius den so gesteigerten Bekanntheitsgrad von Totilas, indem er bei dem Handwerker Lapidarius kleine Pferdefiguren aus Gips in Auftrag gibt, die er in seinem Souvenir-Shop zu verkaufen gedenkt. Aufgrund eines waghalsigen Boten erreichen die Figuren Iunius’ Hof jedoch nie, sie werden beim Transport vernichtet. Noch in derselben Nacht zerstört ein Mob den Souvenir-Shop, für den die Figuren bestimmt gewesen wären. Iunius verlangt von Lapidarius eine neue Lieferung.
Mit vielen guten Argumenten in unseren Plädoyers gewappnet erwarteten wir die Bekanntgabe, wer uns in der Vorrunde begegnen würde. Das Los fiel auf die Universitäten von Cambridge, Oxford und Neapel. In der ersten Hälfte des Tages plädierten Kevin Dilper und Atreju Prado als Beklagte gegen Cambridge sowie Ivana Pavlovic und Eva Schreiber als Kläger gegen Oxford. Am Nachmittag hatten wir in beiden Rollen gegen Neapel anzutreten. Wir vertraten die Interessen unserer Mandanten selbstverständlich herausragend. Freilich begingen wir auch einige handwerkliche Fehler: So wurde einmal kurzerhand dem zitierten Juristen Ulpian nachgesagt, er hätte den in der Quelle von ihm selbst geschilderten Fall falsch entschieden; ein anderes Mal wurde auf Fragen geradezu mürrisch oder gar nicht geantwortet! Doch abseits dieser Vergehen waren wir der Ansicht, uns behauptet zu haben.
Nachdem die Schlachten der Vorrunde geschlagen waren, stand die erste Ergebnisbekanntgabe an. In unserer Gruppe wurde Neapel als Erstplatzierter benannt. Doch wer würde es noch ins Halbfinale schaffen? Benjamin Spagnolo, der Koordinator des Moot Courts, verwies mit der Bekanntgabe auf das denkbar knappe Ergebnis: Ein halber Punkt trennte uns von Oxford, die Gruppenzweiter wurden; wir verpassten den Einzug ins Halbfinale um Haaresbreite! So waren wir bei Halbfinale und Finale zum Zusehen verdammt, doch nachdem Oxford das Finale für sich entschieden hatte, konnten wir immerhin behaupten, nur ganz knapp gegen den Sieger des ganzen Wettbewerbs verloren zu haben.
Auch abseits des eigentlichen Wettbewerbs galt es, dem Problem zu begegnen, dass Tübingen pandemiebedingt eigentlich nur pro forma als „Veranstaltungsort“ angesehen werden konnte. Gemeinsame Dinner, Unternehmungen, Stadtrundgänge – alles unmöglich. Umso bemerkenswerter war es, wie gut unsere Mentoren dieses Problem abzufangen wussten. So wurden die abendlichen Gelage eben „online-tauglich“ gemacht: Jeder brachte seine Mahlzeit und sein Weinglas selbst mit und dann wurde vor dem Bildschirm diniert.
Besonders sei auch eine einstündige (!) virtuelle Tour durch Tübingen und Umgebung erwähnt, die Konstantin Schönleber und Sebastian Schneider eigens für den Moot Court in – und darin waren sich alle Teilnehmer einig – brillanter Weise erstellt hatten. Selbst wir, die wir unsere Uni-Stadt ja eigentlich kennen sollten, konnten noch viel über die Tübinger Geschichte lernen.
Großen Anklang fand auch der thesaurus miraculorum, ein Quiz rund um verschiedene Eigenheiten des römischen Rechts. Die antretenden Teams waren bunt aus den verschiedenen Universitäten zusammengesetzt, was uns Teilnehmern einmal mehr die Gelegenheit gab, uns abseits der Plädoyers auch international auszutauschen.
So bleibt uns doch schließlich ein in jeder Hinsicht außerordentlicher, aber umso mehr gelungener Moot Court in Erinnerung, der uns allen viel Freude bereitet hat. Unser Dank gilt Herrn Professor Finkenauer, der uns die Gelegenheit gab, diese Erfahrung zu machen, weiterhin in besonderer Weise Herrn Andreas Herrmann, der uns bei der gesamten Vorbereitungszeit immer mit Rat und Tat zur Seite stand, sowie dem ganzen Team des Lehrstuhls für die ganze Arbeit, die in den Moot Court investiert wurde.
If I cannot be of further assistance, this will conclude my submissions!