Institut für Politikwissenschaft

Die Aushandlung von Sagbarkeitsgrenzen in politischen Diskursen

Eine Analyse parlamentarischer, massenmedialer und zivilgesellschaftlicher Öffentlichkeiten

Das Projekt untersucht, wie sich normative Sagbarkeitsgrenzen in politischen Diskursen der bundesdeutschen Öffentlichkeit von 1980 bis heute verändert haben. Der Bedarf für diese Untersuchung ergibt sich daraus, dass in der politischen und wissenschaftlichen Debatte der letzten Jahre zwei einander direkt entgegengesetzte Krisendiagnosen mit gleichermaßen großer Dringlichkeit formuliert werden. Einige Autor:innen sprechen insbesondere im Kontext des Aufstiegs rechtspopulistischer Parteien von einer ständigen Erweiterung des Sagbaren und einer zunehmende Normalisierung gruppenbezogen-menschenfeindlicher Gehalte, was mit einer Gefährdung der liberalen Demokratie einhergehe. Andere Autor:innen monieren im Gegenteil eine zunehmende Verengung von Sagbarkeitsgrenzen: Aussagen, die vor kurzem noch Teil des Mainstreams gewesen seien, würden nunmehr als antidemokratisch ausgegrenzt, was selbst eine Gefahr für die Demokratie darstelle. Obwohl diese Debatten intensiv geführt werden, mangelt es gerade für den deutschen Fall bislang an langfristig angelegten und systematischen empirischen Untersuchungen, die klären könnten, inwiefern die jeweiligen Diagnosen angemessen sind, welche Veränderungen von Sagbarkeiten es gab und wie ihre Folgen für die Demokratiequalität zu bewerten sind.

Um diese Forschungslücke zu schließen, unternimmt das beantragte Projekt eine solche Untersuchung auf Grundlage des diskurshistorischen Ansatzes (DHA). Dies geschieht in drei Teilprojekten, die sich jeweils einer maßgeblichen öffentlichen Sphäre widmen: Teilprojekt I (Dr. Floris Biskamp) untersucht die Veränderungen in der staatlich-institutionellen Sphäre am Beispiel von Debatten des Deutschen Bundestages von 1980 bis heute. Teilprojekt II (Hannah Hecker) erforscht die Veränderung von Sagbarkeiten in der massenmedialen Sphäre anhand einer Analyse von sonntagabendlichen Polit-Talkshows im deutschen Fernsehen von 1990 bis heute. Teilprojekt III (Julia Glathe) zielt auf die zivilgesellschaftliche Sphäre, die am Beispiel von Deutschem Katholikentag und Deutschem Evangelischen Kirchentag von den 1980ern bis heute untersucht wird. In allen drei Teilprojekten werden erstens die Grenzziehung in Hinblick auf Rassismus auf den Themenfeldern Migration und Integration analysiert, zweitens explizite Aushandlungen über Meinungsfreiheit und ihre Grenzen einbezogen und drittens zusätzliche Themenfeldern identifiziert und analysiert, auf welchen die Aushandlung von Sagbarkeitsgrenzen in den einzelnen Sphären besonders konfliktiv ist.

Durch diese Untersuchung von drei für die öffentliche Meinungsbildung und politische Willensbildung besonders relevanten und miteinander verzahnten Sphären verspricht das Projekt, erstmalig eine systematisch empirisch fundierte Einschätzung über die Veränderung normativer Sagbarkeitsgrenzen in der deutschen Öffentlichkeit geben zu können.

Projektbeteiligte:

Projektleitung und Teilprojekt I: Dr. Floris Biskamp [Link zu Seite]

Teilprojekt II: Hannah Hecker [Link zu Seite]

Teilprojekt III: Julia Glathe [Link zu Seite]

Call for Papers - Limitis of the Sayable _ Grenzen des Sagbaren

Studentische Hilfskraft gesucht

Das DFG-Projekt „Die Aushandlung von Sagbarkeitsgrenzen in politischen Diskursen“ am Institut für Politikwissenschaft sucht zum nächstmöglichen Zeitpunkt (15.5. oder 1.6.) eine studentische Hilfskraft (m/w/d) im Umfang von 20 Stunden im Monat. Die Stelle ist zunächst für ein Jahr zu besetzen, es besteht die Möglichkeit auf Verlängerung.

Informationen zum Projekt:
Das Forschungsprojekt untersucht, wie sich die normativen Grenzen des Sagbaren in der bundesdeutschen Öffentlichkeit von den 1980ern bis heute verändert haben. Dabei wird in drei Teilprojekten je eine eigene Sphäre untersucht: die politisch-institutionelle Öffentlichkeit am
Beispiel von Bundestagsdebatten, die mediale Öffentlichkeit am Beispiel von Talkshows sowie die zivilgesellschaftliche Öffentlichkeit am Beispiel von Kirchentag und Katholikentag. Ein besonderer Schwerpunkt liegt auf Debatten über Rassismus und Migration.
Die Aufgaben umfassen:
- Recherche
- Unterstützung bei der Durchführung von Projektveranstaltungen
- Unterstützung bei der Projektorganisation
- Unterstützung bei der Forschungsarbeit (z.B. Transkriptionen)

Die Arbeit findet von einzelnen Veranstaltungen abgesehen überwiegend im Homeoffice statt.
Voraussetzungen sind:
- sorgfältige und selbstständige Arbeitsweise
- Interesse an qualitativer Sozialforschung
- Immatrikulation an einer Hochschule des Landes Baden-Württemberg
- Studium in einem einschlägigen Fach (z.B. Politikwissenschaft, Soziologie,
Medienwissenschaften)
Bewerbungen (Anschreiben, Lebenslauf, Zeugnisse, Übersicht über bisherige Kurse und Noten) bitte bis zum 31.3.2024 an floris.biskamp@uni-tuebingen.de.

Ausschreibung im PDF-Format