Landwirtschaftliche Entwicklung in Malaysia
Malaysia ist heute einer der größten Palmölproduzenten der Welt und auch in der Vergangenheit war die Landwirtschaft ein wichtiger Baustein des Wirtschaftswachstums. Wie es dazu kam und mit welchen Erfolgen, Misserfolgen, Problemen, Chancen und Auswirkungen dies verbunden ist, wird im Folgenden erläutert.
Die Landwirtschaft spielte vor der Kolonialzeit in Malaysia eine untergeordnete Rolle. Die präkoloniale Landwirtschaft war durch periodische Entwaldung geprägt. Reis wurde vor allem subsistenzorientiert in Sumpfgebieten oder an Flussläufen der Städte angebaut (Sundaram et al. 2004, 64; Keßler 1990, 51). Aufgrund der hohen natürlichen Rohstoffvorkommen in Form von Zinn expandierte der Abbau und damit stieg die Nachfrage nach Lebensmitteln, folglich wurden rasch weitere Nutzpflanzen angebaut (Lees 2017, 15).
Chinesische Farmer haben bereits 1810 Zuckerrohr in Penang angebaut. Hierzu wurde schlammiges Flachland in nutzbares Land verwandelt. Die Europäer folgten 1846 dem Beispiel und kultivierten Land in Perak und weiteten den Anbau über Malakka bis nach Singapur aus. Es wurden Entwässerungsgräben gebaut und das Land in rechteckige, homogene Felder geteilt (Lees 2017, 30). Die dünne Besiedlungsdichte des Landes und die günstigen Preise machten eine schnelle Expansion der Landwirtschaft in Malaysia erst möglich.Dies ist allerdings auch ein Grund dafür, warum häufig bis heute noch Arbeiter aus den Nachbarländern nach Malaysia kommen um in der Landwirtschaft zu arbeiten. Die Kolonialpolitik stellte sicher, dass die Exportprodukte in britischer Hand blieben und kontrollierten, dass die malaysischen Bauern nur Reis und andere Lebensmittelpflanzen anbauten. Die britische Kontrolle über Malaysia ging Hand in Hand mit einer raschen wirtschaftlichen Entwicklung. Handel und Produktion stiegen rapide an, Transportwege wurden verbessert unter der Aufsicht des Britischen Empire (Lees 2017, 19).
Mit der Expansion der Automobilindustrie Ende des 19. Jahrhunderts überstieg die Nachfrage nach Kautschuk erstmals das Angebot, folglich stiegen die Preise stark an (Lees 2017, 173). In Malaysia wurden die landwirtschaftlichen Flächen zunehmend auf den Anbau von Kautschuk ausgerichtet, während traditionelle Anbauprodukte wie Kaffee, Zucker, Pfeffer und Reis an Bedeutung verloren. Fortan betrieb man eine industrialisierte, exportorientierte Landwirtschaft mit monokulturellem Anbau (Lees 2017, 171). Zwischen 1900 und 1940 explodierte der Kautschukanbau förmlich. Ungefähr 50% der damaligen Anbaufläche wurde für Kautschukanbau genutzt. Ab 1930 war Malaysia der weltweit größte Kautschuklieferant (Lees 2017, 174). Die Kolonialregierung förderte den Kautschukanbau mit günstigen Krediten um Land für den Anbau zu kaufen (Kenney-Lazar 2019, 69). Eine Reihe von Landwirtschaftspolitiken wurde seitens der Kolonialregierung für Kautschuk geschaffen. Als Beispiele seien flexible Exportsteuern und die Einrichtung von Forschungs- und Entwicklungseinrichtungen für Kautschuk genannt (Fold, Whitfield 2012, 22). Der Kautschukanbau führte zu großflächiger Entwaldung um Platz für den Anbau zu machen. Im ersten Viertel des 20. Jahrhunderts wurden über eine halbe Mio. ha Land mit Kautschuk bepflanzt (Sundaram et al. 2004, 27). Der Kautschukanbau hatte aufgrund wissenschaftlicher und technischer Durchbrüche mit synthetischem Kautschuk aber ab den 1960er Jahren zunehmend zu kämpfen (Sundaram et al. 2004, 65; Richter 2009, 2; Fold, Whitfield 2012, 11). Die Federal Land Devlopment Authority (FELDA) ist eine malaysische Regierungsagentur, die 1956 gegründet wurde um die ländliche arme Bevölkerung umzusiedeln um als Kleinbesitzer Ölpalmen oder Kautschuk anzubauen und den ländlichen Raum zu fördern (Kenney-Lazar 2019, 71f.). Den Kleinbauern wurde eine Fläche zwischen 4 und 5,7ha zugewiesen und ein Haus auf dem Gelände zur Verfügung gestellt (Fold, Whitfield 2012, 11).
In den 1960er und 70er Jahren begann der Fokus auf Diversifizierung. Der Preis für Kautschuk war im freien Fall (Fold, Whitfield 2012, 37). Infolgedessen wurden Neu-Bepflanzungskredite vergeben und Forschung- und Entwicklungseinrichtungen gegründet um die Palmölindustrie aufzubauen (Fold, Whitfield 2012, 11; 37). Von 1971 bis 1985 wurden dem Agrarsektor insgesamt 1,3 Mio. ha Boden zugeführt (Keßler 1990, 5). Zu Beginn der 1980er Jahre überstieg der Profit von Palmöl das erste Mal den von Kautschuk (Sundaram et al. 2004). Heute ist FELDA einer der größtem Palmölproduzenten der Welt. Der globale Markt für Palmöl wird derzeit auf einen Wert von rund 55 Mrd. Euro geschätzt. Nach Angaben der Regierung werden 74% der landwirtschaftlichen Fläche Malaysias für die Palmölproduktion genutzt (Stam 2020).
Die Ölpalme ist mit einer Anbaufläche von rund 6 Mio. ha derzeit die wichtigste Rohstoffpflanze Malaysias (s. Abb. ). Grund dafür ist der außerordentliche Flächen-Nutzen Vorteil gegenüber anderen pflanzlichen Ölen. Die Produktivität pro Hektar von Ölpalmen ist etwa 27-mal besser als die von Soja. Die Ölpalme ist die ertragreichste und im Flächenverbrauch sparsamste Ölfrucht, außerdem wachsen Soja und Kokospalmen in ökologisch ähnlich sensiblen Regionen (Abdullah et al. 2009, Johari et al. 2015, Noleppa, Cartsburg 2016, 6). Der Palmölanbau beansprucht weniger als 5% der landwirtschaftlichen Nutzfläche der Welt, macht aber ein Drittel des gesamten globalen Marktanteils von Pflanzenölen aus (Umar et al. 2013, 109). Jedes zweite fetthaltige Konsumprodukt – von der Hautcreme über den Brotaufstrich bis zum Biodiesel – enthält Palmöl (ISCC 2018).
Malaysia hat die höchste Entwaldungsrate der Welt mit Verlusten von schätzungsweise 14,4% der gesamten Waldvegetation (Johari et al. 2015, 259). Malaysias Altwälder gehören biologisch gesehen zu den reichsten der Welt und bieten Lebensraum für viele gefährdete Arten (Abdullah et al. 2009, 5446). Die Palmölindustrie wird als Verantwortliche für die Rodung dieser Wälder ausgemacht. Der politische Druck wird seit Anfang der 2000er Jahre aber immer höher. Der Vorwurf lautet, dass die Plantagen für hohe Kohlendioxidemissionen verantwortlich sind, indem kohlenstoffreiche Umgebungen wie Primärwaldgebiete und Moore verdrängt und durch Monokulturplantagen mit geringerem Absorbtionsvermögen ersetzt werden (Kenney-Lazar 2019, 76). Malaysia bemüht sich seitdem um eine nachhaltigere Entwicklung. So praktiziert das Land heute teilweise nachhaltige Waldbewirtschaftung aufgrund seiner internationalen Verpflichtung aus der Vertragskonferenz in Kopenhagen 2009, 50% seines Landes als Waldfläche zu erhalten (Umar et al. 2013, 109). Die Waldbedeckung hat von 56,4% im Jahr 2010 auf 61% im Jahr 2014 sogar zugenommen (ebd.). Die Malaysische Regierung hat zudem im März 2019 beschlossen, die Ausweitung der Ölpalmenplantagen auf 6,5 Mio. ha zu begrenzen. Die Regierung wird darüber hinaus die Erschließung von Torf- und Moorgebieten einschränken (Stam 2020). Ergänzend werden Dauerschutzwaldgebiete ausgewiesen und Mangrovenwälder aufgeforstet (MP11, 6-8).
Aufgrund der Diskussion um einen Palmölbann der EU im Transportwesen hauptsächlich zur Herstellung von Biokraftstoffen gab es seitens der malaysischen Regierung Kritik. „Die EU hat sich entschieden, unsere fortgesetzten Bemühungen um die Agenda der Vereinten Nationen für das Erreichen nachhaltiger Entwicklungsziele bis 2030 zu ignorieren, unsere nationalen Zusagen zum Erhalt des Waldes, nachhaltiger Palmölproduktion und insbesondere unsere Anstrengungen zur Bekämpfung der Armut vor allem in ländlichen Gebieten“, heißt es von der Regierung (Hein 2019). Weiter heißt es, man solle Palmöl nicht als einzigen Schuldigen für die Abholzung und andere Umweltprobleme anprangern: „Macht es Sinn, eine Kulturpflanze herauszupicken und zu sagen, dass wir jetzt wegen der Entwaldung und der Arbeitsbedingungen ein Exempel statuieren, während wir andere Kulturen – wie z.B. Soja, das im Amazonasgebiet auf gerodeten Flächen angebaut wird – ignorieren?“ (Stam 2020). Der Austausch eines Öls durch ein anderes wird das Problem nicht lösen, sondern nur verlagern. Im Zuge dieser Aussagen wurde sowohl im Seminar als auch auf der Exkursion die Thematik des Landwirtschaftsprotektionismus ausführlich diskutiert.
Abschließend lässt sich sagen, dass die Kolonialpolitik einen großen Einfluss auf die landwirtschaftliche Entwicklung in Malaysia hatte und einige Politiken sich bewährt hatten und folgerichtig in späteren Perioden in abgeänderter Form wieder auftraten. Hierbei hervorzuheben seien die günstigen Kredite für Land und Neubepflanzung, Forschungs- und Entwicklungseinrichtungen und FELDA. Ein großer Vorteil für Malaysia mit seiner exportorientierten Landwirtschaft war und ist die weiträumig ungenutzte Landfläche und das Klima. Auch wenn die Palmölindustrie zurecht in der Kritik steht, wenn es um Nachhaltigkeit, Biodiversitätsverlust und Entwaldung geht, muss beachtet werden, dass die Ölpalme die ertragreichste und im Flächenverbrauch sparsamste Ölfrucht ist. Außerdem kann Palmöl im Vergleich zu anderen Pflanzenölen sehr vielseitig genutzt werden.