Geschichte des Lehrstuhls

1812 - 1817 Johann Nepomuk Bestlin

*1768
†1831

Gründungsprofessor des Fakultätsvorläufers in Ellwangen

1817 - 1817 Rudolf Eyth

*1779
†1856

Arbeitet nur zwei Wochen als Professor in Tübingen und wird auf eigenen Wunsch von seinem Amt entbunden.

1817 - 1837 Johann Baptist von Hirscher

*1788
†1865

Kurzbiographie

Hirscher wurde am 20.1.1788 in Alt-Ergarten bei Ravensburg geboren. Nach Besuch der Klosterschule der Prämonstratenserabtei Weißenau bei Ravensburg (bis 1803) sowie des Lyzeums in Konstanz (bis 1807) studierte er zunächst an der Universität Freiburg im Breisgau. 1809 trat er in das Priesterseminar in Meersburg am Bodensee ein. Im Anschluss an die Priesterweihe 1810 wirkte er als Seelsorger in Röhlingen, bevor er 1812 zunächst zum Repetenten am neuen Priesterseminar in Ellwangen und dann 1817 zum Professor für Moral- und Pastoraltheologie an der Universität Tübingen ernannt wurde. 1836 erfolgte die Erhebung in den persönlichen Adel. Von 1837-1863 lehrte Hirscher in Freiburg, wo er 1839 in das Domkapitel gewählt wurde, dem er bis in sein letztes Lebensjahr angehörte. Als Mitglied der ersten badischen Kammer versuchte Hirscher sowohl die staatliche Förderung des Christentums wie auch die Freiheit der Kirche zu sichern, wobei er sich insbesondere für die Beibehaltung der Konfessionsschule einsetzte. Neben seinen theologischen und politischen Aktivitäten unterstützte er intensiv die Caritasarbeit in der Diözese Freiburg. Hirscher starb am 4.8.1865 in Freiburg.

Bedeutung

Hirscher ist Mitbegründer der Tübinger „Theologischen Quartalschrift“ und gilt mit Johann Adam Möhler als Hauptvertreter der katholischen ‚Tübinger Schule’. Trotz seiner konservativen Grundüberzeugung trat er für manche kirchliche Reformen ein, die jedoch lehramtlich blockiert wurden. Seine Schrift „Die kirchlichen Zustände der Gegenwart“ (1849) stand auf dem Index der verbotenen Bücher. Neben seinen homiletischen und katechetischen Studien – insbesondere seiner „Katechetik“ (1831) –, durch die er zum Begründer einer wissenschaftlichen Katechetik wurde, gilt vor allem sein Hauptwerk „Die christliche Moral“ als eines der bedeutendsten theologischen Werke seiner Zeit.

Wichtigste Veröffentlichungen

  • Katechetik oder der Beruf des Seelsorgers, die ihm anvertraute Jugend im Christentum zu unterrichten und zu erziehen, nach seinem ganzen Umfange dargestellt, 1831.
  • Die christliche Moral als Lehre von der Verwirklichung des göttl. Reiches in der Menschheit, 3 Bde., 1835/36.

1838 - 1840 Martin Joseph von Mack

*1805
†1885

Kurzbiographie

Das Leben von Mack spiegelt die kirchliche Entwicklung in Württemberg zwischen den Jahren 1830 und 1870 wider. Am 19.2.1805 auf Burg Neuhaus bei Mergentheim geboren, studierte er Philosophie und katholische Theologie an der Universität Tübingen. Nach der Priesterweihe (Rottenburg 1828) und einer kurzen Vikariatszeit wurde er Repetent im Wilhelmsstift. Es folgte zunächst die Ernennung zum außerordentlichen und im Jahr 1835 die zum ordentlichen Professor für neutestamentliche Exegese. Mit dem Weggang und der Berufung von Johann Baptist Hirscher zum Professor für Moraltheologie an der Theologischen Fakultät in Freiburg übernahm Mack zusätzlich zu seiner bisherigen Lehrtätigkeit in neutestamentlicher Exegese die Moraltheologie. In Konflikt mit dem Staatskirchenregiment geriet Mack durch sein Votum zum staatlichen Mischehenrecht, das Grund für seine Absetzung als Rektor der Universität und die Versetzung in die Pfarrei Ziegelbach bei Waldsee war. Alle weiteren Bemühungen um einen Ruf an eine andere Universität schlugen fehl. Er starb am 24.9.1885.

Bedeutung

Macks akademische Laufbahn hängt eng mit dem Erstarken der Partei der Jungkirchler und „Möhlerianer“ in der Diözese Rottenburg zusammen. In den ersten Jahren veröffentlichte er mehrere exegetische Arbeiten darunter sein Hauptwerk „Commentar über die Pastoralbriefe des Apostels Paulus“ (1836). Bei einer näheren Analyse seines moraltheologischen Œuvres fällt die Nähe zum Denken Hirschers auf. Der für seine weitere Karriere verhängnisvolle Aufsatz „Über die Einsegnung der gemischten Ehen“ (1838) rief begeisterte Zustimmung speziell im jüngeren Klerus und bei den Theologiestudenten des Wilhelmstifts hervor. Das Verbot dieses Aufsatzes durch die staatliche Zensur und die darauffolgende Absetzung als Rektor waren in Württemberg der Beginn des offenen Kirchenkampfes. Literarisch meldete Mack sich das letzte Mal im Jahr 1847 zu Wort mit einer „Hauspostille für Katholiken“ und vertrat seit der Mitte des Jh. eine kirchenpolitisch gemäßigte Position.

Wichtigste Veröffentlichungen

  • Commentar über die Pastoralbriefe des Apostels Paulus, 1836.
  • Über die Einsegnung der gemischten Ehen. Ein theologisches Votum, 1840.
  • Zur Abwehr und Verständigung, 1842.
  • Haus-Postille für Katholiken. 2 Teile, 1847.

1841 - 1848 Joseph Gehringer

*1803
†1856

Kurzbiographie

Gehringer wird am 10. April 1803 in Unterkochen (bei Aalen, Württemberg) geboren und stirbt am 8. Sept. 1856 in Jerusalem. Er studierte in den Jahren 1822-1826 an der Universität Tübingen katholische Theologie. Ein Jahr nach der Priesterweihe (1827) trat er die Stelle als Repetent am Wilhelmsstift in Tübingen an. Kurze Zeit später wurde er Pfarrer in Mögglingen bei Schwäbisch Gmünd (1831). 1839 schließlich wurde Gehringer als Abgeordneter in den württembergischen Landtag gewählt, wobei er das Mandat mit der Übernahme des Lehrstuhls für Moraltheologie und neutestamentliche Exegese in Tübingen 1941 niederlegte. 1840 setzte die Württembergische Regierung den Tübinger Theologieprofessor Martin Joseph Mack kurzerhand ab, obschon dieser gerade das Rektorat bekleidete. Die komplizierte Kandidatenauswahl für dessen Nachfolge führte zu Gehringer als einen „alten“ und nicht neokonservativen Vertreter innerhalb des Katholizismus und war somit auch eine politische Entscheidung.

Bedeutung

Als erster Katholik übernahm Gehringer in seinen exegetischen Veröffentlichungen die so genannte Zwei-Quellen-Theorie zur Entstehung der Evangelien (Synoptiker), die noch nach 1900 zu schweren Konflikten in der katholischen Kirche führen sollte. So wurden generell all seine Publikationen von ultramontaner Seite missbilligend zur Kenntnis genommen. Die Revolution von 1848 schwächte die staatskirchlich eingestellten Theologen wie Gehringer und stärkte die Ultramontanen, die inzwischen seine Absetzung forderten und seine Schriften indiziert sehen wollten. Es dauerte jedoch noch zwei Jahre bis Papst Pius IX. die Absetzung Gehringers durchsetzen konnte, wobei Gehringer in der Zwischenzeit bereits selbst seinen Lehrstuhl geräumt hatte und Pfarrer in Kocherthürn wurde. Gehringer verstarb 1856 auf einer wissenschaftlichen Reise nach Palästina im Hospiz der Franziskaner von Jerusalem. Dort liegt er noch heute begraben.

Wichtigste Veröffentlichungen

  • Synoptische Zusammenstellung des griechischen Textes der vier Evangelien nach den Grundsätzen der authentischen Harmonie, 1842;

  • Liturgik. Ein Leitfaden zu akademischen Vorträgen über die christliche Liturgie nach den Grundsätzen der katholischen Kirche, 1848;

  • Theorie der Seelsorge. Ein Leitfaden zu akademischen Vorträgen über die christliche Seelsorge nach den Grundsätzen der katholischen Kirche, 1848.

1844 - 1848 Nikolaus Anton Schimele

1850 - 1876 Moritz von Aberle

*1819
†1875

Kurzbiographie

Aberle wurde am 25.4.1819 in Rottum bei Biberach geboren. Nach seinem Studium der Katholischen Theologie an der Universität Tübingen wurde er am 29.8.1842 zum Priester geweiht. Nach seiner Repetentenzeit in Tübingen trat er eine Stelle als Obergymnasialprofessor in Ehingen an, bevor er im Jahr 1848 als Direktor des Wilhelmsstifts nach Tübingen zurückkehrte. Zwei Jahre später folgte seine Ernennung zum ordentlichen Professor für neutestamentliche Exegese und Moraltheologie an der Universität Tübingen, deren Rektorenamt er in den Jahren 1865/66 bekleidete. Am 3.1.1875 verstarb Aberle in Tübingen.

Bedeutung

Aberles eigentliches Interesse galt dem Neuen Testament. Als ihn im Jahr 1866 ein Ruf nach München erreichte, blieb er in Tübingen nur unter der Bedingung, dass er von seiner Verpflichtung zu moraltheologischen Vorlesungen entbunden werde. Seither konzentrierte er seine wissenschaftliche Tätigkeit auf die neutestamentliche Exegese. Mit Mitteln der modernen Bibelkritik untersuchte er die neutestamentliche Zeitgeschichte sowie die Entstehung und den Zweck der Evangelien. In der Moraltheologie verfolgte er einen probabilistischen Ansatz und verstand diese als Kasuistik. Allerdings forderte Aberle die Berücksichtigung psychologischer und gesellschaftswissenschaftlicher Erkenntnisse ein. Ein besonderes Anliegen waren ihm die Untersuchung der „außerordentlichen Seelenzustände“. Ferner meldete er sich in zahlreichen Publikationen zu kirchenpolitischen Fragen zu Wort und unterstützte den Standpunkt der Diözesanverwaltung von Bischof Lipp.

Wichtigste Veröffentlichungen

  • Einleitung ins Neue Testament, hrsg. v. Paul v. Schanz, 1877.

1867 - 1889 Franz-Xaver von Linsenmann

*1867
†1898

Kurzbiographie

Linsenmann wird am 28.11.1835 in Rottweil als Sohn eines Schuhmachermeisters geboren. Am 21.9.1898 verstarb er in Lauterbach bei Schramberg (Württ.). Von 1854-1858 studierte er als Seminarist des Wilhelmsstifts Philosophie und Theologie in Tübingen. 1858 trat er ins Priesterseminar ein und wurde 1859 zum Priester geweiht. Nach kurzer Seelsorgetätigkeit als Vikar in Oberndorf am Neckar wurde er 1861 Repetitor für Dogmatik in Tübingen und 1867 außerordentlicher Professor für Moraltheologie. 1872 folgte seine Promotion zum Dr. theol. h.c. und 1872 seine Ernennung zum ordentlichen Professor der Moral- und Pastoraltheologie. 1883 verlieh man Linsenmann mit dem Orden der württembergischen Krone den persönlichen Adelstitel. Im Studienjahr 1887/88 war er Rektor der Universität Tübingen. 1898 wird Linsenmann einstimmig als Bischof von Rottenburg gewählt und präkonisiert, bevor er im gleichen Jahr noch vor seiner Bischofsweihe stirbt.

Bedeutung

Linsenmann setzte in seinem Lehrbuch für Moraltheologie neue Akzente theologischer Ethik. Gegenüber einer Verrechtlichung der Moraltheologie in der Kasuistik und einem reinen Moralpositivismus betonte er die Gewissensfreiheit und die Eigenverantwortung des Christen, dessen Freiheit und personale Entscheidung er mit Blick auf das sittliche Subjekt auf diese Weise besonders würdigte. Gegen eine reine Pflichtenlehre betonte er die ethosbildende Kraft etwa der evangelischen Räte oder der Idee der Nachfolge. Damit stellte er sich insgesamt in die Tradition von Johann Baptist Hirscher. Großes Gewicht legte er auch auf sozialethische Fragestellungen. Linsenmann zählt zu den bedeutendsten Theologen des 19. Jahrhunderts, auch wenn seine Überlegungen erst mit der deutschsprachigen Moraltheologie der 1960er Jahre breitere Rezeption erfuhren. Vielfältige Veröffentlichungen Linsenmanns zu moral- und pastoraltheologischen Fragen erfolgten in der ThQ.

Wichtigste Veröffentlichungen

  • Lehrbuch der Moraltheologie, Freiburg i.Br. 1878;

  • Untersuchungen über die Lehre von Gesetz und Freiheit, in: ThQ 53 (1871), 64-114, 221-277 und 54 (1872), 3-49, 193-245;

  • Über Pflichtenkollision, in: ThQ 58 (1876), 3-59;

  • Über Richtungen und Ziele der heutigen Moralwissenschaft, in: ThQ 54 (1872) 529-553.

1889 - 1894 Paul Wilhelm von Keppler

*1852
†1926

Kurzbiographie

Keppler wird am 28.9.1852 in Schwäbisch Gmünd geboren und stirbt am 16.7.1926 als Bischof der Diözese in Rottenburg. Seit 1899 gehörte er dem württembergischen Personaladel an. Nach dem Studium der Theologie in Tübingen folgt 1875 in Rottenburg die Priesterweihe. Nach zwei Jahren Vikariat wird Keppler 1880 Repetent am Wilhelmsstift in Tübingen. 1883 übernimmt er den Lehrstuhl für Neutestamentliche Exegese an der Katholisch-Theologischen Fakultät Tübingen. Einen Ruf an die Bonner Universität lehnte er 1887 ab und beerbte stattdessen zwei Jahre später Franz Xaver Linsenmann auf dessen Lehrstuhl für Moral- und Pastoraltheologie in Tübingen. 1894 ereilte ihn der Ruf auf den Lehrstuhl für Moraltheologie an der Universität Freiburg im Breisgau, den er annahm. Vier Jahre später wählte das Rottenburger Domkapitel Keppler, u.a. aufgrund seiner kirchentreuen Gesinnung aber unter Argwohn der württembergischen Regierung, einstimmig zum Bischof der Diözese.

Bedeutung

Keppler ging es in seinen Schriften vornehmlich um das rechte Verständnis der Arbeit und ihrer Bedeutung im Leben des Menschen, insbesondere des Christen. Zudem soll er ein begnadeter Homilet und Redner gewesen sein und war als Reiseschriftsteller und religiöser Essayist geschätzt. Als Bischof bemühte sich Keppler um ein loyales und konfliktfreies Verhältnis zur Regierung. Er positionierte sich jedoch bei der um die Wende zum 20. Jahrhundert aufkommenden geistig-religiösen Bewegung des Modernismus auf der Seite des Papstes und erteilte den Vertretern des so genannten Reformkatholizismus 1902 in seinem Referat „Wahre und falsche Reform“ eine harsche Abfuhr.

Wichtigste Veröffentlichungen

  • Die Parabeln des Herrn in Homilien, 1922.
  • Das Problem des Leidens, 1915.
  • Wahre und falsche Reform, 1903.

 

1894 - 1915 Anton Koch

*1859
†1915

Kurzbiographie

Koch wurde am 19.4.1859 in Pfronstetten bei Münsingen (Württemberg) geboren. Nach Schulbesuchen in Riedlingen und Ehingen studierte er kath. Theologie in Tübingen. Im Anschluss an die Priesterweihe 1884 wirkte er zunächst als Seelsorger auf Schönenberg bei Ellwangen, bevor er 1886 als Repetent an das Tübinger Wilhelmsstift wechselte. Nach der Promotion zum Dr. theol. 1891 arbeitete er als Kaplan in Stuttgart. 1894 übernahm er die 1896 in eine ord. umgewandelte ao. Professur für Moral- u. Pastoraltheologie in Tübingen. 1913/14 bekleidete er das Rektorat. Koch starb am 24.5.1915.

Bedeutung

Obwohl im Schatten Franz Xaver von Linsenmann stehend versuchte Koch wie dieser, die Moraltheologie dadurch vom Odium einer bloßen Sündenlehre zu befreien, dass er die Kasuistik zurückdrängte. Neben seinem Bemühen um einen Dialog mit humanwissenschaftlichen Nachbarfächern (insbes. Jurisprudenz und Nationalökonomie) interessierte Koch vor allem das Verhältnis zwischen natürlicher und theologischer (Offenbarungs-) Moral, die er als Integrations- bzw. Orientierungsrelation bestimmte. Kochs liberale Einstellung und offene Sympathie für den Reformkatholizismus brachten ihm wiederholte Konfrontationen mit dem Jesuitenorden und dem Rottenburger Bischof Paul Wilhelm von Keppler ein.

Wichtigste Veröffentlichungen

  • Lehrbuch der Moraltheologie, 1905.

1916 - 1941 Otto Schilling

*1874
†1956

Kurzbiographie

Schilling wurde am 12.10.1874 in Stuttgart geboren und studierte katholische Theologie an der Universität Tübingen. Zum Priester wurde er am 21.6.1898 geweiht und bekam im Jahr 1903 eine Repetentenstelle im Wilhelmsstift. Seine katholische Doktorarbeit „Staats- und Soziallehre des hl. Augustinus“ schloss er im Jahr 1908 ab. In mehreren Studienaufenthalten widmet Schilling sich neben seiner pastoralen Tätigkeit insbesondere der Naturrechts-, Staats- und Soziallehre bei Thomas von Aquin. Von 1916 bis 1941 war er Inhaber des Lehrstuhls für Moraltheologie und Sozialwissenschaften in Tübingen. Schilling stirbt am 1.9.1956 in Pullach bei München.

Bedeutung

Schilling zeigte sich in seiner Moraltheologie und Sozialethik den sozialen und gesellschaftlichen Problemen seiner Zeit aufgeschlossen. Diese reflektierte er in einer Zusammenschau von erfahrungswissenschaftlichen Ergebnissen einerseits und der Staats-, Sozial- und Naturrechtslehre der Väter sowie eines thomistisch interpretierten Thomas von Aquin andererseits. Schilling verstand die Moraltheologie als übernatürliche Normwissenschaft, deren Aufgabe darin besteht, die übernatürliche Grundlegung der Sittlichkeit zu beweisen. In diesem Sinne führte er das sittliche Handeln auf die Caritas als dessen übernatürliches Grund- und Einheitsprinzip zurück. Der neuscholastischen Methode verpflichtet, stellte Schilling ein objektives Moralsystem für die Gesellschaft auf, innerhalb dessen die Caritas weniger für ein personales als für ein abstrakt strukturelles Prinzip steht. Bei Schilling promovierten u.a. der Sozialethiker und Caritaswissenschaftler Heinrich Weber (1888-1946) und der kath. Theologe Adam August (1888-1965).

Wichtigste Veröffentlichungen

  • Die Staats- und Soziallehre des heiligen Thomas von Aquin, 1923.

  • Lehrbuch der Moraltheologie, 1928.

  • Christliche Sozial- und Rechtsphilosophie, 1933.

  • Grundriss der Moraltheologie, 1949.

  • Handbuch der Moraltheologie, 3. Bde, 1952-56.

1941 - 1949 Theodor Steinbüchel

*1888
†1949

Kurzbiographie

Steinbüchel wurde am 15.6.1888 in Köln geboren. Nach dem Studium der kath. Theologie sowie der Philosophie in Bonn und Straßburg wurde er 1911 mit einer Dissertation über den ‚Zweckgedanken in der Philosophie des Thomas von Aquino’ zum Dr. phil. promoviert. Im Anschluss an die Priesterweihe 1913 folgte eine mehrjährige Seelsorgetätigkeit im rheinisch-westfälischen Industriegebiet. Das theologische Doktorat erwarb Steinbüchel 1921 mit einer Arbeit über den ‚Sozialismus als sittliche Idee’. 1922 habilitierte er sich an der katholischen Fakultät der Universität Bonn für Ethik u. Moraltheologie, wo er bis 1926 lehrte. Von 1926 bis 1935 hatte er den Lehrstuhl für Weltanschauungsfragen an der Universität Gießen inne. 1935 folgte der Ruf auf die Professur für Moraltheologie der katholischen Fakultät München, die er bis zur Auflösung der Fakultät durch die Nationalsozialisten 1938 vertrat. Von 1941 bis 1949 war Steinbüchel Ordinarius für Moraltheologie an der Universität Tübingen, wo er von 1946 bis 1948 als Rektor der Universität amtierte. Steinbüchel verstarb überraschend am 19.2.1949 in Tübingen infolge eines Gehirnschlages.

Bedeutung

Als wichtigster Schüler Fritz Tillmanns zählt Steinbüchel mit zu den wegweisenden Leitfiguren einer bibelorientierten und zugleich weltoffenen Erneuerung der Moraltheologie, die schließlich mit dem Vaticanum II gesamtkirchliche Anerkennung fand. Ausgehend von den philosophisch-anthropologischen Voraussetzungen menschlicher Sittlichkeit suchte er auf dem Boden des christlichen Ethos das weiterführende Gespräch mit dem ethischen Denken in Geschichte und Gegenwart. ‚Humanitas’ i. S. gelebter sinnorientierter Menschlichkeit wurde dabei zum Auslegungsschlüssel sittlicher Grundverwirklichung. Sein lebenslanges Nachdenken galt dem fragenden, Heil und Erlösung suchenden Menschen in seiner geschichtlichen und sozialen Bedingtheit.

Wichtigste Veröffentlichungen

  • Der Sozialismus als sittliche Idee, 1921.
  • Das Grundproblem der Hegelschen Philosophie, 1933.
  • Die philosophische Grundlegung der katholischen Sittenlehre, 2 Bde., 1938.

1950 - 1966 Johannes Stelzenberger

*1898
†1972

Kurzbiographie

Stelzenberger wurde am 12. August 1898 in Münchnerau bei Landshut geboren und starb am 19. März 1972 in Stockdorf bei München. Nach dem Studium an der Philosophisch-Theologischen Hochschule in Freising und der Universität München wurde er im Jahr 1923 in der Diözese Freising zum Priester geweiht. Im Jahr 1927 promovierte er in München und habilitierte sich drei Jahre später in Würzburg mit einer moralgeschichtlichen Studie über das Verhältnis der christlichen Sittenlehre zur Ethik der Stoa. Danach wurde er zunächst in den Jahren 1935/36 Gastprofessor an der Katholischen Universität in Santiago de Chile. Nach einer kurzen Lehrtätigkeit in Würzburg übernahm er von 1936 bis 1939 den Lehrstuhl für Moraltheologie an der Universität Breslau. Als Heeres- bzw. Divisionspfarrer wurde er im Zweiten Weltkrieg in die Wehrmacht eingezogen. Erst im Dezember 1949 kehrte er aus russischer Kriegsgefangenschaft zurück und hatte von 1950 bis 1966 den Lehrstuhl für Moraltheologie in Tübingen inne.

Bedeutung

Das wissenschaftliche Werk Stelzenbergers wird bestimmt durch die Frage nach dem Beitrag der Geschichte zur Erhellung christlicher Sittlichkeit. Da Ethik immer auch den geschichtlich bedingten Ethos darstellte, können einzelne moraltheologische Argumente lediglich vor dem Hintergrund des geschichtlichen Werdegangs verschiedener Kulturepochen angemessen gewertet werden. Die Geschichte der Moraltheologie verdeutlicht die Bedeutung sittlicher Prinzipien i.S. sittlicher Grundhaltungen bzw. -entscheidungen, ohne deren Anerkennung die Ebene der Sittlichkeit nicht erreicht werden kann. Das Gewissen ist die Instanz einer sittlichen Persönlichkeit, welche die sittlichen Prinzipien formuliert, Grundentscheidungen trifft und diese auf einen konkreten Fall hin aktualisiert. Stelzenberger plädierte für eine ganzheitlich-menschliche Gewissenstheorie und beklagte die Unterordnung des Gewissens unter einen abstrakten Moralkodex.

Wichtigste Veröffentlichungen

  • Lehrbuch der Moraltheologie. Die Sittlichkeitslehre der Königsherrschaft Gottes, 1953.

  • Conscientia bei Augustinus. Studie zur Geschichte der Moraltheologie, 1959.

  • Das Gewissen. Besinnliches zur Klarstellung eines Begriffes, 1961.

  • Syneidesis, conscientia, Gewissen. Studie zum Bedeutungswandel eines moraltheologischen Begriffes, 1963.

1966 - 1981 Alfons Auer

*1915
†2005

Kurzbiographie

Auer wurde am 12. Februar 1915 in Schönebürg bei Biberach geboren und empfing nach den üblichen Studien 1939 in Rottenburg die Priesterweihe. Nach dem Krieg arbeitete er zunächst als Repetent im Wilhelmsstift und als Studentenseelsorger in Tübingen. Von 1951 bis 1953 war er Gründungsdirektor der Katholischen Akademie des Bistums Rottenburg-Stuttgart, 1955 wurde er auf den Lehrstuhl für Moraltheologie an der Universität Würzburg berufen, den er bis 1966 inne hatte. Von 1955 bis zu seiner Emeritierung im Jahr 1981 war Auer Ordinarius für Moraltheologie an der Universität Tübingen. Auer starb am 19. November 2005 in Tübingen.

Bedeutung

Auer gilt als einer der wichtigsten deutschsprachigen Moraltheologen des 20. Jahrhunderts, der sich um einen Dialog von Kirche und Welt im Geiste des Zweiten Vatikanischen Konzils bemüht hat. Kennzeichnend für seinen ethischen Ansatz war die zentrale Stellung der menschlichen Vernunft in Fragen der christlichen Sittenlehre, die er in einer positiven Sicht von Mensch und Schöpfung verankerte.

Wichtigste Veröffentlichungen

  • Die vollkommene Frömmigkeit des Christen: nach dem Enchiridion militis Christiani des Erasmus von Rotterdam, 1954.
  • Weltoffener Christ, 1960.
  • Autonome Moral und christlicher Glaube, 1971.
  • Umweltethik, 1984.
  • Geglücktes Altern, 1995.

1981 - 2003 Gerfried Werner Hunold

*1938 ✝2022

Kurzbiographie

Hunold ist am 18. 04. 1938 in Oldenburg geboren. Nach dem Studium der Philosophie, Theologie, Sozialwissenschaften und Psychologie war er von 1967 bis 1970 wissenschaftlicher Assistent am moraltheologischen Seminar der Universität Bonn, wo er auch – u.a. als Stipendiat der Deutschen Forschungsgemeinschaft – Promotion und Habilitation ablegte. Er war dann 1971 bis 1980 Professor für Moraltheologie am Studium Generale in Münster. Zwischenzeitlich nahm er zusätzliche Lehrtätigkeiten an den Universitäten Paderborn (1978-1979) und Köln (1979-1980) wahr und hatte eine Gastprofessur für Ethik und Weltanschauungsfragen an der TH Aachen (1979-1980). Von 1981 bis 2004 war er Lehrstuhlinhaber für Theologische Ethik an der Eberhard-Karls-Universität Tübingen. Mitgliedschaften an der Europäischen Akademie für Umweltfragen, der Arbeitsgruppe Bioethik der Deutschen Bischofskonferenz und des europäischen Netzwerks "Medienethik". Consultor der Société Francaise de Reflexion Bioéthique, Paris. Leiter des Forschungsprojektes "Humangenetik, Embryonenforschung und Ethik" im Auftrag der Bundesministerin für Forschung und Technologie.

Bedeutung

Hunold zeichnet sich in seinem moraltheologischen Schaffen insbesondere durch intensive Dialogbemühungen mit den Humanwissenschaften und der Soziologie aus. Zu den vorrangig bearbeiteten Begriffen zählt der der (moralischen) Identität. Schon früh hat Hunold annotierte Bibliographien zur Bio- und Medienethik veröffentlicht, thematische Schwerpunkte, die schließlich zur Gründung und Herausgabe der Zeitschrift Forum Medienethik (kopaed-Verlag) geführt haben.Darüber hinaus hat er die Reihe Forum Interdisziplinäre Ethik (Peter Lang Verlag) begründet, die seit ihrem Bestehen 1991 bereits über 30 Bände umfasst. Ebenso ist er (Mit-) Herausgeber des Lexikons für Bioethik (drei Bd., Gütersloh 1988) oder des Lexikons der christlichen Ethik (zwei Bd., Freiburg i.Br. 2003).

Wichtigste Veröffentlichungen

  • Ethik im Bannkreis der Sozialontologie. Eine theologisch-moralanthropologische Kritik des Personalismus, 1974.
  • Identität und Norm. Studien zur sittlichen Struktur des Individuellen im Sozialen, 1978.
  • Lexikon der christlichen Ethik. Zwei Bd., 2003.
  • Hunold, G. / Laubach, T. / Greis, A. (Hrsg.), Theologische Ethik. Ein Werkbuch, 2000.
  • Greis, A.. / Hunold, G / Koziol, K. (Hrsg.), Medienethik. Ein Werkbuch, 2003.