Philosophische Fakultät

ERC Grants

Der European Research Council (ERC) ist die führende europäische Förderorganisation für exzellente Spitzenforschung. Der ERC vergibt Föderung in vier Hauptformaten: Starting, Consolidator, Advanced und Synergy Grants. In allen vier Förderlinien ist die Philosophische Fakultät erfolgreich.

TIDA – Text and Idea of Aristotle's Science of Living Things (Advanced Grant)

Das Projekt entwickelt eine neue Gesamtinterpretation von Aristoteles’ De anima und verwandten Schriften. Im Gegensatz zu gängigen Lesarten der letzten Jahrzehnte, die den Text vor allem als Beitrag zur Philosophie des Geistes verstehen, betrachtet TIDA das De anima als grundlegendes Werk innerhalb einer umfassenden Wissenschaft vom Lebendigen – Menschen, Tiere und Pflanzen. Ziel ist es, die Rolle des De anima im Zusammenspiel mit anderen Schriften für die Erklärung lebendiger Phänomene zu bestimmen und daraus Aristoteles’ biologisch fundierte Perspektiven auf klassische Fragen der Philosophie des Geistes zu gewinnen. Methodisch setzt TIDA auf enge Zusammenarbeit von Philosophie und Philologie: Die Texte werden sowohl neu interpretiert als auch nach neuesten philologischen Standards kritisch ediert. Ergebnis sind ein verbesserter griechischer Urtext und ein frischer, wissenschaftlich fundierter Blick auf Aristoteles’ Biologie.

Leitung: Prof. Dr. Klaus Corcilius

Laufzeit: 01. Oktober 2022 - 30. September 2027

Subliminal learning in the Mandarin lexicon (Advanced Grant)

Das Projekt untersucht unbewusste Regelmäßigkeiten in gesprochener Sprache, die durch kulturell geprägte Schriftsysteme verdeckt werden, aber dennoch vom Gehirn zur Optimierung der Wortverarbeitung genutzt werden. Aufbauend auf philosophischen Ansätzen (Kant, Husserl, Merleau-Ponty) und Hoffmans These „Fitness beats truth“ wird gezeigt, dass Schriftsysteme sprachliche Feinheiten ausblenden, die für Muttersprachler unproblematisch, für Zweitspracherwerb jedoch hinderlich sind. Am Beispiel des Mandarin-Chinesischen werden zwei Arten subliminaler Diskrepanzen analysiert: zwischen erwarteter und tatsächlicher Aussprache sowie zwischen angenommenen und realen Funktionsweisen des Schriftsystems. Mithilfe computergestützter Modellierung, distributionaler Semantik und Statistik sollen die Erkenntnisse in neue Methoden zur effizienteren Wortschatzvermittlung im Chinesisch-als-Fremdsprache-Unterricht einfließen.

Leitung: Prof. Dr. Harald Baayen

Laufzeit: 01. September 2022 - 31. August 2027

Atlantic Exiles: Refugees and Revolution in the Atlantic World, 1770s-1820s (Starting Grant)

Das Projekt untersucht Bewegungen und Netzwerke von Geflüchteten und Exilierten der Revolutionen in Amerika und Europa (1770er–1820er). In dieser „Zeitenwende“ politischer Moderne entstand der politische Flüchtling erstmals als Massenphänomen: Über 250.000 Menschen suchten aus primär politischen Gründen Zuflucht im Ausland. Das Projekt zeigt, wie diese Migrationen zentrale Transformationen im atlantischen Raum prägten – von Staatsbürgerschaft und Untertanenstatus über Wohlfahrt und Frühhumanitarismus bis zu transnationaler Exilpolitik. Es beleuchtet den karibischen Raum als bedeutende Aufnahme- und Transitregion und liefert die erste systematische Analyse von Exilbewegungen in atlantischer Perspektive. Durch mehrsprachige, ortsübergreifende Archivforschung werden neue Verbindungen zwischen Atlantik- und Flüchtlingsgeschichte geschaffen und die Ergebnisse in einen langfristigen globalhistorischen Rahmen eingeordnet.

Leitung: Prof. Dr. Jan Jansen

Laufzeit: 01. Oktober 2020 - 30. September 2025

PACT: Populism and Conspiracy Theory (Consolidator Grant)

In den letzten zwei Jahrzehnten sind sowohl populistische Bewegungen als auch Verschwörungstheorien weltweit stark angestiegen. Populistische Führer bedienen sich häufig verschwörungstheoretischer Rhetorik, die bei Teilen ihrer Anhängerschaft auf Zustimmung stößt. Dennoch bleiben viele Fragen offen: Wann, wie und warum greifen Populisten auf solche Theorien zurück? Sind sie vor allem rechtsgerichtet? Ändert sich ihre Bedeutung, wenn Populisten an die Macht kommen? Das EU-geförderte PACT-Projekt untersucht die Rolle von Verschwörungstheorien für populistische Bewegungen in den USA, Brasilien, Österreich, Ungarn, Italien und Polen. Methodisch kombiniert das Projekt Diskursanalyse von Reden, Parteiprogrammen und sozialen Medien mit ethnographischer Feldforschung, um die Bedeutung der Theorien sowohl für Führungspersonen als auch für Mitglieder zu erfassen. Ziel ist ein besseres Verständnis der Auswirkungen auf liberale Demokratien.

Leitung: Prof. Dr. Michael Butter

Laufzeit: 01. April 2020 - 30. September 2025

Abgeschlossene Projekte (der letzten 5 Jahre)

CrossLingference - Cross-Linguistic statistical inference using hierarchical Bayesian models (Advanced Grant)

Das Projekt CrossLingference verbindet historische Linguistik und linguistische Typologie, um die bisher getrennten Ansätze von diachroner Tiefe und sprachübergreifender Breite zusammenzuführen. Mit Bayes’schen hierarchischen Modellen wird die phylogenetische Linguistik auf sprachfamilienübergreifende Analysen erweitert: Jede Sprachlinie folgt eigenen Dynamiken, doch Daten einer Familie informieren die Analyse anderer. Parallel werden verallgemeinerte lineare gemischte Modelle so angepasst, dass sowohl genealogische Geschichte als auch Sprachkontakt kontrolliert werden. Ergänzend kommen agentenbasierte Simulationen zum Einsatz. Anwendung findet der Ansatz bei der Analyse von Lautgesetzen zur automatischen Rekonstruktion von Protosprachen, der Erforschung kausaler Zusammenhänge zwischen typologischen Variablen sowie der Trennung universaler Tendenzen, historischer Kontingenzen und Kontakteinflüsse in Wortstellungstypen und Flexionsparadigmen.

Leitung: Prof. Dr. Gerhard Jäger

Laufzeit: 01. Oktober 2019 - 31. März 2024

Wide Incremental learning with Discrimination nEtworks (Advanced Grant)

Das fünfjährige Projekt erforscht, wie wir im Alltag Wörter produzieren und verstehen – auch wenn sie stark verkürzt klingen, wie deutsches würdenwün oder Mandarin 要不然 → ui. Statt Sprache in abstrakte „Laut-Buchstaben“ zu zerlegen, analysiert WIDE die vollen akustischen Details und setzt auf neuartige, sehr breite neuronale Netze mit zehntausenden Ein- und Ausgängen. Ziel ist ein Modell, das Bedeutungen direkt aus dem Sprachsignal erkennt und auch die Produktion von Wörtern ohne klassische Lautbausteine modelliert – für Sprachen wie Deutsch, Mandarin und Estnisch.

Leitung: Prof. Dr. Harald Baayen

Laufzeit: 01. September 2017 - 31. August 2022