Fotografie und Volkskunde. Zur wissenschaftlichen Rezeption eines visuellen Mediums
Förderung | Projekt der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) |
Projektleitung | Prof. Dr. Gottfried Korff |
Wissenschaftliche Mitarbeiterin | Dr. Ulrich Hägele |
Projektlaufzeit | 03/2000 - 02/2002 |
Während eines Zeitraums von über hundert Jahren entstanden zwischen der Volkskunde im Museum, als akademische Disziplin und als Lieferantin wissenschaftlicher Fotografie Schnittstellen, die ins Zentrum der vorliegenden Untersuchung gestellt werden sollen. Dementsprechend konzentriert sich das Projekt auf folgende ineinander verzahnte und für die deutsche Volkskunde charakteristische Forschungs- und Vermittlungsfelder: Museum, Hochschule, museale und illustrierte Veröffentlichungen. Untersuchungsgegenstände sind im wesentlichen die jeweils nationalen musealen volkskundlichen Fotosammlungen in Deutschland, Österreich und der Schweiz sowie Fotoabbildungen in den wichtigsten volkskundlichen Zeitschriften bzw. illustrierten volkskundlichen Veröffentlichungen.
Ziel des Projekts ist, den Umgang der Volkskunde mit den fotografischen Quellen einer Analyse zu unterziehen: Wie begann volkskundliche Fotografie? Wer fotografierte und was wurde fotografiert? Welche Einflüsse hatte die "Verfotografierung" der Volkskultur auf das Fach? Welche nationalen Unterschiede lassen sich in der deutschsprachigen Volkskunde beschreiben? Welche Rolle erlangte die Fotografie in Forschung und Lehre und welchen Stellenwert nimmt sie im Rahmen einer volkskundlichen Ikonographie ein?
Die deutschsprachige Volkskunde verwendet Fotografien heute hauptsächlich in Archiv, Museum, Ausstellung, Lehre und setzt sie in Variationen zur Bewahrung, Illustration und als Quelle methodisch ein. Das Forschungsprojekt stellt sich die Aufgabe, in einem ersten Schritt sowohl die Zielsetzung der drei nationalen volkskundlichen Zeitschriften ("Zeitschrift für Volkskunde" / "Österreichische Zeitschrift für Volkskunde" / "Schweizerisches Archiv für Volkskunde") hinsichtlich der Rolle der Fotografie zu analysieren als auch die Intention der den nationalen volkskundlichen Museen angegliederten Fotosammlungen zu erörtern - die drei musealen Institutionen in Berlin, Wien und Basel waren personell oder örtlich eng mit den jeweiligen Periodika verknüpft. Es stellt sich die Frage, ob innerhalb der Bewahrung im Museumsarchiv wiederum zwei Varianten des Umgangs mit Fotografie feststellbar sind: Eine, die mit antiquarischem Interesse von vom Verschwinden bedrohte Objektivationen zu retten sucht und eine zweite, welche die Intention des musealen Inventarisierens aufweist und somit bereits eine didaktisch-wissenschaftliche Verwendung impliziert.
Zunächst soll anhand von fotografischen Quellen untersucht werden, welche Zusammenhänge zwischen fotografischer Abbildung von Objektivationen der Volkskultur und thematischer Akzentuierung des Faches Volkskunde auf die Elemente des Kanons bestehen. Weiter soll danach gefragt werden, ob und wenn ja welche Themen durch das Medium Fotografie ins volkskundliche Repertoire aufgenommen worden sind. Umgekehrt wäre es aber ebenso denkbar, daß Themen mangels fotografischer Aufnahmemöglichkeit mit der Zeit aus dem volkskundlichen Spektrum verschwanden.
Der Untersuchungszeitraum ist die Zeit zwischen 1890 und der Gegenwart. Zu analysieren sind: visualisierte Themen, Motivkonstellationen für das Sammeln von Fotografien, Anwendungspraxis in den Forschungsfeldern, Einbindung und Stellenwert des Mediums in volkskundlichen Veröffentlichungen. Gefragt wird, wie die Verknüpfung von Fach und Medium im nationalen und internationalen Vergleich funktionierte und funktioniert. Resultierten daraus verstärkt Möglichkeiten der Identifikation mit Vergangenheit? In wieweit wirkten fotografische Bilder mit bei der idyllischen Verklärung bäuerlicher Lebensverhältnisse? Wie werden mit auf kulturelle Sachgüter und "Topoi" ausgerichtete Fotografien Regionen konstruiert?
Als forschungsleitende Basis hinsichtlich einer möglichen Ikonographie der Volkskunde wird methodisch auf Warburgs Ikonologie Bezug genommen. Dementsprechend widmet sich die Studie neben den in den nationalen volkskundlichen Museen Berlin, Wien und Basel archivierten Original-Fotografien auch der reproduzierten Fotografie. Hierzu werden vor allem die jeweiligen volkskundlichen Zeitschriften herangezogen, die ebenfalls auf die Gründungsphasen der betreffenden Museen zurückgehen. Weiter sollen die illustrierten Publikationen der sogenannten Autoren-Lichtbildner untersucht werden.
Das Forschungsvorhaben will nicht die Geschichte der volkskundlich orientierten Fotografie schreiben; auch sollen keine sammlungsgeschichtlichen Fragen einzelner Museen geklärt werden. Vielmehr gilt es, die Rezeption der Fotografie vor der Folie der Geschichte des Faches im Rahmen einer Ikonographie der Volkskunde zu erörtern: Welche Motivkonstellationen waren und sind für das Sammeln von Fotografien verantwortlich? Welche Themen werden mit der Kamera visualisiert? Wie wird Fotografie im Forschungsfeld angewandt? Welche Funktionen wird der Fotografie in volkskundlichen Veröffentlichungen zugeschrieben? Wie überliefert Fotografie volkskundliche Objektivationen?