Institut für die Kulturen des Alten Orients

Bey 020

Zwischen Zerstörung und Wiederaufbau:
Rettungsgrabungen im Stadtzentrum von Beirut

Zerstörung als Chance

Endlich kann in Beirut umfangreich gegraben werden: der Bürgerkrieg hat die traurigen Voraussetzungen geschaffen. Unter den Grabungsteams aus vielen Ländern ist unseres das erste aus Deutschland. Hélène Sader, ehemals Doktorandin in Tübingen, heute Professorin an der American University in Beirut (AUB) hat eingeladen. Die Arbeitsbedingungen sind ungewohnt für Vorderasiatische Archäologen. Üblicherweise arbeiten sie in dünn besiedelten ländlichen Gebieten, hier stehen sie mitten im Lärm und Dreck einer Großbaustelle.

Wahl der Grabungsstelle

Die Wahl war bestimmt durch die Ergebnisse der beiden unmittelbar benachbarten Grabungen von Leila Badre (AUB Museum) und Naji Karam (Libanesische Universität Beirut). Es bestand die Hoffnung, daß man gemeinsam die Grenzen der befestigten Stadt fassen könnte. Diese Hoffnung hat sich erfüllt.

Die bronzezeitliche Stadtmauer

Die ältesten Spuren von Stadtbefestigung datieren in die Bronzezeit. Sie bestehen aus Resten von Mauern, deren jüngere die mittelbronzezeitliche verstärkt.

Das Glacis der Eisenzeit

Das eindrucksvollste Bauwerk ist bei einer erhaltenen Höhe von bis zu 9 Metern das Glacis, Teil der eisenzeitlichen Stadtbefestigung. Der starke Eindruck ist zur Zeit leider kaum zu erlangen, da das Glacis neben und unterhalb der vielbefahrenen Rue Cadmus liegt. Eine andere Ausgangslösung ist angestrebt, aus Kostengründen aber noch nicht verwirklicht. Das Glacis in seiner jetzt zutage liegenden Gestalt wurde um die Wende vom 2. zum 1. Jahrtausend aufgeschüttet, schützte also das phönizische Beirut. Es war von einer Stadtmauer gekrönt, die aber nicht mehr erhalten ist.

Das Südtor

Für diese früheisenzeitliche Nutzungsphase wurde ein Tor festgestellt, zu dem ein Treppenaufweg über das Glacis hinaufführte. In einem älteren Zustand war der Aufweg durch eine Torkammer geschützt.

Die Stützmauern der Perserzeit

Im 5. und 4. Jahrhundert v. Chr. wurden dem Glacis, das mittlerweile durch Ablagerung von Siedlungsmaterial nivelliert worden war, Stützmauern vorgesetzt. Somit konnte es wieder als Verteidigungsanlage dienen.

Ablagerungen auf dem Glacis. Die Müllhalde der mittleren und jüngeren Eisenzeit

Mehr als 50.000 Scherben, großenteils zuverlässig nach Schichten getrennt, liefern einen Querschnitt an Gebrauchs- und Luxuskeramik, der von großer Aussagekraft für die gesamte Levante ist.

Der Hundefriedhof

Eine Ablagerung der besonderen Art stellen 15 Hundeskelette dar. Sie waren westlich des Südtores in flachen, regelmäßig verteilten Gruben bestattet. Sie datieren um 500 v. Chr. oder wenig später.

Gesamtplan

Im Auftrag der libanesischen Antikenverwaltung haben wir einen Plan zusammengetragen, der mit den Ergebnissen der verschiedenen Grabungsteams erstmals einen begründeten Eindruck von der Ausdehnung Beiruts ab der Bronzezeit vermittelt.
Trotz der rücksichtslosen Bautätigkeit der 1950er Jahre, als ungeachtet der auch damals schon bestehenden strengen Antikengesetze der Neubau des Kaufhauses "Byblos" stockwerketief in den alten Siedlungshügel eindringen konnte, haben die Rettungsgrabungen unsere Kenntnisse vom alten Beirut wesentlich erweitert und Vergleichsdaten geliefert, die für die ganze Levanteküste von Bedeutung sind.

Durchführungszeit

1995 bis 98, fünf zwei- bis vierwöchige Grabungskampagnen.

Grabungsleitung

Eberhard-Karls-Universität Tübingen (Uwe Finkbeiner) auf Einladung und in Zusammenarbeit mit der American University Beirut (Hélène Sader); Mitarbeiter aus Tübingen und Beirut, aus Amsterdam, Berlin, Stuttgart und Wien.

Finanzierung durch

Firma Solidere, Beirut (Lebanese Company for the Reconstruction of Beirut Central District)
Das Auswärtige Amt der BRD
Breuninger Stiftung, Stuttgart
Gerda Henkel Stiftung, Düsseldorf

Veröffentlichungen

  • Finkbeiner, U. – Sader, H. (1997) BEY 020: Preliminary Report on the Excavations 1995, Bulletin d'archéologie et d'architecture libanaises 2, 114-166;
  • Finkbeiner, U. (1998) Beyrouth: la cité phénicienne révélée. Decouvertes récentes, in: V. Matoïan (ed.) Liban - l'autre rive. Catalogue de l'exposition organisée à Paris par l'Institut du monde arabe du 27 octobre 1998 au 2 mai 1999, 112;
  • Finkbeiner, U. (1998/99) Zwischen Zerstörung und Wiederaufbau, Nürnberger Blätter zur Archäologie 15, 153-162;
  • Finkbeiner, U. (2001-2002) The Iron Age fortification and city gate: new evidence, ARAM 13 & 14, 27-36.
  • Die Endpublikation ist in Vorbereitung

Kontakt

Dr. Uwe Finkbeiner
Institut für die Kulturen des Alten Orients
Institute for Ancient Near Eastern Studies (IANES)
Abteilung für Vorderasiatische Archäologie
Burgsteige 11, Schloß Hohentübingen
72070 Tübingen