Japanese Studies

AJR-Symposium 2018: Neue religiöse Entwicklungen

 

-- Abstracts --

 

Lisette Gebhardt: "Shintō-PR im 21. Jahrhundert: Japanische Remystifikation und ideologisierte Forschung im interkulturellen Raum"

Im Beitrag „Shintō-PR im 21. Jahrhundert“ galt die Aufmerksamkeit Faktoren, die im Rahmen einer von verschiedenen Akteuren proklamierten „neuen Wissens­gesellschaft“ dazu dienen, die bisher den wissenschaftlichen Diskurs tragende wissenschaftliche Analyse des Religiösen in der japanischen Kultur mit alternativen – der Zielrichtung des meist ideologisch intendierten Konzepts des „neuen Wissens“ entsprechenden – Parametern zu unterlegen. Das „neue Wissen“ meint dabei ideologisch-strategische Redeweisen innerhalb der wissenschaftlichen Gemeinden, die sich in der sogenannten postfaktischen Zeit – entgegen dem alten aufklärerisch-rationalen Ideal von wissenschaftlicher Objektivität und analytischem Denken – etablieren konnten, bedingt nicht zuletzt wohl durch Initiativen von Think Tanks, Lobbyisten und PR Agenturen.

Im Bereich der Shintō-Exegese bedeuten die nicht mehr so festen Konturen einer der Aufklärung verpflichteten Wissenschaft die Möglichkeit, in der internationalen Forschergemeinde alternative semi-wissenschaftliche Narrative einzuführen, deren Akzeptanz direkt oder indirekt eingefordert wird. Das Narrativ eines modernen Shintō beinhaltet z.B. die Ansicht, dass die „japa­nische Urreligion“ Grundlage für ein zukunftsweisendes Umweltdenken bilden könne. Im Gegenzug zur globalen Proliferation des Shintō öffnet sich die Lehre für ausländische, westliche Shintō-Priester, der lange dominierende Grundsatz des Ethnisch-Exklusiven wird scheinbar aufgegeben. Der Beitrag stellte verschiedene Akteure eines „Neoshintō“ nach dem Jahr 2000 vor, fragte nach Ansätzen und Arbeitsbegriffen der aktuellen Shintō-Exegese zwischen Kultur­anthropologie und Religionswissenschaft sowie nach der Positionierung des Themas Religion, Identität und Indigenität/ japanische Remystifikation in der japanbezogenen internationalen Forschungslandschaft.

Peter Schlumberger: "Das Verhältnis der Abe-Kabinette zur jinjakai, der ‚Welt der Schreine'"

Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs bildeten sich in den konservativen Lagern Japans eine Reihe von Shintō-verwandten, neo-nationalistischen Bewe­gungen mit dem Ziel der Wiederherstellung der vorkriegszeitlichen Strukturen und Werte der kokutai-Doktrin, die einige, teils äußerst einflussreiche, Organisationen hervorbrachten. Darunter 1946 die Association of Shintō Shrines (神社本庁 Jinja Honchō), eine religiöse Körperschaft und Dachverband von ca. 80.000 Schreinen (d.h., etwa 75% aller Schreine in Japan). Diese steht u.a. in einer besonders engen Beziehung zur 1969 gegründeten und offiziell mit ihr affiliierten Shinto Association of Spiritual Leadership (神道政治連盟 Shintō Seiji Renmei) sowie der 1997 gegründeten Japan Conference (日本会議 Nippon Kaigi), die beide mächtige politische Lobbygruppen mit nationalistischer Aus­richtung sind und deren Weltanschauung und Programmpunkte sich im Kern mit denen der Jinja Honchō decken. Die institutionellen und personellen Verknüpfungen dieser Organisationen beschreiben den Begriff „jinjakai“ („Welt der Schreine“/„Schreinwelt“).

Die Absicht hinter der Errichtung der Jinja Honchō war die funktionelle Auf­rechterhaltung des Schrein-Shintō als ein auf das Kaiserhaus ausgerichtetes und ihm dienendes Netzwerk an Schreinen und Shintō-Priestern. Mit dem Ise-jingū als Allerheiligstem im Mittelpunkt sollte so, dem Sinn nach, eine Fortführung des Staats-Shintō erfolgen, zumindest soweit man sich dem Ideal innerhalb des verfassungsrechtlichen Rahmens annähern konnte. Inzwischen gibt die Jinja Honchō durch ihr nahezu allumfassendes Schrein-System den Status quo des Shintō vor. Die als reaktionär zu beschreibenden Bemühungen des rechts­konservativen Teils der Jinja Honchō, das, was während der Besatzung Japans durch die USA zerstört wurde, „wiederzubeleben“, begannen bereits Anfang der 1950er Jahre. Nach Meinung der Jinja Honchō, sollte den bösartigen Einflüssen der Nachkriegsdemokratie und der westlichen Werte entgegen­gewirkt werden, da diese für den Verlust ethischer Prinzipien, der Liebe zur lokalen Gemeinschaft, des Nationalbewusstseins sowie des Geists der Hingabe verantwortlich seien.

Daher förderte die Jinja Honchō u.a. die Entwicklung einer Reihe von Organisation und Gruppierungen, die teilweise heute noch aktiv und direkt mit ihr verbunden sind. Diese Gruppen arbeiten eng mit der Liberaldemo­kratischen Partei (LDP) zusammen, um so eine Plattform im Parlament zu bekommen, mit der sie für die politische Umsetzung ihre Vorhaben werben können. Etliche politische Hürden auf dem Weg zur „Zurückerlangung Japans“, wie es Abe Shinzō formuliert, wurden dabei bisher von den LDP-Regierungen in Zusammenarbeit mit der Jinja Honchō und deren Partner­organisationen überwunden. Wie weit sich die LDP unter Abe dem Anliegen der Schreinwelt inzwischen angenähert hat, wird vor allem anhand eines Verfassungsvorschlags deutlich, den die Partei zu ihrem 50-jährigem Jubiläum der Öffentlichkeit vorlegte. 2012 (in Abes zweiter Amtszeit) wurde eine überarbeitete Version davon veröffentlicht, die u.a. Anpassungen der Artikel 1, 20 und 89 vorsieht. In Folge derer wäre es der Regierung einmal mehr möglich, Shintō als einen nicht-religiösen, semi-verpflichtenden Staatskult mit dem Kaiser als sakralem Staatsoberhaupt zu interpretieren.

Die starke Verstrickung der Jinja Honchō mit dem Kaiserhaus und der damit verbundenen Mythenwelt einerseits sowie mit der gegenwärtigen Politik Abes andererseits ist offenkundig: Ihr Präsident Tanaka Tsunekiyo 田中恆清 ist Oberpriester des Iwashimizu Hachiman-gū und Vizepräsident der Nippon Kaigi. Präsidentin ehrenhalber und Schwester des momentanen Kaisers Akihito, Ikeda Atsuko 池田厚子, war bis 2017 Hohepriesterin des Ise-jingū. Ge­schäftsführer Kitashirakawa Michihisa 北白川道久, ein ehemaliges Mitglied des Kaiserhauses, war von 2001 bis 2007 Oberpriester des Ise-jingū und gehört dem Verwaltungsrat der Nippon Kaigi an. Diese bildet eine wichtige Schnittstelle für die Formierung von Interessengruppen und sozialen Netzwerken, die ganz unberührt von der in der Verfassung aufgeführten Trennungsbestimmung von Staat und Religion existieren kann. Namhafte Mitglieder aus der Welt der Politik sind der jetzige Premierminister Abe, dessen langjähriger Verbündeter Asō Tarō (麻生太郎, 2005–2007 Außenminister, 2012– Vizepremierminister und Finanzminister), Suga Yoshihide (菅義偉, 2006–2007 Innenminister, 2012– Chefkabinettssekretär) sowie neun der zwanzig Kabinettsminister. Darüber hinaus sind insgesamt ca. 40 % aller Parlamentarier und etwa 70 % aller LDP-Abgeordneten Mitglied der Nippon Kaigi.

Markus Rüsch: "Amida-veräußern: Neue Verständnisse der Intonation von Amidas Namen aus der Tendai-shū und deren ästhetische Folgen"

Ausgehend von der Frage nach neuen Entwicklungen in den Religionen Japans im diesjährigen Symposium, möchte ich in meinem Vortrag die Frage stellen, welche Änderungen sich innerhalb der Intonation Amidas 阿彌陀 beziehungs­weise seines Namens beobachten lassen. Dies soll eine Grundlage dafür bilden, auch unterschiedliche Verständnisse der Rolle von Amida selbst zu reflektieren. Allerdings wird innerhalb des Vortrags nicht versucht, durch das Verfolgen von Veränderungen historisch Genealogien zu konstruieren. Ich möchte stattdessen die gegenwärtigen Formen des Amida-Buddhismus in Japan zum Objekt der Analyse machen, um die verschiedenen Resultate von Veränderungen zu unter­suchen und nicht die Frage nach einer oder mehreren Urform/en zu stellen. Innerhalb des Vortrags konzentriere ich mich auf drei Schulen, die Amida als absolut zentralen Bezugspunkt ihrer Praxis setzen: Yūzū Nenbutsu-shū 融通念佛宗, Jōdo Shinshū 淨土眞宗 und Tendai Shinsei-shū 天台眞盛宗. Die Leitfrage lautet: Welches Amida-Verständnis haben diese Schulen und wie versuchen sie, die Differenz zwischen dem Praktizierenden und Amida aufzuheben?

Innerhalb meines Vortrags gehe ich in drei Schritten vor, auf deren Grundlage ein Unterschied genauer und einer als Ausblick thematisiert werden sollen:
1. Darstellung eines Ausgangspunktes der Veränderung
2. Vergleich der drei Schulen auf einer Makroebene
3. Nähere Analyse der Tendai Shinsei-shū

(1) Inhaltlich können in Bezug auf die Amida-Praxis zwei zentrale chinesische Orientierungspunkte identifiziert werden, durch die wir leichter den Begriff der „Veränderung“ diskutieren können. Diese sind die Praxis der „geistigen Sammlung durch ständiges Gehen (jōgyō zanmai 常行三昧)“ sowie jene des „Nenbutsu der fünf Abschnitte (goe nenbutsu 五會念佛)“. Die erste diente als Anleitung für einen einzelnen Praktizierenden, durch eine zunächst 90 Tage dauernde Praxis den Buddha Amida in sich selbst zu finden. Im zweiten Fall handelte es sich um eine Anleitung zu verschiedenen Intonationsformen der Amida-Anrufung. Die verschiedenen Stufen der Intonation standen dabei parallel zu den Zuständen des Herzens des Übenden, der durch diese Praxis in immer höhere Ebenen voranschreiten kann.

(2) Innerhalb des größeren Vergleichs der drei Schulen stehen die Verehrungsobjekte im Altar sowie die Andachtsbücher für Laien im Fokus. Insbesondere im Fall der Jōdo Shinshū kann gesehen werden, dass die Andacht unmittelbar den Altar widerspiegelt, da die intonierten Texte auf die im Altar abgebildeten Autoren (Shinran 親鸞, Rennyo 蓮如) beziehungsweise Amida schrittweise zurückzuführen sind. Auch die anderen Andachtsstrukturen weisen bereits äußerlich durch ihren Aufbau auf die verschiedenen Funktionen, die die Amida-Anrufung übernimmt.

(3) Ein solcher Unterschied wird durch eine rhetorische Analyse der Andacht der Tendai Shinsei-shū herausgearbeitet. Hierbei sind verschiedene Aspekte der Andacht entscheidend. Zwei wichtige Punkte sind die zeitlichen Bezugs­punkte der Andacht, die von der Vergangenheit (bspw. das Reuebekenntnis) über die Gegenwart (Anhäufen von Tugenden) in die Zukunft (Vorsätze) führen. Ein anderer Aspekt besteht darin, dass die gesamte Andacht allein von Amida gerahmt wird, wohingegen in ihrem Zentrum eine Reihe verschiedener Buddha oder Bodhisattva angesprochen wird.

Es können bereits nach dieser kurzen Analyse einige deutliche Unterschiede zwischen den drei Schulen identifiziert werden. Ein Beispiel ist der Zeitpunkt, zu dem der Übende seine Zuflucht zu Amida nimmt. Eine sehr späte erste Zufluchtnahme konnten wir in der Tendai Shinsei-shū beobachten, wohingegen die Andacht der Jōdo Shinshū mit ihr sogar beginnt. Innerhalb des Vortrags sollen auch Überlegungen zur Diskussion gestellt werden, die sich mit der ästhetischen Übertragung der Texte in einen Gesang beschäftigen. Hier möchte ich zur Debatte stellen, wie die identifizierten doktrinären Unterschiede möglicherweise Einfluss auf die Intonationsformen genommen haben.

Mittels dieses, hier allein skizzierten Zugangs zum Amida-Buddhismus wird der Versuch unternommen, auf philologischer Grundlage ein neues Verständ­nis der gelebten Praxis zu entwickeln. Dieses Verfahren ermöglicht es, gängige Vorstellungen oder Selbstverständnisse der Schulen mit neuen Bedeutungs­tiefen zu versehen und mithin einzelne Aspekte zu relativieren. Ziel des Vortrags ist es zunächst, beispielhaft den kollektiven Charakter der Yūzū Nenbutsu-shū, die absolute Auslagerung der Praxis bei der Jōdo Shinshū und den Exerzitien betonenden Aspekt der Tendai Shinsei-shū in den Andachten zu identifizieren und zu konkretisieren.

Maria Schorn: "Das Hannya Shingyō - oder das Sutra vom ‚Geist' (jap. shin) als der einen Wirklichkeit jenseits von Worten und Konzepten"

Das Hannya Shingyō 般若心経 gehört zu den faszinierendsten Texten des gesamten buddhistischen Kanons. Dies gilt für verschiedene Ebenen wie die rezeptionelle, inhaltliche, historische, literarische und sprachliche. Das Sutra ist in Japan das am häufigsten rezitierte Sutra überhaupt, verschiedene Autoritäten innerhalb des japanischen Buddhismus wie etwa Kūkai 空海, Ikkyū 一休 oder Dōgen 道元 haben Kommentare zum Text verfasst und selbst Yukawa Hideki 湯川秀樹, ein japanischer Physiker und Nobelpreisträger, berief sich für seine Mesonen-Theorie auf die Kernaussage des Hannya Shingyō „Form ist Leere, Leere ist Form“. Diese Tatsache kann man so deuten, dass im Sutra tatsächlich von einer universellen Wahrheit die Rede ist, derer sich nicht nur Buddhisten für ihre Lehre, sondern sogar Physiker für ihre Hypothesen bedienen können.

Im Deutschen ist das Sutra als „Herzsutra“ bekannt. Der sino-japanische Begriff shin 心 ist einer der wichtigsten Begriffe im chinesischen und japanischen Buddhismus und wird in der Bezeichnung shingyō (dt. „Herzsutra“) in seiner Bedeutung „Essenz/Kern“ verstanden. Dieser Begriff shin (dt. Herz) soll ausdrücken, dass das Sutra eine Zusammenfassung der Prajñāpāramita-Lehre darstellt. Prajñāpāramita bedeutet „Perfekte/transzendente Weisheit“, welche der Praktizierende laut den Prajñāpāramita-Sutren als einzige Wirklichkeit zu erkennen hat. Es spricht jedoch einiges dafür, dass der Begriff ‚shin‘ besser mit „Geist“ übersetzt werden sollte und die deutsche Übersetzung „Herzsutra“ irreführend ist, da der Text die Qualitäten dieses Geistes beschreibt. Laut dem Sutra ist dieser Geist ungeboren, unzerstörbar, weder existiert er, noch existiert er nicht, da er alle Begriffe überschreitet, mit dem sich ihm der menschliche Verstand zu nähern versucht. (Auch der Begriff Prajñāpāramita versucht genau diesen Geist (shin) in Worten zu beschreiben.) Die zentrale Aussage des Sutras „Form ist identisch mit Leere und Leere ist identisch mit Form“ bezieht sich wie der restliche Text auf eben diesen Geist. Dieser Geist wird auch als der Eine Geist 一心, der Nicht-Geist 無心, der Große Geist 大心 oder die Buddha-Natur 仏性 bezeichnet. Die ganze Welt der Phänomene besteht laut dem Sutra aus nichts anderem als diesem Geist. Weil der Geist nicht nur Ursprung und Quelle des Universums, sondern die Verwirklichung eben dieses Geistes auch oft das Ziel buddhistischer religiöser Praxis ist (wie z.B. im Zen-Buddhismus), wird das Sutra in den Zen-Klöstern Japans und in den westlichen Zen-Zentren nach der Zazen-Praxis rezitiert, in der Hoffnung, dass dies dem Praktizierendem dabei helfen möge, den Geist selbst zu erkennen.

 

Esther Ho: "Theology in Anime: Finding God in Fandom"

What could theology have to do with Anime, and how could God be found in fandom? This research explores the possibility that Anime presents specific theological views in two distinct ways – from the narrative and from the Anime as a medium itself. Narratively, semiotics is essential to discover the many symbols in the Anime narrative. From the medium, production techniques such as montage and camera angles provide a unique perspective that either augments the narrative or provides its own unique view. In addition, the audience is not passive, and has the final say in deciding what the Anime means to each individual audience. Moving beyond authorial intentions and onto audience agency, this research argues that the audience’s own experiences shape the ways in which they receive and interpret the semiotics found in the Anime narrative and messages from the Anime as a medium, and this is proved by an analysis of fan reactions to the Anime analysed. This research uses the works of Ferdinand de Saussure, Roland Barthes, Charles Peirce, Crystal Downing’s adaptation of Marshall McLuhan’s and Christian Metz’s theories, and Antony Pattathu as the core methodological framework for the analysis of online discussion forums about Anime. The data for the analysis consisted of the prologue scene of episode two of the Anime, three English-language YouTube videos and approximately 16 YouTube comment threads.

The Anime used as a case study in this research is Yōjo Senki (幼女戦記, The Saga of Tanya the Evil), which provides a very contemporary example of Anime’s unique creativity in picking and mixing religious aesthetics, linguistics and values from both Western and Japanese religions, creating a series that is highly theologically relevant yet entertaining. This research contends that Anime audiences have strong potential to live out Jolyon Baraka Thomas’s concept of “shūkyō asobi”, which states that spaces meant for entertainment can have a transcendental and transformative impact on audiences which in turn influences how audiences engage with religion later. This further emphasises the agency of the audiences to create meaning and to creatively pursue normative answers to questions of existence, truth, meaning, evil, suffering, redemption and beauty – to practice theology, as defined by Gordon Lynch. This research ultimately places the locus of meaning production onto three locations – the Anime narrative, Anime as a medium, and in the embodied experiences of Anime audiences, arguing strongly that Anime fans are active agents in the production of meaning from Anime as well as everyday theologians through their participation in fandom.

Christian Göhlert: "Die spirituelle Weltanschauung Niikura Iwaos in seiner Kultsendung ‚Anata no shiranai sekai'"

Die Sendung Anata no shiranai sekai (あなたの知らない世界), die von den späten 70er Jahren bis in die frühen 90er Jahre im Mittags-, bzw. Nachmittags­programm von Nihon Terebi ausgestrahlt wurde, drehte sich um von Zuschauern eingesandte übernatürliche Begebenheiten, die mit Schauspielern nachgestellt und danach in einer Diskussionsrunde mit Studiogästen bespro­chen wurden. Moderiert und maßgeblich gestaltet wurde sie von Niikura Iwao (新倉イワオ, 1924–2012), der durch seine Arbeit vor der Kamera und als Buch­autor zur Kultfigur avancierte.

Die in den Spielszenen dargestellten Geschichten ziehen ihre Motive vor allem aus zwei Quellen: Zum einen wird in der Handlung immer wieder auf tradierte Vorstellungen, Glaubensformen und Rituale angespielt. Wo diese nicht als bekannt vorausgesetzt werden können, werden sie in der Diskussionsrunde erklärt, wobei aber keine Bezüge zu konkreten religiösen Traditionen oder Lehren hergestellt werden. Zum anderen finden sich immer wieder Topoi aus zeitgenössischen Quellen, aus Populärkultur und modernen Sagen. Auch in der bildlichen Darstellung von Geistern sind diese beiden Einflüsse präsent. Je nach Folge werden sie neu und mit unterschiedlicher Schwerpunktsetzung kombi­niert.

In der Diskussion der Studiogäste offenbart sich die Rolle Niikuras. Bei seinen Gästen handelt es sich nicht wie zunächst angenommen um Experten für das Übersinnliche, sondern um Prominente, wie sie auch in anderen japanischen Unterhaltungssendungen anzutreffen sind. Sie dienen primär als Stichwort­geber für Niikura, dessen Deutung der dargestellten Ereignisse klar im Mittel­punkt steht. Weder seine Interpretationen noch die Authentizität der Erzäh­lungen selbst werden dabei hinterfragt.

Insgesamt spiegeln sich in Niikuras Aussagen die Ansichten der Nihon Shinrei Kagaku Kyōkai 日本心霊科学協会 wieder, deren Vorstandsmitglied er lange war. Er legt großen Wert auf die Feststellung, die dargestellten Geister und über­sinnlichen Ereignisse seien nicht intrinsisch bösartig oder gefährlich, sondern schlimmstenfalls ambivalent. Sie seien von menschlichen Regungen getrieben und könnten dementsprechend beeinflusst und besänftigt werden. Wie diese Beeinflussung konkret aussehen kann, wird in den einzelnen Folgen gezeigt.

Isabelle Prochaska: "Nipponzan Myōhōji im Ausland - die Friedenspagode in Wien"

Der buddhistische Orden Nipponzan Myōhōji 日本山妙法寺 wurde 1917 von Nichidatsu Fujii (日達藤井, 1885-1985) gegründet. Derzeit umfasst der Nichiren 日蓮-affiliierte Orden etwa 1500 Mönche, Nonnen und Laienmitglieder. Hauptaktivitäten von Nipponzan Myōhōji sind die Gebetspraxis (odaimoku お題目, das Rezitieren von “Namu myōhō renge kyō” 南無妙法蓮華経 mit Handtrommeln), Friedensmärsche (beispielsweise im Gedenken an das Ende des Zweiten Weltkrieges oder im Protest gegen die Verbreitung von Nuklearwaffen) und die Errichtung von Friedenspagoden. Weltweit gibt es etwa 80 Friedenspagoden. Eine der ersten in Europa wurde 1983 in Wien errichtet, im selben Jahr, in dem der Buddhismus in Österreich als offizielle Religion anerkannt wurde. Die Errichtung der Friedenspagode in Wien ist eng verflochten mit internationalen Friedensbewegungen und der Akzeptanz von religiöser Diversität in Österreich in den frühen 1980er Jahren. Auch heute repräsentiert die Pagode an der Donau eine wichtige buddhistische Institution in Österreich – bei Zeremonien, wie beispielsweise im Gedenken an die Atombombenabwürfe auf Hiroshima und Nagasaki oder dem Vesakh-Fest der Wiener Gruppe der Österreichischen Buddhisten, dient die Pagode als Verbindung zwischen verschiedenen buddhistischen und friedensbezogenen Gruppen.

 

Ursula Flache: "Die Durchführung von shinbutsu bunri auf der Insel Miyajima - eine Fallstudie"

In meiner Doktorarbeit, welche auf dem Server der UB Tübingen im open access verfügbar ist, habe ich mich mit der in der Präfektur Hiroshima gelegenen Insel Miyajima 宮島 auseinandergesetzt. Thema der Arbeit war es, die konkreten Folgen der Durchführung von shinbutsu bunri 神仏分離 für die religiöse Landschaft auf Miyajima zu analysieren, wobei der Fokus auf den Veränderungen an den Gebäuden lag. Mit shinbutsu bunri ist die Trennung von Shintō und Buddhismus im Jahr 1868 aufgrund von Erlassen der Meiji-Regierung gemeint. Die Ziele der Arbeit umfassten die Rekonstruktion des Zustands vor der Trennung, die Erstellung einer Fallstudie zur Durch­führungspraxis sowie die Vorstellung der Insel bzw. des Itsukushima Jinja 厳島神社 in westlicher Sprache.

Als Quellen dienten für den Zustand in der Edo-Zeit die Topographie Geihan tsūshi (芸藩通志, 1825) und das Itsukushima zue (厳島図絵, 1842), einer von etlichen Bildbänden zu berühmten Orten (名所図絵 meisho zue). Demgegenüber wurden für die Meiji-Zeit 37 Reiseführer recherchiert, von denen 21 eigenständige Werke darstellten. In den Quellen wurden 242 Gebäude/Orte ermittelt, die potentiell für shinbutsu bunri von Interesse waren. Als Methode wurde aufgrund der hermeneutisch-ikonographischen Auswertung ein ‚vorher/nachher‘-Vergleich der religiösen Landschaft auf der Insel vorge­nommen. Im Hinblick auf den Forschungsstand muss die zentrale Material­sammlung Shinpen Meiji ishin shinbutsu bunri shiryō (新編明治維新神仏分離史料, 1983-84; Erstausgabe 1926-29) erwähnt werden, welche 30 Seiten zum Itsukushima Jinja (1927) enthält.

Am Ende der Edo-Zeit bildete der Itsukushima Jinja mit den beiden Tempeln Daiganji 大願寺 und Daishōin 大聖院 sowie zahlreichen Zweigtempeln und -schreinen einen sehr großen Schrein-Tempel-Komplex. Der Komplex wurde von rund 150 Personen – Shintōpriestern, Schreinmönchen etc. – gemeinsam betreut. Für jedes Gebäude wurden jeweils für die Edo- und die Meiji-Zeit Entstehung, Lage, Benennung, Verwendung bei Festen oder Zeremonien etc. untersucht.

Als Ergebnis der Fallstudie ist festzustellen, dass der Komplex organisatorisch getrennt wurde. Itsukushima Jinja, Daiganji und Daishōin bestanden jedoch weiter. Die Anzahl ihrer untergeordneten Einheiten verringerte sich drastisch. Das zuständige Kultpersonal wurde ebenfalls stark reduziert. Die Namen von verehrten Gottheiten/Gebäuden wurden von synkretistisch geprägten Versi­onen zu rein shintōistischen geändert. Der ‚vorher/nachher‘-Vergleich der 242 Gebäude/Orte ergab: 90 Gebäude/Orte waren weiterhin nachweisbar, 59 waren nicht mehr vorhanden, davon 50 definitiv aufgrund von shinbutsu bunri. Im Fall von 82 Gebäuden/Orten ist unklar, ob sie noch vorhanden waren oder nicht. Zehn Gebäude/Orte sind als Sonderfälle zu betrachten. 12 Gebäude/Orte kamen in der Meiji-Zeit neu dazu, wobei der Neubau nicht immer aufgrund von shinbutsu bunri erfolgte. Als eine Typologie der Veränderungen wurden neun Kategorien erstellt: 1. Shintōisierung, 2. Gebäude existiert nicht mehr in dieser Funktion, 3. Zusammenlegung, 4. Örtliche Verlegung, 5. Entfernung/ Zerstörung von Gegenständen im Inneren, 6. Neubau, 7. Schicksal unklar, 8. Keine Veränderung feststellbar, 9. Veränderung ohne Bezug zu shinbutsu bunri. Darüber hinaus hat die Analyse ergeben, dass die Angaben im Shinpen Meiji ishin shinbutsu bunri shiryō weder vollständig noch völlig korrekt sind. Als Fazit ist festzustellen, dass die Durchführung von shinbutsu bunri auf Miyajima zwar gründlich, aber nicht in Form einer Zerstörung und Verfolgung des Buddhis­mus (廃仏毀釈 haibutsu kishaku) erfolgte.

Die Doktorarbeit ist zugänglich im open access unter dem Link: http://hdl.handle.net/10900/84639.
Das Forschungsergebnis und die Zuordnung der Gebäude/Orte zu den neun Kategorien sind zusätzlich visualisiert in einer elektronischen Landkarte (WebGIS-Anwendung entwickelt vom eScience-Center der Universität Tübingen), welche dauerhaft zugänglich ist unter: https://escience-center.uni-tuebingen.de/escience/miyajima/.