Baden-Württemberg Center for Brazil and Latin America

15.07.2024

„200 Jahre deutsche Einwanderung in Brasilien“ Sondersitzung im brasilianischen Parlament

Die guten deutsch-brasilianischen Beziehungen stehen in diesem Jahr unter dem Zeichen des 200-jährigen Jubiläums des Beginns der deutschen Einwanderung nach Brasilien. Vor allem wirtschaftliche Gründe führten ab 1824 zur Auswanderung vieler Deutscher in das Land. Zukünftig wird in Brasilien immer am 25. Juli der Tag begangen, an dem die ersten 39 deutschen Einwanderer die Siedlung São Leopoldo in Rio Grande do Sul gründeten.

Was heute durch gute wirtschaftliche und diplomatische Beziehungen zwischen Brasilien und Deutschland und eine intensive Zusammenarbeit in Forschung und Wissenschaft gekennzeichnet ist, basiert zu einem guten Teil auf dem Wirken deutscher Einwanderer*innen und ihrer Nachfahren in Politik, Wirtschaft und Wissenschaft.
 

Feierlichkeiten und Aktivitäten

Anlässlich des 200. Jahrestages finden 2024/2025 in beiden Ländern verschiedenste Aktivitäten und Veranstaltungen statt. Die meisten brasilianischen Initiativen, aber auch einige deutsche, haben einen Eintrag auf der Website ‚Agenda alemã no Brasil‘ (https://www.agendaalema.org.br/) gefunden. In Deutschland gedenken besonders der Hunsrück-Kreis und Orte der Pfalz und Baden mit Ausstellungen und Veranstaltungen der deutschen Auswanderung.

Das Baden-Württembergische Brasilien- und Lateinamerika-Zentrum der Universität Tübingen hat auf Initiative des brasilianischen Tübingen-Alumnus Prof. Dr. Paulo Soethe, Germanistik-Professor an der Bundesuniversität Paraná, das bi-nationale Projekt „Die Deutschsprachige Presse in Brasilien 1852-1941“ ins Leben gerufen, an dem verschiedenen Tübingen Wissenschaftler*innen, darunter die Professoren Sebastian Thies (Romanistik) und Reinhard Johler (Empirische Kulturwissenschaft) beteiligt sind (https://bit.ly/projekt-dpb). An dem Projekt arbeiten seit April 2023 Wissenschaftler*innen von 16 brasilianische und deutschen Institutionen. Es besteht eine sehr enge Zusammenarbeit sowie personelle Überlappung der beteiligten Wissenschaftler*innen mit dem brasilianischen Projekt „Lemmbra.de“ (https://lemmbraalemao.ufpr.br), das sich vor allem der Digitalisierung und Erschließung der über 250 deutschsprachigen Zeitungen, die in Brasilien erschienen sind, widmet.
 

Würdigung der deutschen Einwanderung durch das brasilianische Parlament

Im Parlament in Brasília fand am 4. Juli eine Sondersitzung zu „200 Jahren deutsche Einwanderung in Brasilien“ unter dem Vorsitz des deutschstämmigen Abgeordneten Flávio Arns (PSB-PR) statt. In seiner Eingangsrede betonte Senator Arns dass sich viele der rund 250.000 Einwanderer und ihrer gut fünf Millionen Nachkommen in Bereichen wie Kunst, Wissenschaft, Politik, Wirtschaft und Sport, hervorgetan hätten.

An der Feierstunde nahmen unter anderem teil: Bettina Cadenbach, deutsche Botschafterin in Brasília; Gisela Spindler, Präsidentin des brasilianischen Deutschlehrerverbandes; Arno Wehling, Historiker und Mitglied der brasilianischen Akademie der Wissenschaften; Prof. Dr. Paulo Soethe, Professor an den Bundesuniversitäten Fluminense und Paraná (UFPR/UFF) und Prof. Dr. Rui Vicente Oppermann, Direktor für internationale Beziehungen in der staatlichen Förderagentur Capes (Coordination for the Improvement of Higher Education Personnel).

Capes und die Universität Tübingen (UT) pflegen seit Jahren eine intensive Zusammenarbeit, bei der brasilianische Partner in großzügiger Weise brasilienbezogene Programme und Aktivitäten an der UT unterstützt.

Prof. Oppermann erläuterte in seiner Rede die langjährige deutsch-brasilianische Partnerschaft in den Bereichen Bildung, Wissenschaft und Forschung: "Deutschland ist eines der wichtigsten Zielländer für Wissenschaftler*innen, um ihre akademische Ausbildung in praktisch allen Bereichen des menschlichen Wissens zu vervollständigen. Darüber hinaus pflegen wir mit Deutschland eine intensive akademische und wissenschaftliche Zusammenarbeit zwischen unseren Professoren und Forschenden“.

Infoblock: Deutsch-Brasilianischen Symposium zur Nachhaltigen Entwicklung.

Das Symposium (https://bit.ly/germanbraziliansymposium2024), das alle zwei Jahre abwechselnd in Deutschland und Brasilien stattfindet - zuletzt in März 2024 in Tübingen - gilt seit über 20 Jahren als die wichtigste interdisziplinäre Plattform für Brasilianer*innen, Deutsche und Interessierte aus aller Welt, um aktuelle Umwelt- und Nachhaltigkeitsthemen zu diskutieren. Auch diese Veranstaltung war Teil des Programms zum 200-jährigen Jubiläum der deutschen Einwanderung nach Brasilien.

Das nächste ‚Deutsch-Brasilianische Symposium‘ wird 2026 an der Bundesuniver-sität Pará UFPa in Belém, Brasilien, ausgerichtet.

Dem Anlass der Sondersitzung im brasilianischen Senats entsprechend ging Oppermann in seiner Rede auch auf die obengenannten Projekt-Konstellation mit starker Tübinger Beteiligung ‚Lemmbra.de‘ und ‚Die Deutschsprachige Presse in Brasilien 1852-1941‘ ein. Er äußerte „seine Bewunderung für dieses Projekt, das es sich zur Aufgabe gemacht hat, die brasilianische deutschsprachige Presse zu sichten, digitalisieren, katalogisieren und wissenschaftlich auszuwerten“.

Zu dem Projekt, das 2024 auf deutscher Seite eine Anschubfinanzierung durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) nutzt, um sich den Inhalten und der Wirkung der Periodika und Almanachen in deutscher Sprache unter kultur-, medien- und wirtschaftshistorischen Aspekten zu nähern, äußerte sich auch Prof. Soethe. Für Brasilien sei die Aufarbeitung und Verfügbarmachung dieser öffentlichen Dokumente in digitaler Form wichtig, auch weil sie die aktive Teilhabe der deutschstämmigen Brasilianer an den öffentlichen brasilianischen und internationalen Diskursen ihrer Zeit offenbarten.

*Sehen Sie sich hier das vollständige Video der feierlichen Sitzung an!

Quelle: Agência Senado, Deutschland.de, Baden-Württembergisches Brasilien- und Lateinamerika-Zentrum

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