26.04.2011
Krisenmanagement unter Extrembedingungen
Der PR-Berater Dietmar Ecker über die Gesetze der Mediengesellschaft und seine Betreuung des Entführungsopfers Natascha Kampusch – Einladung zur Ringvorlesung der Tübinger Medienwissenschaft
Am Tag nach der Befreiung des Entführungsopfers, am 24. August 2006, erreicht Dietmar Ecker, Inhaber einer der größten PR-Agenturen Österreichs, die Bitte, Natascha Kampusch zu betreuen und zu verhindern, dass sie auch zu einem Opfer der Medien wird. Die Geschichte der jungen Frau – sie wurde im Alter von zehn Jahren auf dem Schulweg entführt und mehr als acht Jahre im Keller ihres Entführers gefangen gehalten – wird innerhalb kürzester Zeit weltweit bekannt; 200 Fernsehteams kommen zur Berichterstattung nach Wien; Boulevardreporter versuchen mit Geld oder Drohungen ein Interview zu bekommen. Dietmar Ecker: „Der Fall Kampusch ging über alles hinaus, was ich bislang erlebt hatte. Ihr Schicksal als Entführungsopfer war schrecklich und das internationale Medieninteresse unbeschreiblich. Ich habe Frau Kampusch vor ihrem ersten Interview stundenlang auf die Medien vorbereitet. Das heißt, ich saß einem Menschen gegenüber, der acht Jahre Opfer eines Verbrechers war, und musste diesem Menschen erklären, was die Massenmedien mit ihm tun werden, wenn er auch nur einen Fehler macht. Das ging mir sehr nahe. Ich habe in dieser Zeit hautnah miterlebt, wie weit Journalisten bereit sind zu gehen.“
In seinem Vortrag auf Einladung der Tübinger Medienwissenschaft beschreibt Ecker die Strategien eines solchen Krisenmanagements unter Extrembedingungen und berichtet, wie er daran arbeitete, Natascha Kampusch in einem entfesselten Medienrummel zu schützen und gleichzeitig ökonomisch abzusichern. Ihm erscheint die damalige Krisensituation indes keineswegs als Ausnahmefall und radikaler Normalitätsbruch. Vielmehr würden an diesem Beispiel – so Dietmar Ecker – die Gesetze der Mediengesellschaft (die neuen Geschwindigkeiten, der Wettlauf um den Scoop, das Interesse an Personen und Privatem) wie unter einem Brennglas erkennbar.
Der Vortrag ist öffentlich und findet im Rahmen der medienwissenschaftlichen Ringvorlesung „Der Skandal und die Medien“ statt. Interessierte sind herzlich willkommen.
Der Termin: Donnerstag, 28. April 2011, 18.15 bis 19.45 Uhr, Ort: Kupferbau, HS 22, Hölderlinstraße 5, 72074 Tübingen