Theologische Ethik/Sozialethik

Die andere Seite der sozialen Gerechtigkeit: Eine gerechtere Finanzierung steigender öffentlicher Ausgaben

Ethik und Gesellschaft Nr. 2 2025

Den Verfassungsauftrag aus Artikel 109, die öffentlichen Ausgaben ohne Kredite zu finanzieren, konnte und kann der bundesdeutsche Staat seit Jahrzehnten nicht erfüllen. Auf der einen Seite sind die Ausgaben der öffentlichen Haushalte in den vergangenen Jahrzehnten deutlich gestiegen (und dies nicht nur in Deutschland). Um die Sicherheitslage der Bundesrepublik zu verbessern, um die notwendigen Investitionen auf dem Weg zur Klimaneutralität zu tätigen und um die öffentliche Infrastruktur auf den erforderlichen Stand zu bringen, um schließlich die Kommunen wieder handlungsfähig zu machen, werden die öffentlichen Ausgaben in Zukunft weiter steigen. Auf der anderen Seite konnte der Staat – auch dies seit Jahrzehnten – seinen Bürger:innen und den Unternehmen keine ausreichend hohen Steuern auferlegen. Zwar haben in der Vergangenheit auch die Einnahmen des deutschen Staats zugenommen. Gleichwohl übertrafen die Ausgaben – mit Ausnahme der Jahre 2014 bis 2019 – die Einnahmen. Das Unvermögen, ausreichend hohe Steuern einzuholen, besteht insbesondere gegenüber den Bürger:innen mit hohem Einkommen und großen Vermögen – und nimmt mit der Höhe der eigentlich zu versteuernden Einkommen und Vermögen zu. Offenkundig ist der deutsche Staat nicht in der Lage, die Steuerpflichtigen entsprechend ihrer Leistungsfähigkeit an der Finanzierung der öffentlichen Ausgaben heranzuziehen.

In dem Themenheft von ethikundgesellschaft wird gefragt, ob in Sachen Steuern mehr Gerechtigkeit gefordert und ob – darüber hinaus – eine größere Steuergerechtigkeit auch möglich ist. Gegenüber dem Versprechen, mit ›weniger Staat‹ käme man in Deutschland weiter, wird gefragt, ob steigende öffentliche Ausgaben zur Bewältigung der anstehenden Zukunftsaufgaben und für eine Zukunftsfähigkeit der demokratischen Gesellschaft notwendig sind und daher politisch durchgesetzt werden müssen. Gefragt wird weiterhin, ob die politisch einfachere Lösung, die zunehmende Kreditaufnahme durch den Staat, – angesichts der sich daraus ergebenden ›Umverteilung‹ von unten nach oben – auch die bessere und vor allem gerechtere Lösung für knappe öffentliche Haushalte ist. Vor allem aber wird gefragt, ob und wie der Staat das Leistungsvermögen der Gesellschaft auf dem Weg der Steuern besser mobilisieren und wie er die einkommens- und vermögensstarke Bürger:innen und Unternehmen stärker und wirksamer zur Finanzierung der öffentlichen Ausgaben heranziehen kann.

Die Ausgabe 2/2022 finden Sie hier


Einführung in das päpstliche Mahnschreiben Dilexi te von Papst Leo XIV. (2025)

Mit seinem ersten Lehrschreiben hat sich Papst Leo das Ansinnen seines Vorgängers Franziskus zu eigen gemacht und sich – »unter Hinzufügung einiger Überlegungen« – über die Sorge der Kirche für die Armen und mit den Armen Gedanken gemacht. »Die Sorge für die Armen ist Teil der großen Tradition der Kirche, […] Die Liebe zu den Armen ist ein wesentliches Element der Geschichte Gottes mit uns und sie entströmt dem Herzen der Kirche als ein fortwährender Aufruf an die Herzen der einzelnen Gläubigen wie auch ihrer Gemeinschaften. […] Deshalb ist die Liebe zu den Armen […] die evangeliumsgemäße Garantie für eine Kirche, die dem Herzen Gottes treu ist.« (Nr. 103) Da Dilexi te das erste lehramtliche Rundschreiben von Papst Leo XIV. ist und zu Beginn seines noch jungen Pontifikats erscheint, wird es von vielen als dessen Regierungserklärung gelesen. In einer Vorlesung führt – über zwei Videos hinweg – Prof. Matthias Möhring-Hesse in das Lehrschreiben ein und bietet ein eher kritisches Urteil: Starke Worte und leuchtende Bilder für eine ›Kirche für die Armen‹, aber schwache Ausführung darüber, wie ›Kirche für die Armen‹ geht. Hier geht es zu den Videos auf YouTube.

Teil 1: Das Lehrschreiben 
Am 9. Oktober hat Papst Leo XIV., erst wenige Monate im Amt, sein erstes Lehrschreiben veröffentlicht – die »Apostolische Exhoration Dilexi te […] über die Liebe zu den Armen«. In diesem Rundschreiben ermahnt Papst Leo, dass ›seine‹ Kirche eine Kirche für die Armen ist – und, wenn sie dies nicht ist, dass sie es unbedingt werden soll. In diesem Video wird diese Botschaft und die Argumentation des Lehrschreibens vorgestellt.

Teil 2: Kritische Diskussion
Zentrale Argumentationslinien des Lehrschreibens Dilexi te werden diskutiert: Wer sind die Armen für die Kirche für die Armen? Warum bietet das Schreiben eine geschönte Geschichte einer immer schon Kirche für die Armen? Taugt die Nächstenliebe für die ›Option für die Armen‹? Und: Wie wird die Kirche zu einer Kirche für die Armen?


Aufruf zur gesetzlichen Stärkung von Tarifautonomie und Tarifbindung

Mehr als 120 Wissenschaftler*innen rufen in einem gemeinsamen Appell die Verhandler:innen von Union und SPD auf, die Tarifautonomie zu stärken und dazu im Koalitionsvertrag konkrete gesetzliche Regelungen für mehr Tarifbindung zu vereinbaren. Die Forschenden, überwiegend Professor*innen der Wirtschafts--, der Sozial- und der Rechtswissenschaften, darunter auch Sozialethiker:innen argumentieren, dass eine hohe Tarifbindung Niedriglöhne, Armut und soziale Ungleichheit  reduziere. Das hat nicht nur gesamtwirtschaftlich positive Auswirkungen, sondern stärkt nach Analyse der Unterzeichner*innen auch die Demokratie, weil ungleiche Gesellschaften  von politischer Polarisierung gekennzeichnet sind. 

Pressemitteilung auf der Homepage der Hans-Böckler-Stiftung

PDF-Datei des Aufrufs


Zwei sozialethische Kommentare zur aktuellen Bundestagswahl

Im Rahmen der Gastbeiträge von Mitgliedern der Arbeitsgemeinschaft Christliche Sozialethik »Sozialethische Zwischenrufe zur Bundestagswahl« auf katholisch.de sind zwei Gastbeiträge von Matthias Möhring-Hesse erschienen: 

Möhring-Hesse, Matthias (2025): Ein Richtungswahlkampf mit prekären Aussichten 
(Sozialethische Zwischenrufe zur Bundestagswahl, 24.01.2025)

»Dass wir bereits am 23. Februar zur Bundestagswahl gerufen werden, verdanken wir dem vorzeitigen Ende der Ampelkoalition. Schon viele Monate vor deren Ende hatten viele auf das Scheitern der Koalition spekuliert – und viele, auch aus den beteiligten Parteien, hatten es ersehnt. Entsprechend erleichtert waren viele, als die Koalition Anfang November, dann doch ein wenig überraschend, beendet wurde: Die Zeit des prekären Regierens ist endlich vorbei; der ständige Streit in der Regierung und zwischen den sie tragenden Parteien hat ein Ende, die wechselseitigen Blockaden der Regierungsparteien untereinander auch.« Weiter geht es auf katholisch.de.

Möhring-Hesse, Matthias (2025): Das ›Tor zur Hölle‹ schließen? Zum Zustand der Demokratie im Bundestag 
(Sozialethische Zwischenrufe zur Bundestagswahl, 08.02.2025)

»In der vergangenen Woche brachte der SPD-Fraktionsvorsitzende, Rolf Mützenich, die Hölle ins Spiel: In ihrem Bestreben, im Wahlkampf eine ›Wende der Migrationspolitik‹ (Friedrich Merz) vorzuführen, haben die Unionsparteien – ›sehenden Auges‹ (Angela Merkel) – eine parlamentarische Mehrheit mit der extrem-rechten AfD herbeigeführt und damit das ›Tor zur Hölle‹ aufgestoßen. Ein gewaltiges Bild, zweifelsohne. Rhetorisch übertrieben, womöglich. In der Sache – zutreffend.« Weiter geht es auf katholisch.de.