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Der Maueranschlag zur Verurteilung der Krankenschwester Edith Cavell

Edith Cavell war eine britische Krankenschwester, die seit 1907 in Brüssel eine Krankenpflegeschule leitete. Zu Beginn des 1. Weltkriegs wurde das Lehrkrankenhaus dem Belgischen Roten Kreuz unterstellt, um dort verletzte Soldaten zu versorgen. Edith Cavell blieb auch dann noch in Brüssel, als sich die alliierten Truppen zurückziehen mussten und der größte Teil Belgiens von Deutschland besetzt wurde.

Viele alliierte Soldaten, vor allem Verwundete, wurden beim Rückzug von ihren Einheiten getrennt. Der Bevölkerung war es vom deutschen Militärgouverneur bei Strafe verboten, versprengten Soldaten zu helfen. Edith Cavell behandelte diese Männer, versteckte sie und wurde Teil einer Gruppe, die die Flucht der Soldaten in die neutralen Niederlande organisierte. Über 200 Männern konnte zur Flucht verholfen werden, bis Edith Cavell mit anderen zusammen im August 1915 von den Deutschen verhaftet wurde.

Edith Cavell wurde vor einem Militärgericht wegen „Zuführung von Mannschaften an den Feind“ angeklagt, und am 11. Oktober 1915 zum Tode verurteilt. Obwohl die neutralen Staaten USA und Spanien und sogar der Papst intervenierten, wurden Edith Cavell und der belgische Architekt Philippe Baucq bereits am nächsten Morgen, am 12. Oktober 1915, durch Erschießen hingerichtet. Der Arzt und Dichter Gottfried Benn war bei der Exekution anwesend und stellte ihren Tod fest.

Die Bevölkerung in den besetzten belgischen Gebieten wurde durch diesen Maueranschlag über die Verurteilung der Krankenschwester Edith Cavell informiert.

Während dieser Fall in Deutschland – sofern überhaupt bekannt – eher empathielos betrachtet wurde, in dem Sinne, dass umkommt, wer sich in Gefahr begibt und Edith Cavell eine feindliche Spionin gewesen sei, so emotional aufgeladen wurde die Hinrichtung einer Krankenschwester in der Bevölkerung der Alliierten wahrgenommen: einmal mehr hatten die Deutschen gezeigt, wie grausam und unmenschlich sie gegen Zivilisten vorgingen. Nach dem „Rape of Belgium“ und dem Massaker in Löwen, nach der Versenkung des Passagierschiffes „Lusitania“, war nun eine Krankenschwester ermordet worden, die aus Nächstenliebe und Menschlichkeit gehandelt hatte.

„German Kultur“ wurde zu einem häufig verwendeten Schlagwort der alliierten Propaganda, das zusammenfasste, dass aus dem Volk der Dichter und Denker das Volk der Schlächter und Henker geworden war.

Auch heute ist Edith Cavell in Deutschland überwiegend unbekannt, während es in Großbritannien und Belgien Denkmale von ihr gibt und Straßen und Wohltätigkeitsorganisationen nach ihr benannt sind.

Zum Nachlesen:

Mehr über die Gattung „Maueranschläge“:

Mehr über Gottfried Benn und seine Anwesenheit bei der Hinrichtung:

Weitere Literatur und Darstellungen:

  • Maueranschläge deutscher Verwaltungen in den besetzten Gebieten von Frankreich und Belgien 1914-1917, URL: http://idb.ub.uni-tuebingen.de/opendigi/FoXIIa152_fol-2
  • Mann, Thomas: Betrachtungen eines Unpolitischen. – Berlin, 1918. – Ec 801
  • Baumann, Felix: Der Fall Edith Cavell. – Berlin, 1933. – Fo XIIa 3940
  • Souhami, Diana: Edith Cavell. – London, 2010. – 51 A 7623
  • Bremm, Klaus-Jürgen: Propaganda im Ersten Weltkrieg. – Darmstadt, 2013. – 54 A 1110
  • Lueders, Hugo: Edith and the spies – researching the ‘Second Edith Cavell’, URL: https://www.academia.edu/17851893
  • Wikipedia