Uni-Tübingen

Newsletter Uni Tübingen aktuell Nr. 3/2013: Forschung

Neuer Zwei-Stufen-Sulfatierungs-Mechanismus im Syntheseweg eines Antibiotikums entdeckt

Im SFB 766 untersuchen Wissenschaftler der Universität Tübingen Struktur und Funktion der bakteriellen Zellhülle

Rein äußerlich sind viele Bakterien unscheinbar. So sind ihre Zellen viel einfacher gebaut als etwa die Zellen des Menschen. Das täuscht leicht darüber hinweg, dass Bakterien viele Eigenheiten im Bau ihrer Zellen besitzen, teilweise unter extremen Bedingungen leben, eine ungeheure Vielfalt an Stoffen produzieren können und dabei zahlreiche verschiedene Stoffwechselwege nutzen. An der Universität Tübingen arbeitet ein Sonderforschungsbereich mit Wissenschaftlern aus der Biologie, Chemie, Pharmazie und Medizin an der Erforschung der Besonderheiten der bakteriellen Zellhülle. Bakterien stehen im Fokus, weil es unter ihnen etliche Krankheitserreger gibt, aber eben auch Antibiotikaproduzenten, deren Wirkstoffe sich für Therapien nutzen lassen.

Ein gutes Beispiel für die erfolgreiche Zusammenarbeit im Sonderforschungsbereich SFB 766 ist eine Studie von sechs Wissenschaftlern zum Caprazamycin, einem Antibiotikum, das von Streptomyces-Bakterien produziert wird und sich als wirksam gegen den Tuberkuloseerreger Mycobacterium tuberculosis erwiesen hat. Das Caprazamycin erhält bei der Herstellung in der Bakterienzelle eine Sulfatgruppe, einen schwefelhaltigen Anhang, der den Stoff besser wasserlöslich macht.

Das Anhängen einer Sulfatgruppe wird generell sowohl bei Pflanzen als auch Tieren und vielen Bakterien über die gleiche Klasse von Enzymen bewerkstelligt, die die Sulfatgruppe von einem Zulieferer, dem PAPS (3′-Phosphoadenosin-5′-phosphosulfat), erhalten. Beim Caprazamycin fand sich jedoch eine andere Enzymklasse, die mit PAPS nichts anfangen kann. „Forscher haben lange danach gesucht, woher diese Enzyme die Sulfatgruppe bekommen“, sagt der an der Studie beteiligte Privatdozent Dr. Bertolt Gust vom Pharmazeutischen Institut, „wir haben nun erstmals den Stoff gefunden, ein sogenanntes Pyron, das hier als Sulfatüberträger fungiert.“

Hierbei habe sich gezeigt, dass das Pyron selbst die Sulfatgruppe vom üblichen Sulfatüberträger PAPS erhält, bevor es von dort an das Caprazamycin weitergegeben wird. Diesen neu entdeckten Mechanismus der Zwei-Stufen-Sulfatierung will Bertolt Gust nun näher erforschen. Denn die Gene für die am Mechanismus beteiligten Enzyme haben die Forscher bereits auch bei anderen Bakterien gefunden. Solche Erkenntnisse aus der Grundlagenforschung geben den Forschern wichtige Hinweise für die Entwicklung neuer Antibiotika.

Janna Eberhardt

Die Stelle des Koordinators des E-Science-Zentrums konnte zum 1. April 2013 mit Dr. Matthias Lang besetzt werden, der von der Universität Göttingen nach Tübingen wechselte.

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