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Der “Festzug der Württemberger” von 1841

Am 28. September 1841 feierte man in Stuttgart und an vielen anderen Orten das 25jährige Regierungsjubiläum König Wilhelms I. von Württemberg (1781-1864). Höhepunkt der Feierlichkeiten war ein großer Festzug, der ihm zu Ehren in der Stuttgarter Innenstadt stattfand. Genauere Kenntnis über die Zusammensetzung dieses Festzugs geben uns zwei Bildzyklen. Neben einem kleineren Bildzyklus, der in der UB Tübingen nur als Nachdruck vorhanden ist, steht der “große Festzug”, von dem sich Originalexemplare nur im Hauptstaatsarchiv Stuttgart und in der UB Tübingen (Signatur: L I 32.4-TAF) befinden. Er ist in der Wiedergabe bei weitem präziser und prächtiger als der kleine Bildzyklus. Leider muss dieses sehr aufwendige Druckunternehmen ins Stocken geraten sein, denn die beiden noch bekannten Exemplare brechen nach der Darstellung von etwa der Hälfte der insgesamt 12 Abteilungen des Festzugs ab. Das Tübinger Exemplar umfasst 54 Einzelblätter, die sich ursprünglich auf einer Rolle befanden, so dass der Betrachter den Zug langsam abrollen musste - insgesamt eine Bildlänge von 25 Metern!

Festzüge dieser Art waren vor allem im 19. Jahrhundert anlässlich von Fürstenjubiläen, Feiern zur Wiederkehr bestimmter historischer Ereignisse oder Jubiläen von Universitäten üblich, sie sind allerdings schon seit der Antike (etwa als Triumphzüge) belegt. Die Blütezeit solcher zumeist “historischen Festzüge” war in Deutschland in der Zeit von 1871 bis 1914. 1877 gab es in Tübingen zum 400jährigen Universitätsjubiläum einen großen historischen Festzug.

Der Stuttgarter Festzug von 1841 setzte sich aus fast 10.390 Personen zusammen, 9.736 Fußgängern, 640 Reitern sowie 716 Tieren. Natürlich konnten auch bei der großen Ausgabe nicht alle Mitwirkenden gezeigt werden, wenn man nur an die etwa 2.000 Mitglieder von Sängergesellschaften und Liederkränzen denkt. Nach zeitgenössischen Berichten haben über 200.000 Zuschauer den Festzug beobachtet. Am Morgen des 28. September sammelten sich die einzelnen Abteilungen des Festzugs an eigens bezeichneten Sammelplätzen. Im Programm wurde vermerkt, “daß nur ruhige Pferde in den Zug gebracht, insbesondere unartige Hengste vermieden werden”. Kinder sollten aus besonderer Vorsicht zu Hause gelassen, “zum wenigsten aber nicht auf solche Stellen gebracht werden, wo sie leicht Schaden nehmen können”. Von den Sammelplätzen herkommend, reihten sich die Abteilungen vom Charlottenplatz über die Esslinger, Hauptstädter und Tübinger Straße in den Zug ein. Um 10.30 Uhr setzte sich dann die Spitze des Zuges unter Glockengeläut und “Lösen der Kanonen” in der Königsstraße in Richtung Schlossplatz in Bewegung; der Vorbeizug am Neuen Schloss endete nach etwa zwei Stunden, als alle Anwesenden nach dem eigens für diesen Anlass gedichteten und komponierten Festlied und einer Dankrede des Stadtschultheißen in das Tedeum einstimmten. Der Platz vor dem Neuen Schloss war von einer provisorisch aufgestellten hölzernen Festsäule geschmückt, die zwei Jahre später durch eine von verschiedenen Künstlern des Landes gestaltete 30 Meter hohe Jubiläumssäule ersetzt wurde, die noch heute das Zentrum des Schlossplatzes ziert. 

Insgesamt repräsentiert der Festzug die Vielfalt der damaligen Landwirtschaft und des Gewerbes, der Bildungseinrichtungen, des Militärs, der Städte und Kreise sowie der Vertreter von Staat und Kirche in ihren Uniformen und Trachten. Es war eine große Selbstdarstellung des Landes und vor allem auch ihres Bürgertums wenige Jahre vor der Revolution von 1848/49, “ein belehrendes Beispiel wahrer inniger Übereinstimmung zwischen einem edlen hochherzigen Fürsten und seinem biederen glücklichen Volke”, wie es in einem zeitgenössischen Flugblatt heißt.

In der Vitrine zu sehen ist die im Festzug inszenierte „Darstellung des Landwirthschaftlichen Festes in Cannstadt“ mit einem imposanten Fruchtwagen. Dieses Fest wurde erstmals im September 1818, also vor zweihundert Jahren, gefeiert und lebt bis heute im „Cannstatter Wasen“ fort.

Literatur:

  • Markus Dewald: Der Festzug der Württemberger, Ostfildern 2005 (UB-Signatur: 45 C 19);
  • Rainer Redies: Zweihundert Jahre Cannstatter Wasen, Konstanz 2018 (UB-Signatur: 58 A 4173);
  • Andrea Hartl: Oktoberfest und Cannstatter Wasen, München 2010 (UB-Signatur: 58 A 3110);
  • Rainer Loose: Die Centralstelle des Württembergischen landwirtschaftlichen Vereins, Stuttgart 2018 (UB-Signatur: 58 A 5369).