International Center for Ethics in the Sciences and Humanities (IZEW)

Paula Ballester

Dissertationsprojekt

Eugenik heute? - Die Rolle der platonischen Philosophie für die gegenwärtige Diskussion über die Selbstgestaltung der Menschen auf ein gutes Leben hin.

Im Rahmen der interdisziplinären Reflexion in der Bioethik, mit spezifischen Blick auf die Eugenik, ist eine erneute Lektüre der klassischen Philosophen und insbesondere Platon angebracht, um die moralischen Probleme bezüglich der rasanten Entwicklung der Wissenschaft, ihrer Wirkung auf unsere Gattung als Menschen, dem menschlichen Wohlergehen und unserer Umwelt sowie auf die Rolle der Philosophie in Bezug auf die Eugenik und die Selbstgestaltung des Menschen auf ein gutes Leben hin zu überdenken. Dies ist viel versprechend, weil erstens in der Ethik der klassischen Philosophen dieses Thema kaum eine Rolle spielt. Und zweitens wurde Platon oft missverständlich aufgrund seines Eugenik-Programms als Vorläufer eines politischen Totalitarismus interpretiert. Es wird heutzutage von einer negativen und einer positiven Eugenik gesprochen. Die erste ist eine Art Selektionsprogramm, bei dem die individuelle Freiheit durch die staatliche Planung der Bevölkerungsreproduktion eingeschränkt ist. Die positive Eugenik dagegen hat keinen bestimmten Zustand oder eine bestimmte Planung der Bevölkerung zum Ziel, sondern sie will dem Individuum eine informierte Entscheidung zur Fortpflanzung ermöglichen, so dass Eltern nach einer entdeckten genetischen Disposition oder möglichen zukünftigen Behinderung ihres Kinds über eine frühe Behandlung bzw. einen Abbruch des Entwicklungsstadiums entscheiden können. Diese frühe Behandlung, Tötung oder Therapie des ungeborenen Kindes wirft viele Frage auf. Habermas versucht dabei etwa zu zeigen, dass mit der individuellen Entscheidung der Eltern, das beste für ihre Kinder zu wählen, schon eine staatliche Einrichtung vorliegt, die auf einer liberalen Theorie der Gerechtigkeit basiert, so dass wir die positive Eugenik bereits mit einem staatlichen Programm oder zumindest einem politisch-gesellschaftlichen Programm assoziieren können. So gesehen kann die positive Eugenik nicht deutlich von der negativen Eugenik unterschieden werden. In meiner Untersuchung ist auszuarbeiten, welchen Beitrag Platon zur aktuellen Eugenik-Debatte liefern kann. Es kommt dabei aber nicht nur darauf an, was Platon – philologisch genau ausgelegt – darüber gesagt hat, sondern ebenfalls im Kontext welcher allgemeinen Ideen er dies tut, nämlich beispielsweise in Bezug auf die Gerechtigkeit in seinem Hauptwerk, der Politeia. Zudem lese ich Platon mit dem Hintergrund einer bestimmten Interpretationsrichtung. Mithilfe Gadamers Hermeneutik wird nämlich Platons Philosophie umgearbeitet und für einen bioethischen Beitrag nutzbar gemacht.

Zur Person

Studium der Philosophie (1. Magisterstudiengang) und Altphilologie (2. separater Magisterstudiengang) an der Universidad Nacional von Córdoba in Argentinien. Seit 2004 Studium der ethischen Aspekte der platonischen Philosophie und seiner Implikationen in der gegenwärtigen ethischen Diskussion bei Prof. Thomas Alexander Szlezák durch eine Studienförderung des DAAD. Seit August 2007 Mitglied des Graduiertenkollegs „Bioethik“ beim Internationalen Zentrum für Ethik in den Wissenschaften (IZEW) unter der Betreuung von Prof. Eve-Marie Engels und Prof. Thomas Alexander Szlezák.

Kontakt

paula.ballester[at]izew.uni-tuebingen.de