International Center for Ethics in the Sciences and Humanities (IZEW)

Bilder der Medien und Bilder der Menschen

von Vanessa Weihgold

16.08.2021 · Bilder werden nicht nur wahrgenommen, sondern auch aktiv geformt, vor allem von den Medien. „… wessen Leid wird gesehen? Wer bleibt unsichtbar? Bilder, das hat die Flutkatastrophe einmal mehr gezeigt, sind politisch. Sie prägen unsere Wahrnehmung des Klimawandels und sind zugleich bereits ein Ausdruck dieser Wahrnehmung“, schreibt Katharina Krause in ihrem Beitrag in BedenkZeiten. Die Flutkatastrophe in Deutschland hat über Wochen die Medien beschäftigt. Während sich die Aufmerksamkeit der deutschen Medien darauf konzentrierte, gab es jedoch auch in anderen Teilen der Welt verheerende Überflutungen. Wer entsprechend unsichtbar blieb (und nach wie vor bleibt), sind die vielen Menschen in Nigeria und an der restlichen afrikanischen Westküste, die momentan ebenfalls unter extremen Fluten leiden.

Es sind besonders drei Bereiche, in die Bilder der Medien selektieren und nur Ausschnitte zeigen: Dies sind zum einen die Konflikte zwischen dem Globalen Norden und dem Globalen Süden, des Weiteren die zwischen arm und reich und schlussendlich ethnische Konflikte. Dieser Beitrag versucht, in Ergänzung zu Katharina Krause, diese drei Bereiche beispielhaft genauer zu beleuchten.

Die Bilder, so Krause, konkretisieren die abstrakte Bedrohung des menschengemachten Klimawandels. Jedoch stellt sich mir da die Frage: Warum bedarf es der Bilder aus Deutschland, damit Deutsche akzeptieren, dass der Klimawandel real ist und auch sie betrifft, wie der Beitrag von Katharina Krause suggeriert? Chu und Yang konnten in einer Studie zeigen, dass die räumliche Distanz zu Menschen, die von Klimakatastrophen betroffen sind, sich auf die emotionale Wahrnehmung auswirkt.[1] So empfinden beispielsweise Amerikaner*innen mehr Wut, Angst, Traurigkeit oder Schuldgefühle, wenn sich Berichte um Amerikaner*innen drehen, die von Katastrophen betroffen sind, als wenn es sich um Singapurer*innen handelt. Erklärt sich dies allein durch die Tatsache, dass weit entfernte Ereignisse als irrelevant für das eigene Leben wahrgenommen werden? Dies erscheint mir zumindest zweifelhaft, da die deutschen Medien doch sehr ausführlich über die nordamerikanische Hitzewelle berichtet haben.

Wie bereits in einigen Beiträgen des BedenkZeiten-Blogs angesprochen,[2] überschneiden sich oftmals verschiedene Ungerechtigkeiten für Minderheiten und Nicht-Privilegierte. Sei es, dass sie überdurchschnittlich stark von der Pandemie betroffen sind, sei es ihre größere Verletzbarkeit durch den Klimawandel – beides steht in Zusammenhang mit einer finanziell schwierigeren Ausgangslage (Wohnblöcke in günstigerer Wohnlage) und einem Ungleichgewicht der (politischen) Macht. Privilegienbewusstsein stärken, wie es Cora Bieß fordert, bedeutet auch, klar zu benennen, wer in dieser Schieflage nicht gesehen wird und sich zu fragen, warum das so ist.

Neben der räumlichen Distanz zum afrikanischen Kontinent, sprechen Trawalter und Kolleg*innen von einem racial empathy gap.[3] Damit bezeichnen sie die Tatsache, dass weiße Menschen weniger mit Schwarzen mitfühlen, als mit anderen Weißen. Vielfach werden diese Ergebnisse so interpretiert, dass Empathie von der Ähnlichkeit der Menschen abhängig ist. Aber auch Schwarze fühlen anderen Schwarzen gegenüber weniger Empathie.[4] Dies wiederum deutet darauf hin, dass diese „Lücke“ in der Fähigkeit mitzufühlen, sozial gelernt wird. Und es liefert eine Erklärung dafür, warum die Katastrophen, die weißen Menschen widerfahren, uns den Klimawandel fassbarer machen. Gleichzeitig jedoch reproduzieren Journalist*innen eben diesen gap, indem sie ihre Berichte auf den Globalen Norden konzentrieren. Privilegienbewusstsein bedeutet auch, dass diese sozialen Strukturen bewusst gemacht werden. Die Presse als Organ der öffentlichen Meinungsbildung hat hier eine ähnliche Verantwortung, wie das Bildungswesen. Die Auswahl der Bilder (und Berichte) ist ebenfalls politisch.

Jeremy Williams beginnt sein Buch Climate Change is racist mit der Erinnerung an die Hungersnot in Äthiopien, die in den 1980er Jahren durch eine Fernsehreportage, die Bilder von hungernden Kindern zeigte, zu einer enormen Spendenwelle (und dem Lied Do they know it’s Christmas?) geführt hat. Im Anschluss verweist er auf die Forschungen von Leon Rotstayn und Ulrike Lohmann, die zeigen konnten, dass die Dürre, die eine der Ursachen dieser humanitären Katastrophe war, maßgeblich durch die Luftverschmutzung aus dem Globalen Norden bedingt war.[5] Dies fasst Williams in dem imaginären Bild von im Auto rauchenden Eltern zusammen: Alle Menschen dieser Welt atmen die Luft aus derselben Atmosphäre. Wenn diese Verbindung bewusst wird, stellt sich die Frage nicht, ob der Klimawandel Deutsche auch betrifft. Dieses Bild vom Menschen als global verbundenes Wesen zu schaffen, ist die Aufgabe der Gegenwart.

Kurz-Link zum Teilen: https://uni-tuebingen.de/de/216085

____________________________

 

[1] Chu, H., & Yang, J. Z. (2019). Emotion and the Psychological Distance of Climate Change. Science Communication, 41(6), 761–789. https://doi.org/10.1177/1075547019889637

[2] Z.B. von Cora Bieß, Sandra Dürr und Sheena Anderson und Wulf Loh und Laura Schelenz,

[3] Trawalter, S., Hoffman, K. M., & Waytz, A. (2012). Racial Bias in Perceptions of Others’ Pain. PLOS ONE, 7(11), e48546. https://doi.org/10.1371/journal.pone.0048546

[4] Williams, J. (2021). Climate change is racist: Race, privilege and the struggle for climate justice. S. 111.

[5] Rotstayn, L. D., & Lohmann, U. (2002). Tropical Rainfall Trends and the Indirect Aerosol Effect. JOURNAL OF CLIMATE, 15, 15.