Potentiale der Polyphonie im frühen Minnesang. Eine Neuperspektivierung

Gefördert durch die DFG (2012–2014/16).

Das Projekt stellt sich die Aufgabe, mit dem frühesten und frühen Minnesang die Anfänge deutschsprachigen lyrischen Sprechens in ihrer kulturellen Dynamik neu zu perspektivieren. Grundlegend für die Neuperspektivierung ist der Ansatz, das Paradigma der Vielfalt, der Polyphonie und Diversität stärker als zuvor als Interpretament für den Beginn deutschsprachigen Minnesangs geltend zu machen. Conditio sine qua non ist hierfür zum einen, den frühen Minnesang entschieden aus der Fluchtlinie der Hohen Minne und der sie vertretenden Minnekanzone herauszunehmen, zum anderen, die bisher vorherrschenden Analysekategorien der ,Form’ und der ,Liebeskonzeption’ zu ergänzen bzw. abzulösen durch ein erweitertes Kategorienspektrum. Ziel des vorliegenden Projekts ist es somit, (1) ein Kategoriennetz zu entwerfen, das genauer und verbindlicher als zuvor die spezifischen Eigenheiten der Anfänge des Minnesangs jenseits einer Entwicklungslogik auf die Hohe Minne hin beschreibbar macht, (2) den frühesten und frühen Minnesang als dynamisches und spannungsreiches Experimentierfeld der Auseinandersetzung extrem divergenter – paralleler, interferierender oder konfligierender – Kulturmuster in den Blick zu rücken, (3) einen Beitrag zu leisten zur kulturhistorisch übergreifenden Frage, inwiefern ,Pluralität’ nicht nur als Faktor kultureller Ausdifferenzierung etablierter Traditionen, sondern ebenso als maßgeblich stimulierendes Potential junger Kulturen am Beginn von Traditionsbildungen in Anschlag zu bringen ist.

Projektleiterin:
Prof. Dr. Annette Gerok-Reiter

Projektmitarbeiterinnen:
Anna Sara Lahr
Simone Leidinger (ab 2013)

Hilfskraft:
Alexandra Becker


Publikationen des Forschungsprojekts

Monographien und Herausgeberschaft

Annette Gerok-Reiter, Anna Lahr, Simone Leidinger (Hgg.), Raum und Zeit im Minnesang. Ansätze – Spielarten – Funktionen, Heidelberg 2020 (Studien zur historischen Poetik 29).

- Anna Sara Lahr, Diversität als Potential. Eine Neuperspektivierung des frühesten Minnesangs, Heidelberg 2020 (Studien zur historischen Poetik 32).

- Simone Leidinger, Dietmar von Aist: Vielschichtige Poetik, Heidelberg 2019 (Studien zur historischen Poetik 30).


Aufsätze

- Annette Gerok-Reiter, Dû bist mîn, ich bin dîn (MF 3,1) – ein Skandalon? Zur Provokationskraft der volkssprachigen Stimme im Kontext europäischer Liebesdiskurse, in: Udo Friedrich, Manfred Eikelmann (Hgg.), Praktiken europäischer Traditionsbildung im Mittelalter. Wissen – Literatur – Mythos, Berlin 2013, S. 75–97.

- Annette Gerok-Reiter, Die ‚Kunst der vuoge‘: Stil als relationale Kategorie. Überlegungen zum Minnesang, in: Elizabeth Andersen, Ricarda Bauschke-Hartung, Nicola McLelland, Silvia Reuvekamp (Hgg.), Literarischer Stil. Mittelalterliche Dichtung zwischen Konvention und Innovation. Schriften des XXII. Anglo-German Colloquium Düsseldorf 2011, Berlin / Boston 2015, S. 97–118.

- Annette Gerok-Reiter, Vom Sinn und Unsinn, sich mit dem Frühen Minnesang zu beschäftigen, in: Heidelberger Akademie der Wissenschaften. Jahrbuch 2015, hg. von der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Heidelberg 2016, S. 65–67.

- Annette Gerok-Reiter, Ästhetik der Polyphonie. Der frühe deutschsprachige Minnesang als Austragungsort kultureller Diversität, in: Ingrid Kasten, Laura Auteri (Hgg.), Transkulturalität und Translation. Deutsche Literatur des Mittelalters im europäischen Kontext, Berlin / Boston 2017, S. 29–47.

- Annette Gerok-Reiter, Genderinszenierungen im Minnesang. Vier Varianten und ihr poetologisches Potential, in: Ingrid Bennewitz, Jutta Eming, Johannes Traulsen (Hgg.), Gender Studies – Queer Studies – Intersektionalität. Eine Zwischenbilanz aus mediävistischer Perspektive, Göttingen 2019 (Berliner Mittelalter- und Frühneuzeitforschung 25), S. 29–53.

- Annette Gerok-Reiter, Lyrische Kohärenz im frühen Minnesang?, in: Susanne Köbele, Eva Locher, Andrea Möckli, Lena Oetjens (Hgg.), Lyrische Kohärenz im Mittelalter. Spielräume – Kriterien – Modellbildung, Heidelberg 2019 (GRM-Beiheft 94), S. 25–50.

- Annette Gerok-Reiter, Anna Lahr, Simone Leidinger, Raum und Zeit im Minnesang. Ein Aufriss: Ansätze – Spielarten – Funktionen, in: Annette Gerok-Reiter, Anna Sara Lahr, Simone Leidiger (Hgg.), Raum und Zeit im Minnesang. Ansätze – Spielarten – Funktionen, Heidelberg 2020 (Studien zur historischen Poetik 29), S. 7–21.

- Simone Leidinger, Bild und Klang. Lyrischer Präsenzeffekt bei C Dietm 12 und 13, in: Annette Gerok-Reiter, Anna Sara Lahr, Simone Leidiger (Hgg.), Raum und Zeit im Minnesang. Ansätze – Spielarten – Funktionen, Heidelberg 2020 (Studien zur historischen Poetik 29), S.299–328.

- Annette Gerok-Reiter, Versehrtheit: Funktionen eines Motivs in der frühen Lyrik, in: Sarah Bowden, Nine Miedema, Stephen Mossman (Hgg.), Verletzungen und Unversehrtheit in der deutschen Literatur des Mittelalters. XXIV. Anglo-German Colloquium Saarbrücken 2015, Heidelberg 2020, S. 221–241.


Edition

- Simone Leidinger, Online-Edition des Autorkorpus Dietmar von Aist in der „Lyrik des deutschen Mittelalters“ (LDM), hg. von Manuel Braun, Sonja Glauch und Florian Kragl. URL: https://www.ldm-digital.de/autoren.php?au=Dietm.