Das deutsche BGB ist ein Zeugnis der Wirkungsmacht des römischen Rechts. Einer der weltweit berühmtesten Lehrer des römischen Rechts, Bernhard Windscheid, war führendes Mitglied der 1. BGB-Kommission. Noch der erste Entwurf des BGB von 1888 wurde daher der „kleine Windscheid“ genannt, in Anlehnung an Windscheids dreibändiges „Lehrbuch des Pandektenrechts“. Man hat das BGB auch als „in Paragraphen gegossenes Pandektenlehrbuch“ bezeichnet. Pandekten ist die griechische Bezeichnung für die Digesten, das Kernstück des justinianischen Corpus iuris civilis, in dem die Entscheidungen der klassischen Juristen gesammelt wurden.
Für die meisten Paragraphen des BGB könnte man die zumeist römischrechtliche Wurzel aufzeigen: § 1007 beispielsweise, oft mißverstanden und wegen seiner Schwierigkeiten getadelt, wird derjenige besser verstehen, der die römische actio Publiciana kennt. § 937 II hat neben einem kanonistischen einen römischen Ursprung: Nur wer daher die römische successio in possessionem kennt, kann überhaupt erst den juristischen Streit begreifen, der darum geführt wurde, ob der gutgläubige Erbe eines Soldaten das im zweiten Weltkrieg von diesem aus dem sogenannten Bernsteinzimmer geraubte Mosaik ersitzen konnte. Als mitten in der Mosel eine neue Insel entstand, zog der BGH in BGHZ 92, 326 völlig zu Recht Stellen aus den Digesten zur Entscheidung heran.
Römisches Recht zu studieren heißt, das geltende Privatrecht in seiner Tiefe zu verstehen und seine Prinzipien und Strukturen zu entdecken. Der bloße Rechtstechniker mag zusehen, wie ein Federstrich des Gesetzgebers oder ein einziges Urteil eines Obergerichts alles bisher Gelernte überflüssig und erneut zeitraubendes Lernen erforderlich macht. Wer demgegenüber die Grundlagen unseres Rechts begriffen hat, tut sich sehr viel leichter mit Neuerungen, da auch diese zwangsläufig auf den anerkannten Prinzipien aufbauen.