Uni-Tübingen

Newsletter Uni Tübingen aktuell Nr. 2/2010: Schwerpunkt

Bildung fördert nachhaltige Entwicklung

Noch Nachholbedarf im Hochschulbereich

Bei der Bildung für nachhaltige Entwicklung (im Folgenden BNE) handelt es sich um ein Lern- und Handlungsfeld, das in Deutschland seit 1996 – also vier Jahre nach der Konferenz für Umwelt und Entwicklung der Vereinten Nationen in Rio de Janeiro – bearbeitet wird. Im Abschlussdokument der Rio-Konferenz – der von rund 180 Staaten dieser Welt unterzeichneten "Agenda 21" – widmet sich Kapitel 36 (http://www.agenda21-treffpunkt.de/archiv/ag21dok/index.htm) der Bedeutung von Bildung im Prozess der nachhaltigen Entwicklung. Ohne mentalen Wandel, ohne Bewusstseinsbildung, das heißt ohne eine weltweite Bildungsinitiative, so heißt es dort – wie an zahlreichen anderen Stellen in diesem wegweisenden Dokument für das 21. Jahrhundert –, sei eine nachhaltige Entwicklung nicht zu gewährleisten.

Mit der Vision einer nachhaltigen Entwicklung werden nun – zwar nicht nur, aber primär – die Themen Umwelt und Entwicklung zusammengeführt. Es geht – so die normative Leitidee – darum, heute so zu wirtschaften, die Politik so zu gestalten und so zu leben, dass für die heutigen wie für zukünftige Generationen lebenswerte Verhältnisse geschaffen bzw. ermöglicht werden.

Für die BNE wurde das Konzept der Gestaltungskompetenz ausformuliert. Mit Gestaltungskompetenz wird die Fähigkeit bezeichnet, Wissen über nachhaltige Entwicklung anwenden und Probleme nicht nachhaltiger Entwicklung erkennen zu können. Das heißt, aus Gegenwartsanalysen und Zukunftsstudien Schlussfolgerungen über ökologische, ökonomische und soziale Entwicklungen in ihrer wechselseitigen Abhängigkeit ziehen und darauf basierende Entscheidungen treffen, verstehen und individuell, gemeinschaftlich und politisch umsetzen zu können, mit denen sich nachhaltige Entwicklungsprozesse verwirklichen lassen.

Betrachtet man die Fortschritte der BNE in Deutschland über die letzten zehn Jahre, so lässt sich durchaus von einer Erfolgsgeschichte sprechen. In zahlreichen Lehrplänen findet sich die Nachhaltigkeit fest verankert, und der Bund hat gemeinsam mit den Ländern mehrere Programme zur Förderung der BNE aufgelegt. Man kann aber auch Schwierigkeiten in der Umsetzung und Konturierung der BNE identifizieren. So ist beispielsweise BNE nicht in allen formellen Bildungsbereichen gleich gut positioniert: In den Bereichen Hoch-schule, Berufsbildung und auch im Elementar- und Primarbereich sind weniger große Fortschritte zu ver-zeichnen als in der Sekundarstufe. Im informellen und nonformellen Bildungsbereich sind ebenso weitere Transfermaßnahmen nötig.

Professor Dr. Gerhard de Haan

Foto: FU Berlin

Gastautor Professor Dr. Gerhard de Haan ist Professor für Erziehungswissenschaftliche Zukunftsforschung an der Freien Universität Berlin und Vorsitzender des Deutschen Nationalkomitees für die UN-Dekade "Bildung für nachhaltige Entwicklung".