Uni-Tübingen

Newsletter Uni Tübingen aktuell Nr. 5/2015: Leute

Vielseitiger Astrophysiker und herausragender Hochschullehrer

Zum Tode von Professor Dr. Hanns Ruder ein Nachruf von Klaus Werner

Am 17. Oktober 2015 verstarb Professor Dr. Hanns Ruder. Er hatte seit dem 1. März 1982 den Lehrstuhl für Theoretische Astrophysik an der Universität Tübingen inne. Ruder wurde im Jahre 2006 emeritiert.

Ein Schwerpunkt von Hanns Ruders Arbeiten in Tübingen betraf die quantenmechanische Beschreibung von Atomen in starken Magnetfeldern, insbesondere die Berechnung von Energieniveaus, Wellenfunktionen und Photonen-Wirkungsquerschnitten. Die astrophysikalische Motivation Ruders lag in der Interpretation von Spektren von weißen Zwergen und Neutronensternen, in den zum Teil extrem starke Magnetfelder vorkommen. Eine Reihe von grundlegenden Publikationen zu diesem Themenbereich fand ihren Niederschlag in einem 1994 erschienenen Buch, das zu einem oft zitierten Standardwerk geworden ist (Atoms in Strong Magnetic Fields; Springer-Verlag).

Hanns Ruder war von 1994 bis 2006 Sprecher des DFG-Sonderforschungsbereichs 382 „Verfahren und Algorithmen zur Simulation physikalischer Prozesse auf Höchstleistungsrechnern“. Dieser überaus erfolgreiche SFB, der an den Universitäten Tübingen und Stuttgart angesiedelt war, hatte die dortigen Aktivitäten im Bereich Computational Physics konzentriert. In einer stark interdisziplinären Zusammenarbeit von Physikern, Mathematikern, Informatikern und Mitarbeitern der Rechenzentren wurden durch optimale Nutzung der regional verfügbaren Supercomputerleistung und Rechnerinfrastruktur herausragende wissenschaftliche Fortschritte erzielt. Ein Schwerpunktthema war die Physik verschmelzender Neutronensterne, die Ergebnisse bildeten eine wichtige Grundlage für einen später begründeten SFB zum Thema „Gravitationswellenastronomie“ (der 2014 abgeschlossen wurde) sowie für einen neuen geplanten SFB mit dem Thema „Neutronensterne“, dessen designierter Sprecher Hanns Ruders Nachfolger, Professor Dr. Kokkotas ist. Hanns Ruder hat also sehr deutliche Spuren an der Universität hinterlassen.

Die von Hanns Ruder und seiner Arbeitsgruppe erarbeiteten Methoden zur Visualisierung der Ergebnisse in gekrümmten Raumzeiten mündeten später auch in seine öffentlichen Vorträge zur Visualisierung der Relativitätstheorie, und sie gaben auch einen Impuls zur Einführung von speziellen Teilprojekten in SFB‘s zur Vermittlung der Forschungsergebnisse für die Öffentlichkeit.

Sein starkes Interesse an interdisziplinärem Arbeiten zeugt auch die Arbeitsgruppe „Biomechanik“, in der unter seiner Leitung ein möglichst realistisches Modell des Menschen für die Computersimulation von dynamischen Vorgängen entwickelt wurde.

Hanns Ruder war auch ein herausragender Hochschullehrer. Er hat über 375 Diplomarbeiten und Dissertationen betreut.

Bereits zu seiner Zeit als „aktiver“ Professor, aber dann insbesondere nach seiner Emeritierung im Jahr 2006, hat Ruder sich in bewundernswürdiger und beeindruckender Weise der Popularisierung der Physik und der Astronomie gewidmet. Davon zeugen zwei Preise, die ihm von der Deutschen Physikalischen Gesellschaft in den Jahren 2002 (Robert-Wichard-Pohl-Preis) und 2006 (Medaille für Naturwissenschaftliche Publizistik) verliehen wurden, sowie die Verleihung der Lorenz-Oken-Medaille der Gesellschaft Deutscher Naturforscher und Ärzte im Jahr 2012. Im Jahre 2006 war er Mitbegründer der Stiftung „Interaktive Astronomie und Astrophysik“ unter der Patronage des Universitätsbundes Tübingen, die es sich zum Ziel setzt, nachwachsende Generationen für die Naturwissenschaften zu begeistern.

Hanns Ruder hat sich auch durch seine Aktivitäten in akademischen Ämtern verdient gemacht. Er war von 1984 bis 1986 Dekan und Prodekan der Fakultät für Physik. In den Jahren 1993 bis 1996 war er Vorsitzender des Vorstands der Astronomischen Gesellschaft.