Seit der Antike wird Wissen oft der Meinung gegenübergestellt. Während sich die Meinung im Allgemeinen auf subjektive Wahrnehmungen und Standpunkte bezieht, soll das Wissen in der Regel objektive und überprüfbare Aussagen darstellen. In dieser Sichtweise beansprucht Wissen per se eine universelle Dimension, da es den Anspruch erhebt, durch die Vernunft von jedermann und überall anerkannt werden zu können. Dieser universelle Aspekt des Wissensbegriffs steht in deutlichem Gegensatz zu Kulturen des lokalen Wissens, in denen die Erzeugung von Wissen von bestimmten Zeiten und Orten abhängig ist. Diese unterschiedlichen Aspekte gerieten in Konflikt, als das indigene Wissen von den Europäern angefochten wurde, und ebenso kam es zu indigenen Anfechtungen des europäischen Wissens. Aufgrund religiöser, sprachlicher, demografischer und kultureller Unterschiede wurde Wissen, das in einem Kontext funktionierte, in einem anderen Rahmen angepasst, manipuliert, umgedeutet oder als falsch oder ketzerisch abgetan.
Dieses Buch konzentriert sich auf historische Beispiele für indigenes Wissen von 1492 bis etwa 1800, mit Beiträgen aus den Bereichen Geschichte, Kunstgeschichte, Geographie, Anthropologie und Archäologie. Zu den vielfältigen Quellen gehören indigene Briefe, Testamente, Missionspredigten, zweisprachige Katechismen, Archivinventare, Naturgeschichten, Volkszählungen, Landkarten, Heilkräuterkataloge, Töpferwaren und Steinmetzarbeiten. Diese Quellen stammen aus Brasilien, dem Río de la Plata-Becken (Teile des heutigen Argentiniens, des bolivianischen Tieflandes, Paraguays und Uruguays), der Andenregion, Neuspanien (dem heutigen Mexiko), den Kanarischen Inseln und Europa. Die 14 Kapitel dieses Buches sind in fünf Hauptabschnitte gegliedert: (1) Medizinisches Wissen; (2) Sprachen, Texte und Terminologie; (3) Kartographie und geographisches Wissen; (4) Materielle und visuelle Kultur; und (5) Missionarische Wahrnehmungen.