Am 25. September verstarb, nach langer kräftezehrender Krankheit, unser geschätzter Kollege Professor Dr. rer. nat. Hans-Ulrich Pfretzschner.
Hans-Ulrich Pfretzschner wurde 1959 in Bad Kreuznach geboren. An der Universität Kaiserslautern studierte er zunächst Chemie und sodann Physik und Biologie. Diese, heute ungewöhnliche, Kombination naturwissenschaftlicher Grundlagenfächer führte ihn, gepaart mit seinem starken Interesse an ausgestorbenen Lebensformen, zu seinem Promotionsthema, der Biomechanik der Schmelzmikrostruktur der Backenzähne von Großsäugetieren, welche er unter Leitung von Professor Wighart von Koenigswald 1989 abschloss. Seine innovative Verknüpfung von physikalischen Grundlagen mit belebten Strukturen war für die Paläontologie vor 30 Jahren wegweisend. Dieses Wissen führte ihn als Assistent von Professor von Koenigswald an die Universität Bonn, wo er 1995 zu Biometrischen Untersuchungen am Schädel der Huftiere habilitierte, bevor er 1999 an die Universität Tübingen als Professor für Wirbeltierpaläontologie berufen wurde.
Seine ersten sechs Tübinger Jahre waren geprägt durch sein zunehmendes wissenschaftliches Interesse für Dinosaurier, sowie zahlreicher Ausgrabungskampagnen im Rahmen eines in Tübingen angesiedelten deutsch-chinesischer Forschungsprojektes in der nordwest-chinesischen Provinz Xinjiang. Neben grundlegenden Arbeiten zur Mikrostruktur von Knochen und den physiko-chemischen Prozessen der Fossilation, beschäftigten ihn Fragen zur Biomechanik der Fortbewegung von Wirbeltieren und der Körpermasse der größten unter ihnen, welche er im Rahmen der Forschergruppe ‚Biologie der sauropoden Dinosaurier: Die Evolution von Gigantismus‘ durchführte.
Die 2005 bei ihm diagnostizierte Krebserkrankung konnte seine durch über 60 Publikationen belegte Produktivität nur langsam bremsen. Trotz seines Leidensweges gab er auch weiterhin seine Begeisterung für das Fach und seinen Wissensdurst an zehn Doktoranden weiter.
Als hervorragender Lehrer der Wirbeltierpaläontologie und der Evolution konnte er seine Studenten begeistern und fesseln, auch durch eine Vielzahl von Anekdoten und Erlebnissen, die das Gelehrte haben bildlich werden lassen. Oft waren diese Geschichten auch von einem feinen Humor geprägt, mit dem er gerne gespielt hat. Er war aber nicht nur ein ausgezeichneter Lehrer, sondern auch ein hervorragender Mentor, der seinen Mitarbeitern in allen Situationen mit Rat und Tat zur Seite stand. Sein Umgang mit seinen Doktoranten war immer von großer Herzlichkeit und Offenheit geprägt. Er war ein Mensch, mit dem man alles besprechen konnte.
Hans-Ulrich Pfretzschner lebte und liebte die Natur. Er war in allen naturwissenschaftlichen Disziplinen zuhause. Ob Mathematik, Chemie, Biologie, Physik, Astronomie oder Geologie, er war für alles zu begeistern und von allem begeistert. Zeit seines Lebens hat er gerne und viel experimentiert, das war ihm sehr wichtig. Seine private Leidenschaft galt alten Messinginstrumenten, primär alten Mikroskopen. Auch Uhren waren eines seiner Hobbies. Er sammelte ausgefallene Exemplare und war nicht nur von deren Optik, sondern auch vor allem von den Uhrwerken fasziniert an denen er auch selbst gebastelt hat. In früheren Jahren war er aktiver Segelflieger und hat sehr oft begeistert von der Aerodynamik und Flugphysik geschwärmt. Auch die Glasbläserei hatte es ihm angetan und so er hat einige Laborgläser selbst hergestellt. Entspannung suchte und fand Uli gern beim Rauchen einer Pfeife zu einem guten Buch.
Der Fachbereich Geowissenschaften und die Universität Tübingen verlieren mit Professor Hans-Ulrich Pfretzschner einen außergewöhnlich breit gebildeten Kollegen und Naturwissenschaftler und die Studierenden unserer Universität einen hervorragenden Lehrer.