Wo steigt derzeit die Ungleichheit?
Zum Beispiel in Großbritannien, China, Indien und Russland. Auch in den USA, dort ist die Ungleichheit vom vergangenen auf das aktuelle Jahrzehnt stark angestiegen, und damit hat die Wahrscheinlichkeit eines Bürgerkrieges von 10 auf 21 Prozent zugenommen.
Also hat sich das Risiko eines Bürgerkrieges in den USA verdoppelt?
Ja, das ist eine dramatische Erhöhung der Wahrscheinlichkeit für einen Bürgerkrieg. Aber natürlich entscheiden viele anderen Variablen darüber, ob ein Bürgerkrieg tatsächlich ausbricht: Gab es in einem Land schon früher gewaltsame Konflikte? Welche Anstrengungen unternimmt die Gesellschaft auf der Suche nach Kompromissen? Wie etabliert sind demokratische Verfahren? Mit zunehmender Ungleichheit sinkt allerdings die Bereitschaft für Kompromisse und die Akzeptanz der Demokratie. Deswegen ist der Indikator so interessant.
Wieso befassen Sie sich als Ökonom mit Gewaltstatistiken?
Wenn Sie hier aus dem Gebäude treten und es schlägt Sie jemand nieder, verringert sich ihre Wohlfahrt erheblich – völlig unabhängig von Ihrem Einkommen. Außerdem sinkt Ihr Vertrauen in Ihre Mitmenschen. Sie werden misstrauischer. Vielleicht gehen Sie deutlich zögerlicher Verträge ein. Vertrauen und Verträge sind aber wichtig, wenn die Wirtschaft funktionieren soll. Wirtschaftshistoriker machen sich viele Gedanken, was ein hohes oder ein etwas weniger hohes Niveau von Gewalt mit dem Wirtschaftswachstum macht.
Wie wenden Sie diese Methode an?
Wir haben zum Beispiel untersucht, welche Auswirkungen die Entstehung von Städten in Mesopotamien auf die Gewalttätigkeit und damit die Wohlfahrt dieser Gesellschaften hatte. Dafür haben wir Tausende eingeschlagene Schädel untersucht, zertrennte Knochen oder Skelette, in denen Pfeilspitzen steckten.3 Der amerikanische Psychologe Steven Pinker argumentiert, dass über die Jahrtausende die Gewalt kontinuierlich abgenommen hat.4 Unsere Analysen zeichnen ein facettenreicheres Bild. Zum Beispiel ist nach der ersten Stadtgründung von Uruk und bei ähnlichen Städten in Mesopotamien eine sehr starke Zunahme der Gewalt festzustellen. Für diese statistische Auswertung von Knochenfunden sind die statistischen Methoden der Wirtschaftswissenschaften sehr hilfreich.
Wie überzeugen Sie Studentinnen und Studenten, sich für Wirtschaftsgeschichte zu interessieren?
Ich sage ihnen, dass sie die statistischen Methoden sehr gut und praktisch lernen und diese zum Beispiel in vielen internationalen Organisationen gebraucht werden.