Die Kolonie Nueva Germania und ihre Ressourcen
1886 gründeten Elisabeth Nietzsche, die Schwester des Philosophen Friedrich Nietzsche, und ihr Mann Dr. Bernhard Förster im Herzen von Paraguay die Siedlung Nueva Germania. Als Antisemiten verfolgten beide das Ziel, einen judenfreien Rückzugsort für germanische Kernideale und germanische Kultur zu schaffen. Föster und Nietzsche lockten bis zu 120 Siedlerfamilien, die meisten von ihnen aus Sachsen, zur Verwirklichung einer utopischen Siedlung in die Abgeschiedenheit. Doch dieser utopische Traum platzte bald – die Flucht aus Industrialisierung und Armut in eine ländliche Idylle mit "germanischer" und vegetarischer Lebensweise traf auf harte Lebensbedingungen. Bernhard Förster starb 1889, wahrscheinlich durch Selbstmord, und Nueva Germania war als privates Unternehmen, ohne Verbindung zur Kolonialpolitik des Deutschen Reiches, nicht mehr finanzierbar. Elisabeth Nietzsche verließ die Kolonisten 1893 und ließ sie im Stich.
Das Forschungsprojekt ist Teil des Sonderforschungsbereichs RessourcenKulturen (SFB 1070) (Förderzeitraum 2021 bis 2025), das die sozialen Dimensionen von Ressourcen untersucht. Wir betrachten die Ideologie des Gründerpaares und der ersten Siedler als immaterielle Ressource und fragen, wie sich diese Ideologie vor Ort und auf der Grundlage der Siedlungsbedingungen veränderte. Zahlreiche Schriftquellen und Pläne stehen im Goethe- und Schiller-Archiv in Weimar für die Auswertung zur Verfügung. In einer ersten Feldkampagne im Februar und März 2022 untersuchten und dokumentierten wir die Baustrukturen und Parzellen der Gründungsphase der Kolonie. In Interviews sprechen wir mit der Bevölkerung vor Ort über die materiellen Hinterlassenschaften vor Ort als „dark heritage“.
Mitarbeitende:
Prof. Dr. Natascha Mehler, Projektleitung
Attila Dézsi, Wissenschaftlicher Mitarbeiter, Auswertung, Forschung, GIS
Mirjana Rapp, Transkription und Auswertung der Schriftquellen
Maren Schlingmann, Transkription und Auswertung der Schriftquellen
Kooperationspartner:
Ministro de Cultura República del Paraguay
Goethe- und Schiller-Archiv Weimar
Ruth Alison, Asunción
Daniel Schávelzon, Buenos Aires
Dr. Jonatan Kurzwelly, Universität Göttingen