Kornwestheim, St. Martin
In den Monaten Juli bis Oktober 1967 führte das damalige Staatliche Amt für Denkmalpflege Stuttgart unter der örtlichen Leitung von Barbara Scholkmann, eine Ausgrabung in der evangelischen Pfarrkirche St. Martin in Kornwestheim durch. Anlass war eine umfangreiche Erneuerung des Kirchenbaus, in deren Verlauf das spätgotische Langhaus mit Ausnahme der Nordwand vollständig niedergelegt wurde. Zugleich waren für den Einbau einer Heizanlage tiefgreifende Bodenausschachtungen vorgesehen. Wie viele andere archäologische Ausgrabungen konnte die Untersuchung in der Martinskirche bis heute nicht abschließend ausgewertet und publiziert werden, obgleich in diesem speziellen Fall gleich mehrere Anläufe zur abschließenden Auswertung unternommen wurden.
Dass diese nun, 42 Jahre nach der Ausgrabung endlich realisiert werden kann, ist dem Verein für Geschichte und Heimatpflege Kornwestheim e. V. und der persönlichen Initiative von Doris Rittweger, Kornwestheim, zu verdanken. Im Rahmen eines Werkvertrags erstellt Sören Frommer bis Ende 2009 eine geschlossene Gesamtauswertung unter Einbindung der verschiedenen bereits zu unterschiedlichen Zeiten erstellten Teil-Auswertungen, Kataloge. Namhafte Autoren wie Frauke Stein (Beitrag zu den merowingerzeitlichen Grabfunden) ergänzen mit eigenen Beiträgen die Publikation dieses wichtigen Befundes, welche für September 2010 vorgesehen ist.
Die Martinskirche in Kornwestheim weist bis in die spätgotische Zeit eine fünfphasige Baugeschichte auf, die durch den Neubau des Langhauses 1967 einen aus denkmalpflegerischer Sicht kaum nachvollziehbaren Abschluss fand. Die Baugeschichte beginnt mit einer Holzkirche, wobei einer der Pfosten am baulichen Übergang Langhaus-Rechteckchor auf der Ausmauerung eines mutmaßlich nur kurze Zeit zuvor angelegten Grabes gründet, das über die Reste der Grabausstattung in die Zeit um 630/40 datiert werden kann. Kornwestheim besitzt damit nicht nur eine der ältesten archäologisch nachgewiesenen Sakralbauten in Südwestdeutschland, wir können darüber hinaus mit einiger Wahrscheinlichkeit im unter der Kirche bestatteten, etwa 40-jährigen Mann ein Mitglied der Kirchengründerfamilie identifizieren.
Um die Mitte des 8. Jahrhunderts wird die Holzkirche von einem ersten Steinbau abgelöst, einer Saalkirche mit Apsis. Über die nächsten Jahrhunderte folgen eine Reihe von Um- und Neubauten, bis hin zum spätgotischen Neubau im frühen 16. Jahrhundert, von dem noch Chor und Chorseitenturm erhalten sind. Im Zuge der abschließenden Auswertung werden neben der Baugeschichte der Kirche und der Bewertung der Bestattungen der Gründerzeit auch Fragen zu Siedlungsgeschichte, Christianisierung und Nobilifizierung im Frühmittelalter thematisiert.
Die Ergebnisse sind publiziert in: B. Scholkmann/S. Frommer, St. Martin in Kornwestheim. Archäologie und Geschichte einer Kirche. Forschungen und Berichte der Archäologie des Mittelalters in Baden-Württemberg 33 (Stuttgart 2012).