Als Schnittstelle theologischer, politischer und naturphilosophischer Diskurse fungierte der tote Körper in seiner semantischen Vielschichtigkeit als Experimentierfeld künstlerischer Praxis, die vielfach von programmatischen Grenzüberschreitungen bestimmt war. Die hinter der vormodernen Inszenierung des toten Körpers stehenden aisthetischen Konzepte oszillieren dabei zwischen Formen der medialen Erfassung menschlicher Überreste und der visuellen Evokation seiner somatischen Anwesenheit.
In Dichotomien und diskursiven Kodierungen erweist sich der Leichnam aufgrund seiner Medialität und Materialität als zentraler Träger kultureller Semantiken, die im Rahmen der Tagung konturiert werden sollen. Im Anschluss an aktuelle rezeptionsästhetische Ansätze und jüngere bildwissenschaftliche Forschungen, welche mit einem historisch-anthropologischen Interesse das Verhältnis von Bild, Körper und Repräsentation verfolgen, soll der Leichnam als erkenntnisstiftendes Anschauungsobjekt in seiner kulturellen Valenz untersucht werden. Die Tagung möchte in diesem Kontext anhand von Fallstudien nicht nur die künstlerischen Strategien der Visualisierung, Stellvertretung und Vergegenwärtigung herausarbeiten, sondern auch der reziproken Relation von realen und dargestellten menschlichen Leichnamen nachgehen. Die beschriebenen Aspekte verstehen sich dabei als Ausgangspunkt einer konzeptuellen Annäherung an die ästhetischen Dimensionen der Inszenierung des Leichnams als Aistheton in der Kunst der Vormoderne
Programm:
Freitag, 18. November 2016
14:00 Begrüßung und Einführung
14:15 Franca Buss (Hamburg)
Verschleierter Leichnam. Der Cristo velato in der Cappella Sansevero in Neapel
15:00 Kaffeepause
15:30 Anna Pawlak (Tübingen)
Verwesungsphantasmen. Der Tod als synästhetische Grenzerfahrung in Juan de Valdés Leals Hieroglyphen unserer letzten Tage
16:15 Daria Dittmeyer (Hamburg)
Tod, Translation, Wunder. Repräsentationen heiliger Leichname auf Altarretabeln des späten Mittelalters
Pause
18:00 Abendvortrag: Romedio Schmitz-Esser (Venedig)
Vom gegenwärtigen Leichnam zum Abbild? Gedanken zum Aufkommen des Makaberen in der Kunst des Mittelalters
Samstag, 19. November 2016
09:30 Fabian Kommoß (Potsdam)
In diesem Körper Buddha werden. Zum Verhältnis von Körper, Medium und Bild am Beispiel von mumifizierten Ikonen im Chan-Zen-Buddhismus
10:15 Dominik Sieber (Tübingen)
FUI, NON SUM: ES, NON ERIS“ – Spätmittelalterliche und frühneuzeitliche Transi-Grabmäler in Schwaben zwischen vorreformatorischer Frömmigkeit und konfessioneller Distinktion
11:00 Kaffeepause
11:30 Daniela Wagner (Tübingen)
Sollbruchstellen. Zur Wiederherstellung gewaltsam fragmentierter Körper im Bild
12:15 Robert Bauernfeind (Augsburg)
Zwischen Haien und Kannibalen. Géricaults Stilleben und der deformierte Leib als Alteritätszeichen
13:00 Mittagspause
14:00 Jörg Robert (Tübingen)
„In sich selbst vergraben“ - Leichenwissen und Leichenpoetik bei Andreas Gryphius
14:45 Angela Breidbach (Lüneburg)
„... doch ist es fraglich, ob diesen Leib je in Wahrheit einer gesehen hat.“ – Totenbild und Allegorie in W. G. Sebalds Die Ringe des Saturn
Abschlussdiskussion
Ort:
Kunsthistorisches Institut, Raum XI
Eberhard Karls Universität Tübingen
Bursagasse 1
72070 Tübingen
Flyer zur Tagung
Plakat zur Tagung