Department of Geosciences

15.08.2025

Fossilfund in Syrien: Unbekannte Meeresschildkröte entdeckt

Erste Neubeschreibung einer fossilen Wirbeltierart aus Syrien

Panzer: Syriemys lelunensis: Der Gattungsname vereint die griechischen Wörter Συρία (Suría) und ἐμύς (emús), also „Syrien“ und „Schildkröte“.

Nahe der syrischen Stadt Afrin hat ein internationales Forschungsteam, an dem auch Forschende des Senckenberg Centre for Human Evolution and Palaeoenvironment an der Universität Tübingen beteiligt sind, eine bislang unbekannte fossile Meeresschildkröte entdeckt. Die unter der Federführung der Universität in São Paulo neu benannte Art Syriemys lelunensis stammt aus dem frühen Eozän, der Zeit vor etwa 50 Millionen Jahren. Der Fund umfasst einen vollständig erhaltenen inneren Abdruck des Panzers sowie Teile des Bauchpanzers, des Beckens und der Hinterbeine. Die Schildkröte ist die erste Neubeschreibung einer fossilen Wirbeltierart aus Syrien.

Der ovale, gut erhaltene Panzer der fossilen Meeresschildkröte misst 53 Zentimeter in der Länge und ist 44 Zentimeter breit. „13 Jahre lang lagen die Knochenfragmente aus dem Eozän im Büro der Generaldirektion für Geologie und Mineralressourcen in Aleppo, nachdem sie 2010 bei einer Sprengung im Steinbruch Al-Zarefeh, nahe der Stadt Afrin, geborgen wurden“, erzählt die syrisch-brasilianische Paläontologin und Erstautorin der Studie Wafa Adel Alhalabi von der Universität in São Paulo, Brasilien, und fährt fort: „Gemeinsam mit Kolleginnen und Kollegen aus Brasilien, Syrien, Deutschland, dem Libanon und Kanada haben wir das Tier nun wissenschaftlich beschrieben.“

Altersbestimmung über winzige Gehäuse aus dem Gestein

Bei der als Syriemys lelunensis benannten Schildkröte handelt es sich um die bisher einzige Erstbeschreibung einer fossilen Wirbeltierart aus Syrien. Der Fund wurde außerdem als ältester Nachweis der Stereogenyini bestätigt – einer ausgestorbenen Linie der Halswender-Schildkröten, deren Ursprung somit um mehr als zehn Millionen Jahre zurückdatiert werden konnte. Die Sammlung umfasst einen vollständig erhaltenen Innenabdruck des Panzers, einige Bauchpanzerknochen, Beckenknochen und Hintergliedmaßen – einige davon im Abdruck eingeschlossen. Außerdem wurden winzige Foraminiferen aus dem Gestein extrahiert, das das Fossil umgab. „Diese gehäusetragenden Einzeller waren für die Altersbestimmung der fossilen Schildkröte entscheidend“, fügt Alhalabi hinzu.

„Heute gibt es in der Gruppe der Halswender-Schildkröten nur halbaquatisch lebende Süßwasserschildkröten. Die Stereogenyini bewohnten früher aber auch Salzwasserhabitate. Daher findet man deren Fossilien überall auf der Welt: in Südamerika, Nordamerika, der Karibik, Afrika, Ostasien“, erläutert Dr. Gabriel S. Ferreira vom Senckenberg Centre for Human Evolution and Palaeoenvironment an der Universität Tübingen. Das heutige Syrien lag während der gesamten Kreidezeit und bis zum späten Miozän unter Wasser, also von 145 bis etwa 5,3 Millionen Jahren. Angesichts dieser langen marinen Vergangenheit ist es für Ferreira keine große Überraschung, dass dort eine Meeresschildkröte gefunden wurde. „Mit dem Fund von Syriemys lelunensis wird nun aber ein neuer geografischer Punkt in der Verbreitung der Stereogenyini hinzugefügt – und es gibt deutliche Hinweise auf einen möglichen Ursprung dieser Schildkrötengruppe im Mittelmeerraum.“

Komplexe politische Situation

„Die derzeitige Situation in Syrien ist äußerst kompliziert, und angesichts der dortigen Tragödien erscheint es fast unwirklich, über Fossilien zu sprechen. Doch zugleich zeigt die Veröffentlichung des Funds das Potenzial des Landes und dass die Wissenschaft dort noch lebt“, betont Professor Max Langer, Letztautor der Studie und Leiter des PaleoLabs an der brasilianischen Universität.

Das Forschungsteam plant, seine Arbeit in einer Artikelreihe mit dem Titel „Recovering lost time in Syria“ („Auf der Suche nach vergangener Zeit in Syrien“) fortzusetzen. Die Reihe basiert auf Materialien, die Alhalabi persönlich vor Ort gesehen und fotografisch dokumentiert hat. „Der Titel soll nicht nur auf die geologische Vergangenheit des Lands hinweisen, sondern auch auf die Zeit, in der die Wissenschaft in Syrien stillstand“, schließt Ferreira. 

Publikation:

Alhalabi, W.A., Martucci Neto, D.J., Ferreira, G.S., Bou Jaoude, I., Naser, H.M., Ayoub, J., Abboud, L., Shati, R., Koutsoukos, E.A.M. and Langer, M.C. (2025), Recovering lost time in Syria: a new Eocene stereogenyin turtle from the Aleppo Plateau. Pap Palaeontol, 11: e70026. https://doi.org/10.1002/spp2.70026 

Pressemitteilung der Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung und der Universität Tübingen

Kontakt

Dr. Gabriel S. Ferreira
Senckenberg Centre for Human Evolution and Palaeoenvironment (SHEP) an der Universität Tübingen
Telefon +49 7071 29-77594
gabriel.ferreiraspam prevention@senckenberg.de

Judith Jördens
Pressestelle
Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung
Telefon +49 69 7542 1434
pressestellespam prevention@senckenberg.de

 

Pressekontakt:

Eberhard Karls Universität Tübingen
Hochschulkommunikation
Christfried Dornis
Leitung

Michael Pfeiffer
Pressereferent
Telefon +49 7071 29-76782
michael.pfeifferspam prevention@uni-tuebingen.de

Alle Pressemitteilungen der Universität Tübingen

Back