24.03.2020
Vor 47 Millionen Jahren schrumpften kleine Pferde, große Tapire legten noch zu
Wissenschaftler gewinnen anhand von Fossilien aus dem Geiseltal bei Halle Einblick in die Evolution der frühen Säugetiere
Im früheren Braunkohleabbaugebiet im Geiseltal westlich von Merseburg in Sachsen-Anhalt wurde im vergangenen Jahrhundert eine riesige Zahl außergewöhnlich gut erhaltener Tierfossilien geborgen. Sie geben der Paläontologie einen einzigartigen Einblick in die Evolution der Säugetiere vor 47 Millionen Jahren. In dieser Zeit, dem Mittleren Eozän, war das Erdklima viel wärmer als heute und das Gebiet ein morastiger subtropischer Wald, zu dessen Bewohnern Urpferde, frühe Tapire, große landlebende Krokodile sowie Riesenschildkröten, Eidechsen und bodenlebende Vögel gehörten. Die Funde aus dem Geiseltal sind so zahlreich und umfassend, dass sie Forschern ein Bild der Evolutionsdynamik bis auf die Ebene von Tierpopulationen mit bisher unerreichter Detailgenauigkeit geben.
Ein Forschungsteam unter der Leitung von Dr. Márton Rabi von der Universität Tübingen und der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg (MLU) hat entdeckt, dass die Körpergröße zweier Säugetierarten sich in gegensätzliche Richtungen entwickelte. Die Studie, die in der Fachzeitschrift Scientific Reports veröffentlicht wurde, ist in Zusammenarbeit mit Simon Ring und Professor Hervé Bocherens vom Senckenberg Centre for Human Evolution and Palaeoenvironment und der Universität Tübingen sowie mit Dr. Oliver Wings von der MLU entstanden.
„Am Anfang haben wir uns vor allem für die Evolution der Urpferde interessiert, die ungefähr die Größe eines Labradors hatten. Von ihnen gibt es besonders viele unter den Geiseltal-Fossilien“, sagt Rabi. Die Forscher gingen zunächst davon aus, dass es dort mehrere Arten früher Pferde gegeben hat. „Wir stellten jedoch fest, dass es sich im Geiseltal nur um eine einzige Art handelt, deren Körpergröße mit der Zeit deutlich abnahm“, erklärt Rabi. Das Forschungsteam wollte wissen, ob diese Veränderung durch das Klima ausgelöst worden sein könnte, da frühere globale Warmphasen zu einer Reduktion der Körpergröße bei frühen Säugetieren geführt hatten.
Informationen über das lokale Klima im Mittleren Eozän des Geiseltals erhielten die Forscher über Kohlenstoff- und Sauerstoff-Isotopen-Untersuchungen an fossilen Zähnen. „Sie deuten auf ein feuchtes Tropenklima hin. Wir fanden jedoch keine Hinweise auf Klimaänderungen im Geiseltal im untersuchten Zeitraum“, sagt Bocherens. Um ihre Ergebnisse weiter zu erhärten, versuchte das Team herauszubekommen, ob der Schrumpfungsprozess nur bei Pferden auftrat. Zum Vergleich untersuchten sie die Evolution früher Tapire der Gattung Lophiodon. „Wir hatten Anhaltspunkte, die gleichbleibenden Klimadaten in Frage zu stellen; daher erwarteten wir, dass andere Säugetiere die gleichen Trends bei der Entwicklung der Körpergröße zeigen würden wie die Pferde“, erklärt Simon Ring. Doch erstaunlicherweise hätten die Ergebnisse bei den Tapiren, bei denen es sich ebenfalls nur um eine Art handelt, einen gegensätzlichen Trend aufgewiesen. Sie wurden größer, statt zu schrumpfen. Während die Vorfahren der Pferde ihr durchschnittliches Körpergewicht innerhalb von einer Million Jahren von 39 Kilogramm auf rund 26 Kilo verringerten, legten die Tapire im gleichen Zeitraum von durchschnittlich 124 Kilo Körpergewicht auf 223 Kilo zu.
Kontakt:
Prof. Dr. Hervé Bocherens
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Fachbereich Geowissenschaften – Paläobiologie
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