Institute of Modern History

Leonard Bernstein - der Charismatiker

Die Biographie beleuchtet Leonard Bernstein im globalen Musikbetrieb des 20. Jahrhunderts. Untersucht werden Leonard Bernsteins emotionale Praktiken als Dirigent, sein wirtschaftlicher Erfolg auf den Schallplattenmärkten, seine Arbeit als Komponist, sowie seine Präsenz auf den Konzertbühnen, Fernsehschirmen und Schulbüchern weltweit. Bernstein war ein Charismatiker – und er wusste es. Was immer seine Anhänger diesem auch wunderbares zuschrieben – Bernstein machte sich selbst zum Mythos. Er verkörperte den Idealtypus eines emotionalen, amerikanischen Dirigenten. Er nutzte seine eigene Emotionalität, um seine Musik zu verkaufen. Seine Fernsehserie („Young people’s concerts“) zielte darauf Jugendliche für die klassische Musik und für den kulturellen Transfer zu sensibilisieren. Er präsentierte sich als ein Vermittler, der Intellekt und Leidenschaften vereinte. Nicht nur das: Inwieweit Musikgeschichte zur politischen Herausforderung werden konnte, zeigt Bernsteins Engagement im Wahlkampf der Demokraten und der Bürgerrechtsbewegung einerseits und seine Überwachung durch das FBI andererseits.

Seine auffälligen Inszenierungen werfen die Frage auf, ob bei ihm typisch US-amerikanische Lebensstile und Emotionen zu entdecken sind. In seinen Kompositionen griff er verstärkt auf Genres und Stile des US-amerikanischen Musiklebens seiner Zeit zurück (Jazz, Latin, Musical). Der Blick wird gelenkt auf die kulturelle Vielfalt von New York, und insgesamt argumentiert, dass seine Geschmäcker und Verkaufsstrategien sich in die Entwicklung der Popkultur seit den 1940er Jahren in den USA eingliederten. Insgesamt lassen sich die Beziehungen der Akteure im Musikleben zueinander als eine Kette der Kommunikation zu verstehen. Erkennbar werden die sozialen, politischen und ökonomischen Abhängigkeiten zwischen Bernstein, den Medien, den Auftraggebern und seinem Publikum. Wichtig ist es dabei, nicht mit einem traditionellen Sender-Empfänger-Modell zu arbeiten, also zu glauben, dass einer der Akteure handelt (etwa Bernstein) und der Hörer lediglich der abhängige Konsument wäre. Vielversprechender ist die Annahme, dass alle Glieder in dieser Kommunikationskette einander bedürfen. Medienstars wie Bernsteins relativierten die herkömmliche Trennung von Komposition, Aufführung und Rezeption. Der Blick richtet sich auf seine Fähigkeit, zwischen Musik und Gesellschaft, zwischen Kommerz und Komposition zu vermitteln.