International Center for Ethics in the Sciences and Humanities (IZEW)

Ethische Aspekte einer zukunftsfähigen Wasserversorgung in Deutschland

Deutschland wird gemeinhin als wasserreiches Land beschrieben. Die in den vergangenen Jahren auch in Deutschland spürbar werdenden Auswirkungen des Klimawandels machen aber nun deutlich, dass Wasser auch hier zukünftig zu einem knappen Gut werden könnte. Dies gilt insbesondere mit Blick auf die Sommermonate in denen durch die Kombination aus einem hitzebedingt steigenden Bedarf und einer gleichzeitig sinkenden Verfügbarkeit ein Missverhältnis zwischen Wasserdargebot (Menge an vorhandenem Oberflächen- und Grundwasser) und Wasserentnahme entstehen kann. In diesem Bewusstsein hat die Bundesregierung 2023 eine nationale Wasserstrategie verabschiedet, die wichtige Handlungsbedarfe für die Zukunft auszeichnet und zehn strategische Themen setzt.

Eines der Ziele ist die klimaangepasste Weiterentwicklung der Wasserinfrastrukturen (z. B. Pumpen, Leitungssystem und Steuerbarkeit), dem sich seit Oktober 2022 auch das vom BMBF-geförderte Projekt aKtIv (agile Netzsteuerung zur Erhöhung der Resilienz der kritischen Infrastruktur Wasserversorgung) zuwendet. Im Rahmen des Projekts werden Ansätze identifiziert, reflektiert und entwickelt, wie die Wasserversorgung in Deutschland zukunftsfähig gestaltet werden könnte. Zentrale Ziele sind hierbei die bestmögliche Vermeidung von Wassermangellagen sowie die Formulierung von weiterführenden Empfehlungen, die bei der Bewältigung von Mangellagen genutzt werden können. Das IZEW bringt wertbezogene Fragestellungen der Technikfolgenabschätzung sowie der sozialen Gerechtigkeit ins Projekt ein.

Das Projekt verfolgt dabei einen sozio-technischen Ansatz. Einerseits sollen technische Maßnahmen eruiert werden, um die aktuelle Wasserversorgungsinfrastruktur weiterzuentwickeln. Im Kern geht es hier um die Entwicklung eines digitalen Zwillings des Versorgungssystems. Dieser soll nicht nur dabei helfen Effizienzpotentiale im System zu identifizieren, sondern im späteren Einsatz auch die Optimierung von Steuerungsentscheidungen befördern. So könnten z. B. Simulationen erstellt werden, die Auskunft darüber geben, welche Implikationen bestimmte Entscheidungen haben. Geprüft wird hierbei auch der Einsatz von Künstlicher Intelligenz, die helfen soll, die großen Datenmenge aus Dargebots- und Verbrauchsdaten zu verarbeiten und für spätere Steuerungsentscheidungen aufzubereiten. Das IZEW unterstützt diese Arbeiten durch technikethische Analysen, etwa zum Einsatz von Einbau zusätzlicher Sensoren und  Steuermöglichkeiten im Wassernetzs sowie zu einem möglichen Einsatz von KI.

Andererseits haben soziale, wirtschaftliche, rechtliche und ethische Erwägungen im Projekt eine zentrale Rolle. Im Zuge und/oder parallel zur technischen Beeinflussung des Wasserverbrauchs gibt es auch auf politischer Ebene Maßnahmen, um die Wasserentnahme zu reduzieren. Zu nennen sind hier die Weiterentwicklung von Bildungsangeboten zum Thema Wassernutzung, Appelle, Preisanpassungen, Nutzungsbeschränkungen und Sanktionierungen. Sie sollen im Rahmen des Projekts auf die zu erwartende Wirksamkeit, die Eingriffstiefe, die Einsatzbereiche sowie mögliche (soziale) Implikationen hin untersucht werden. Übergeordnetes Ziel ist auch hier die Vermeidung eines Mangels und damit einhergehend unter Umständen nötig werdenden Priorisierungsentscheidungen; auch für letztere sollen Empfehlungen erarbeitet werden. Eine wichtige Rolle spielen hierbei Fragen sozialer Gerechtigkeit mit Blick auf Wasser als nicht ersatzbare Voraussetzung für das Überleben im Alltag und insbesondere in Mangellagen (z. B. aufgrund von Hitze).

Beide Perspektiven, die technische und die gesellschaftliche, sind im Projekt eng verwoben. Etwa in den Spannungsfeldern zwischen Wasser sparen und Wasserqualität sicherstellen einerseits und zwischen Wassersparen und Erhaltung der Systemfunktion andererseits. Denn Wassersparen kann – ironischer Weise – dem System schaden und hat technische Grenzen. Denn das Wasserversorgungssystem benötigt Mindestdrücke und -durchlaufmengen, um die Bildung von schädlichen Mikroorganismen zu verhindern und die Versorgung aller Kund*innen zu gewährleisten. Ein geringerer Verbrauch seitens der Kund*innen kann daher dazu führen, das es notwendig wird Rohre zu spülen, was wiederum einen Wasserverbrauch darstellt. Eine Anpassung des Leitungssystem ist daher auch in diesem Sinne nötig. In diesem Sinne gilt es im Projekt Schritte zu entwickeln, die ein gelingendes Zusammenspiel von Suffizienz, Effizienz und Konsistenz ermöglichen und weiteres Wassersparen auch technisch zu ermöglichen.

Friedrich Gabel und Jonathan Lübke