Teilprojekt G04: End of Empire. Re-ordering in Australien, Neuseeland und Kanada, 1960-1980
Abstract
Das Teilprojekt fragt nach den Folgen, die der Rückzug Großbritanniens aus seinem Empire für die Siedlerkolonien Australien, Neuseeland und Kanada in den 1960er und 1970er Jahren hatte. Das Projekt gliedert sich in drei parallel geführte Teiluntersuchungen, die Bedrohungsdiskurse in den drei Ländern vergleichend bearbeiten. Dabei nehmen die einzelnen Projekte unterschiedliche Perspektiven ein: Behandelt werden die ökonomische, die außenpolitische und die geschichtskulturelle Ebene.
Projektteam
Projektleitung:
Prof. Dr. Ewald Frie
Mitarbeiter/innen:
Maike Hausen
Clara-Maria Seltmann
Sebastian Koch
Hilfskräfte:
Miriam Heinle
Fachgebiete und Arbeitsrichtung
Neuere Geschichte
Projektbeschreibung
Bedingt durch Ereignisse wie die Suez-Krise 1956 und die britischen Beitrittsverhandlungen zur Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWG) Anfang der 1960er Jahre geriet das koloniale Selbstverständnis, Teil einer Gemeinschaft britischer Völker zu sein, in Australien, Neuseeland und Kanada ins Wanken. Bisher als gesichert geglaubte Bezugspunkte der jeweiligen nationalen Identität der Siedlerkolonien gerieten darüber ebenso in die Krise wie institutionelle, politisch-strategische und kulturelle Anbindungen an Großbritannien. In allen Siedlerkolonien finden wir daher in den 1960er und 1970er Jahren intensive Bedrohungsdiskurse, die die bisherige Ordnung gefährdet sahen und nach neuer Orientierung suchten. Das Teilprojekt will die zentrale Bedeutung der Dekolonisierung in den 1960er und 1970er Jahren für die Nationsbildung und das Selbstbild in den Siedlerkolonien nachweisen. Dabei soll die Offenheit und Dynamik des re-ordering betont werden, das für die männlichen weißen Eliten in den Kolonien bedrohlich war, für andere Gruppen (Indigene, Migranten) aber auch große Chancen bot. Mit dem transnationalen Ansatz werden die Entwicklungen in den drei Siedlerkolonien aufeinander bezogen und Transfers und Vernetzungen sichtbar gemacht werden, wie es jüngst in der Empire-Forschung gefordert wurde. So werden neue Erkenntnisse für die Historiographie der Siedlerkolonien, aber auch für die internationale Zeitgeschichte gewonnen.
Lodge, Nevile Sidney 1918-1989: Two-way trade promotion. Permission of the Alexander Turnbull Library, Wellington, New Zealand, must be obtained before any reuse of this image. Reference Number: B-134-106 |
Das Teilprojekt umfasst drei Teiluntersuchungen:
1. Die ökonomische Ordnung
Bearbeiterin: Clara-Maria Seltmann
Die Teiluntersuchung thematisiert – ausgehend von Quellenbeständen in zentralen Archiven und meinungsführenden Publikationsorganen der ehemaligen Siedlerkolonien – Bedrohungsdiskurse und politisches Handeln im Zusammenhang mit den britischen Beitrittsverhandlungen zur EWG in den 1960er und Anfang der 1970er Jahre. Sie fragt, wie politische und journalistische Akteure die Ordnung der jeweils eigenen Ökonomie reflektierten, welche Konsequenzen sie als Folgen des britischen EWG-Beitritts befürchteten und welche Neuordnungskonzeptionen sie erwogen und durchzusetzen suchten. Das Projekt untersucht kulturgeschichtliche Aspekte der Ökonomie aus der Dynamik der Situation heraus und vergleicht die Entwicklungen aus der Perspektive der Siedlerkolonien.
2. Die außenpolitische Ordnung
Bearbeiterin: Maike Hausen
Die Teiluntersuchung beschäftigt sich anhand von Quellenbeständen der Außenministerien und meinungsführender Publikationsorgane mit Debatten über die Neuordnung der Außenpolitik in den Siedlerkolonien, die durch die Auflösung strategischer und institutioneller, außenpolitischer Verflechtungen zwischen der Metropole und den Kolonien auftraten. Im Zentrum steht die Verortung der neu zu definierenden siedlerkolonialen Nation in der jeweiligen postkolonialen Region. Die Untersuchung fragt, wie politische und journalistische Akteure den geopolitischen Raum beschrieben, in dem ihre junge Nation situiert war, und wie sie die Nation nach dem Verlust des britischen Mutterlandes im Raum neu zu verorten suchten. Das Projekt untersucht die Außenpolitik aus der zukunftsoffenen Situation heraus und vergleicht die Entwicklungen aus der Perspektive der Siedlerkolonien.
3. Die geschichtskulturelle Ordnung
Die Teiluntersuchung analysiert die geschichtskulturellen und geschichtswissenschaftlichen Diskurse rund um Entwürfe einer national orientierten, historisch definierten Identität. Ausgehend von universitären Archiven fragt sie nach Bedrohungsdiskursen, die sich aus dem Zusammenbruch der kulturpolitischen Verbindungen zwischen dem britischen Empire und den Siedlerkolonien ergaben. Mit diesen Diskursen verknüpften sich, so die Hypothese dieser Untersuchung, neue nationale Ausbildungswege, Erfahrungsräume und bald auch nationale Geschichtsentwürfe, die die Orientierung für die Zukunft aus einer Neuordnung der Geschichte vor dem Hintergrund sich regionalisierender Lebenserfahrungen ermöglichen sollte.
Projektbezogene Vorträge und Publikationen
Folgen
Tagungen, Workshops, Konferenzen
- 25-26.02.2016: „End of Empire“ – Re-Ordering in Australia, New Zealand and Canada, 1960-1980
- 10-12.10.2018: „End of Empire“ – The British World after 1945 (Tübingen)
Frie, Ewald
- "Bedrohte Ordnungen" als Thema der Kulturwissenschaften. Zwölf Thesen zur Begründung eines Forschungsbereichs, in: Journal of Modern European History 15 (2017), H. 1, S. 5-15 (gemeinsam mit Boris Nieswand).
- "Bedrohte Ordnungen" als Thema der Kulturwissenschaften. Antwort auf die Kommentare von Ute Daniel, Bernhard Linke, Martin Schmid und Andreas Ziemann, in: Journal of Modern European History 15 (2017), H. 1, S. 31-35 (gemeinsam mit Boris Nieswand).