Baden-Württemberg erzählt - Kulturwissenschaft und Sprachwissenschaft im Dialog
| Gefördert von: | Ministerium für Ernährung, Ländlichen Raum und Verbraucherschutz Baden-Württemberg (MLR) |
| Projektleitung: | apl. Prof. Dr. Hubert Klausmann |
| Wiss. Projektmitarbeiterinnen: | |
| Projektlaufzeit: | 05/2024 - 01/2025 |
Die einzelnen Podcast-Folgen werden in Kürze auf den gängigen Plattformen (Spotify, Apple Music, Amazon Music, Deezer) zur Verfügung gestellt.
Projektbeschreibung
Das vom Ministerium für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz Baden-Württemberg geförderte Projekt „DialektLand BW“ – Eine Zeitreise zum Strukturwandel im ländlichen Raum“ beleuchtet den umfassenden Wandel ländlicher Regionen aus sprach- und kulturwissenschaftlicher Perspektive.
Die Kulturwissenschaftlerin Valeska Flor und die Sprachwissenschaftlerin Julia Braun, Mitarbeiterinnen des Ludwig-Uhland-Instituts für Empirische Kulturwissenschaft der Universität Tübingen, gehen in ihrem Podcast der Frage nach, wie sich der ländliche Raum Baden-Württembergs in den vergangenen Jahrzehnten verändert hat und wie Sprache und Kultur in diesem Zusammenhang gelesen werden können. Im Mittelpunkt stehen historische Tonaufnahmen aus dem Arno-Ruoff-Archiv, die Erzählungen von Menschen aus ländlichen Regionen dokumentieren. Die Berichte geben Einblicke in frühere Lebens- und Arbeitswelten, die Herausforderungen und Chancen des Strukturwandels sowie die Entwicklung regionaler Dialekte.
In den verschiedenen Folgen kommen außerdem Expertinnen und Experten zu Wort, um Themen wie Flucht und Vertreibung, Migration, Vorurteile und Fragen von Identität im ländlichen Raum zu diskutieren.
Der Podcast „Baden-Württemberg erzählt“ bietet eine wissenschaftliche Auseinandersetzung mit den Dynamiken sprachlicher und kultureller Veränderungen im ländlichen Raum Baden-Württembergs und gibt einen hörbaren Eindruck baden-württembergischer Sprach- und Kulturgeschichte der Vergangenheit.
Folge 1: Einführung
Im Mittelpunkt der Einführungsfolge steht eine historische Tonbandaufnahme einer 1899 geborenen Bäuerin aus Oberbergen. Davon ausgehend zeigen Valeska Flor und Julia Braun, wie man aus verschiedenen Perspektiven auf diese Aufnahme schauen kann. Kulturwissenschaftliches Interesse besteht hier beispielsweise an gesellschaftlichen Veränderungen, die sich im Alltag, in der Arbeitswelt und der Mobilität im ländlichen Raum zeigen. Auf der anderen Seite dient die Aufnahme auch als Paradebeispiel für einen alemannischen Basisdialekt, der deutliche Spuren aus dem Mittelhochdeutschen aufweist.
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Speaker1: [00:00:10] Herzlich willkommen zu unserer ersten Folge von Baden-Württemberg erzählt, dem Podcast der Arbeitsstelle Sprache in Südwestdeutschland des Ludwig-Uhland-Instituts hier in Tübingen. Mein Name ist Valeska Flor und ich arbeite hier als Kulturwissenschaftlerin. Bei mir sitzt meine Kollegin Julia Braun, die Sprachwissenschaftlerin in der Arbeitsstelle. Hallo Julia, schön, dass du da bist.
Speaker2: [00:00:30] Hallo Valeska, ich freue mich, dass wir heute über ganz grundsätzliche Themen sprechen, die im Podcast immer wieder auftauchen werden. Im Podcast geht es nämlich um den ländlichen Raum in Baden Württemberg und den schauen wir uns aus verschiedenen Perspektiven an du aus kulturwissenschaftlicher und ich aus sprachwissenschaftlicher Perspektive.
Speaker1: [00:00:50] Ganz genau. Und dabei wird es uns um ganz unterschiedliche Themen gehen, um Sprache und im Speziellen um Dialekt, um Stereotype, um Wandlungsprozesse in der Arbeit und Freizeit um Migration und Flucht, um Themen also, die unseren Alltag betreffen und auch, wie sie sich zu dem entwickelt haben, was sie heute sind bzw. wie sich unsere Ansichten auf die Themen entwickelt haben und weiterhin entwickeln. Besonders spannend finde ich dabei, wie sich diese Aspekte in einem ländlichen Kontext verorten lassen.
Speaker2: [00:01:22] Und damit das Ganze anschaulich bleibt, werden wir zum einen Gäste einladen, mit denen wir über diese Themen sprechen. Das wird ab der nächsten Folge dann der Fall sein. Und zum anderen werden wir Hörbeispiele aus unserem Arno-Ruoff-Archiv anhören. Arno Ruoff, das war ein Sprachwissenschaftler, der sich intensiv mit der Sprache und Kultur des ländlichen Raums beschäftigt hat. In unserem Archiv finden sich viele interessante Aufnahmen aus verschiedenen ländlichen Gegenden in Südwestdeutschland. Man hat damals sozusagen mit neuester Tontechnik untersucht, wie die gesprochene Sprache in Baden Württemberg funktioniert. Und die hat man dann eben auch aufgenommen. Das Ergebnis sind zahlreiche Tonbandaufnahmen, in denen Männer, Frauen und Kinder in ihrem jeweiligen Ortsdialekt aus ihrem Alltag erzählen. Diese Aufnahmen wurden ab den 1950er und 60er Jahren durchgeführt und enthalten mitunter Zeugnisse von Menschen, die noch im 19. Jahrhundert geboren sind. Wir werden gleich zusammen in so eine Aufnahme reinhören und dabei wird klar: Unsere Kultur hat sich seitdem verändert und auch unsere Sprache ist anders geworden.
Speaker1: [00:02:33] Bevor wir zur Aufnahme kommen, möchte ich kurz etwas Grundlegendes über den ländlichen Raum sagen. Begriffe wie ländlicher Raum oder Ländlichkeit sind in den letzten Jahren wieder stärker in den Blick der Forschung geraten. Und das ist egal in welcher Disziplin. Sie stehen, oft für ein Alltagsverständnis, des einerseits nostalgisch geprägt ist, ein Leben im Einklang mit der Natur, fern von städtischer Hektik und andererseits von Erzählungen über schlechten ÖPNV, schlechter Versorgung, generell weiter Wege. Doch diese Imaginationen, wie wir sie in der Forschung Kulturwissenschaft nennen, sind nicht immer deckungsgleich mit der Realität.
Speaker2: [00:03:09] Das klingt spannend. Meinst du dann damit, dass der ländliche Raum irgendwie sowas in unseren Köpfen ist? So eine Art Konstrukt?
Speaker1: [00:03:17] Ja, genau. Diese Bilder sind historisch geprägt und darüber hinaus von einem urbanen Blick beeinflusst. Sie romantisieren oft den ländlichen Lebensstil, während die Herausforderungen wie Landflucht, fehlende Infrastruktur oder der Strukturwandel eher im Hintergrund bleiben oder eben als sehr negative Geschichten. Gleichzeitig beobachten wir, wie der ländliche Raum durch Globalisierungsprozesse und Mobilitäten beeinflusst wird. Wichtig ist zu sagen, dass eben Stadt-Land nicht ultimativ gegeneinanderstehen, sondern dass da auch die Grenzen fließend sind, aber dass es eben bestimmte Ideen über diese Räume gibt.
Speaker2: [00:03:57] Ja, dann würde ich sagen, lass uns doch gleich mal in so eine Aufnahme reinhören, wo wir auch Beispiele für diese Veränderungsprozesse entdecken. Die Aufnahme, die wir ausgesucht haben, die stammt von einer 70-jährigen Bäuerin und Winzerin, die im Jahr 1899 geboren ist. Sie kommt aus Oberbergen, einem heutigen Ortsteil von Vogtsburg im Kaiserstuhl. Und in der Aufnahme erinnert sie sich an ihre Jugend.
Speaker3: [00:04:28] Ja, und so, am Feierabend, in ihrer Jugend. Was hat man da gemacht? Ist man da reingefahren?
Speaker4: [00:04:33] Oh je, oh je, Oh je. Stadt.
Speaker3: [00:04:37] Das hat man das gar nicht gekannt.
Speaker4: [00:04:39] Ja man hat ja keine Autos gehabt. Kein Radio, kein Fernsehen, nicht. Stricken haben wir als müssen bis nachts um zehn. Früher haben wir alles selber gestrickt. Ich bin in einer Stelle gewesen. Ich habe als zu Nacht im Bett Strümpfe gestrickt. Für mich, finster, was ich grad gut hab können stricken. Und keinen und keinen freien Tag. Am Sonntag haben wir müssen hinsitzen und unser Sach flicken, die Dienstboten. Jetzt gibt es ja keine Dienstboten mehr, nicht. Gibt keine Magd und keinen Knecht mehr. Und das hat es früher halt gegeben. Oje, jetzt haben es die Leute schön, die Jungen gegen uns.
Speaker1: [00:05:29] Zwischen der Jugendzeit der gerade gehörten Bäuerin Anfang des 20. Jahrhunderts und dem Zeitpunkt des Interviews liegen knapp 60 Jahre. In diesem Zeitraum veränderte sich die ländliche Lebenswelt tiefgreifend. Nicht nur die landwirtschaftliche Arbeit wandelte sich grundlegend. Mit den technischen Entwicklungen und infrastrukturellen Neuerungen dieser Zeit ging ein umfassender kultureller Wandel einher, der das Alltagsleben der Menschen im ländlichen Raum nachhaltig prägte. Die Stimmen aus dem Archiv erzählen von diesem Wandel. Die Befragten beschreiben persönliche Erlebnisse, kleine alltägliche Begebenheiten, die stark subjektiv geprägt sind. Der individuelle Alltag zeigt sich dabei als eng verwoben mit den großen Umbrüchen der Zeit.
Speaker2: [00:06:13] Dann lass uns doch gerne da noch mal einen gemeinsamen Blick auf diesen Wandel werfen. Du aus kulturwissenschaftlicher und ich aus sprachwissenschaftlicher Sicht.
Speaker1: [00:06:22] Okay, ich als Kulturwissenschaftlerin wird da direkt mal mit der Erzählung an sich anfangen. Wenn wir uns eben diese Erzählung der Bäuerinnen anhören, erkennen wir, wie stark sich der Alltag im ländlichen Raum innerhalb weniger Jahrzehnte verändert hat. Ihre Erinnerungen spiegeln eine Zeit wider, in der harte körperliche Arbeit und Selbstversorgung den Tagesablauf bestimmten. Das Stricken und Flicken von Kleidung, wie sie es beschreibt, war nicht nur eine Notwendigkeit, sondern auch Ausdruck einer Lebensweise, die von Autarkie und Handarbeit geprägt war. Was besonders auffällt, ist das Verschwinden von Dienstboten. Mägde und Knechte, die früher einen festen Platz in den sozialen Strukturen hatten. Das zeigt, wie sich Arbeitsverhältnisse und soziale Hierarchien durch Industrialisierung und Modernisierung auflösen. Heute sind solche Arbeitsmodelle fast völlig verschwunden. Interessant ist auch die Distanz, die sie zur Stadt beschreibt. Das Oh je, oh je zeigt, wie stark das Landleben und das Stadtleben als getrennte Welten erfahren wurden. Zumindest von einer spezifischen Gruppe, die eben ländlich lebte. Diese Trennung hat durch die Mobilität und moderne Technik wie das Auto oder auch die Massenmedien stark verändert. Was mich an Ihrer Erzählung besonders interessiert, ist, wie sie den Wandel bewertet und reflektiert. Sie zieht einen Vergleich zwischen ihrer Jugend und der Gegenwart und sieht in den heutigen Möglichkeiten eine Art Erleichterung. Zumindest wirkt das so oder würde ich als Kulturwissenschaftlerin in der Form interpretieren. Eine Perspektive, die uns daran erinnert, dass kultureller Wandel immer auch individuelle Geschichten und Emotionen mit sich bringt. Diese Stimmen aus dem Archiv geben uns nicht nur Einblicke in eine vergangene Zeit, sondern lassen uns auch verstehen, wie sich unser heutiges Verständnis von Arbeit, Gemeinschaft und Identität entwickelt hat.
Speaker2: [00:08:23] Wow. Okay, also da habe ich tatsächlich gar nicht so richtig drauf geachtet, weil ich so eine ganz andere Perspektive darauf habe. Also es ist vielleicht auch ein Problem, wenn man als Sprachwissenschaftlerin arbeitet, dass man dann oft darauf hört, wie was ausgesprochen wird, welche Grammatik verwendet wird und es gar nicht so sehr um den Inhalt manchmal geht. Also ich war jetzt eher damit beschäftigt, den Dialekt zu verorten, den man da gehört hat. Und man erkennt da auch ganz gut an einigen Punkten, dass es sich um einen alemannischen Dialekt handelt. Und genau, ich wollte auch gleich noch was zu den Dienstboten sagen, aber lass mich mal ganz kurz ausholen, wenn es um die Dialekte geht. Was viele Menschen nämlich gar nicht wissen, ist, dass die Dialekte, die wir in Baden-Württemberg kennen, keine schlechten Formen des Deutschen sind. Die Dialekte sind schon viel älter als die Standardsprache. Genau genommen kommen die Dialekte nämlich aus dem Mittelhochdeutschen, also die Sprache, in der auch das Nibelungenlied zum Beispiel geschrieben ist. Und beim alemannischen Dialekt kann man das ganz gut daran erkennen, dass viele mittelhochdeutschen Laute sich gar nicht verändert haben. Zum Beispiel wurde das Wort für Haus im Mittelhochdeutschen mit einem langen u ausgesprochen, und so ist es auch heute im Alemannischen noch. Da sagt man nämlich auch Huus. Und so einen langen Vokal finden wir auch im Pendant für gewesen. Im Alemannischen sagt man hier nämlich gsi, also mit einem langen i. Und das gab es auch schon im Mittelhochdeutschen, da hieß das Wort im Ganzen nur ein bisschen anders. Da war das Gesin aber auch mit diesem langen n, was sich eben bis heute erhalten hat. Und auch in der Art und Weise, wie die Bäuerin das Wort Dienstbote ausspricht, kann man erkennen, dass der Dialekt aus dem Mittelhochdeutschen kommt. Wir hören da gerade noch mal rein.
Speaker4: [00:10:15] Dienstboten. Jetzt gibt es ja keine Dienstboten mehr, nicht.
Speaker2: [00:10:20] Spannend ist hier: Sie sagt nicht Dienstbote mit einem langen i, sondern Dienstbote. Also i+e, diese zwei Laute, das nennt man auch einen Diphthong. Und genau so hätte das auch ein Mensch aus dem Mittelalter ausgesprochen. Da waren nämlich nicht so ein. Also das e war da kein Dehnungszeichen, wie es heute bei uns, sondern diese zwei Laute wurden getrennt voneinander ausgesprochen, so wie sie es in der Aufnahme eben jetzt auch noch tut. Und in den Dialekten haben sich eben solche alten Formen bis heute bewahrt.
Speaker1: [00:10:54] Okay, das ist wirklich faszinierend, wie sich diese Sprachform in den Dialekten bis heute erhalten haben, vor allen Dingen relativ neu, auch für mich. Und genau solche sprachlichen Eigenheiten machen die Erzählungen aus dem Archiv nicht nur historisch interessant oder sprachwissenschaftlich interessant, sondern sie zeigen uns auch, wie tief die Sprache in unserer Lebenswelt und Kultur verknüpft ist. Ich freue mich darauf, in den nächsten Episoden mehr zu erfahren und mit dir zu besprechen. Aber für heute lassen wir es erst einmal dabei. Ich hoffe, unsere Zuhörerinnen haben einen guten ersten Eindruck vom Thema bekommen. Wenn ihr Fragen habt oder mehr über bestimmte Aspekte wissen wollt, schreibt uns gerne. Wir sind gespannt auf euer Feedback.
Speaker2: [00:11:32] Ja, danke, dass ihr heute mit uns in diese spannende Thematik eingetaucht seid. Wir freuen uns auf die nächste Folge und wir werden euch der Podcast gefallen hat. Dann lasst uns doch eine Bewertung da und erzählt natürlich auch allen anderen davon, die an der Verbindung von Sprache und Kultur interessiert sind. Wir freuen uns auf die nächsten Episoden und darauf, mit euch auf dieser Entdeckungsreise zu bleiben. Bis bald.
Folge 2: Flucht und Vertreibung
Wie beforscht man eigentlich historische Tonbandaufnahmen? Und was ist heute faszinierend an den Stimmen des Tübinger Arno-Ruoff-Archivs? Zu Gast im Studio ist Magret Findeisen, die über ihre Dissertation berichtet. Sie beschäftigt sich mit Tonbandaufnahmen aus dem Archiv, die in den 1950er Jahren mit sogenannten „Heimatvertriebenen“ angefertigt wurden. Im Gespräch gehen wir der Frage nach, welche Perspektiven Kulturwissenschaft heute auf dieses historische Material hat. Margret Findeisen berichtet über ihre Gespräche mit Nachfahren der Personen, die vor über 70 Jahren in das Tonbandgerät der Tübinger Sprachforscher gesprochen haben. Dabei wird nicht zuletzt deutlich, wie Migration den deutschen Südwesten schon immer geprägt hat und welche Spuren diese beispiellose Umsiedlungsaktion bis in die Gegenwart hinterlassen hat.
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Speaker1: [00:00:15] Willkommen bei Baden-Württemberg erzählt: Kulturwissenschaft und Sprachwissenschaft im Dialog, dem Podcast mit Wissenswertem rund um Dialekt, Alltag und Wandel in Baden Württemberg. Heute widmen wir uns einem Thema, das Wissenschaft, Geschichte und persönliche Erinnerung verbindet. Ich bin Valeska.
Speaker2: [00:00:33] Und ich bin Julia. Gemeinsam mit unserer heutigen Gästin Margret Findeisen werfen wir einen detaillierten Blick auf ein Stück Vergangenheit. Es geht um historische Tonbandaufnahmen und um die spannenden Geschichten, die sie uns heute erzählen können. Und damit wir gut reinkommen, hören wir uns jetzt gleich mal ein Tonbeispiel an.
Speaker3: [00:00:57] Ja, wir hatten bei Ihnen daheim. Das war ja anders als hier.
Speaker4: [00:01:00] Oh ha ja. Gell da war's wärmer. Schöner, gell. Wärmer war es bei uns. Warm nicht so kalt, wie es da draußen war. Da hat man jetzt um so ne Zeit äh- hat man noch nicht brauchen groß schüren bei uns. Es ist warm, stark warm ist bei uns gewesen. Ja, so warm war es alleweil. Da hat man nicht keine Strümpfe brauchen den ganzen Sommer anziehen oder ein Kittel anziehen, so wie da. Da muss man alleweil angezogen sein warm, sonst verkältet man sich. Bei uns war es stark warm.
Speaker1: [00:01:35] Margret, du bist Rhetorikerin, empirische Kulturwissenschaftlerin und Doktorandin am Ludwig Uhland Institut für Empirische Kulturwissenschaft. Du beschäftigst dich in deiner Forschung mit Tonbandaufnahmen, mit sogenannten Heimatvertriebenen, die Mitte der 50er Jahre im deutschen Südwesten aufgezeichnet wurden. Kannst du uns kurz ein paar einleitende Worte zu deiner Forschung erzählen?
Speaker5: [00:01:58] Erst mal vielen Dank für die Einladung und dass ich hier sein darf. Ihr beiden habt in der letzten Folge ja schon ein bisschen was über das Arno-Ruoff-Archiv erzählt. Insgesamt umfasst dieses Archiv ja über 2000 Tonbandaufnahmen aus fast 70 Jahren. Das sind insgesamt 800 Stunden gesprochene Sprache. Die Besonderheit von diesem Archiv ist, dass es Tondokumente beinhaltet. Das ist deswegen interessant, weil die Dialektforschung ja lange Zeit eigentlich ausschließlich schriftlich durchgeführt wurde. Also Befunde wurden in Lautschriften transkribiert oder noch früher, so Ende des 19. Jahrhunderts, hat man sogar Fragebögen verschickt, meist an Lehrer oder Pfarrer, und hat dann eben darum gebeten, dass diese dann den örtlichen Dialekt aufschreiben und diese Beispielsätze quasi übersetzen. Mit den technischen Möglichkeiten gab es dann das erste Mal die Chance, diese regionalen Sprachvarietäten auch tatsächlich im Gesprochenen aufzunehmen. Also das heißt, die Technik spielt da so ein bisschen mit rein und hat die Forschung dynamisiert und hat eben ganz neue Zugänge ermöglicht. Und von diesen rund 2000 Aufnahmen gibt es eben einen Teilkorpus die sogenannten Heimatvertriebenen-Aufnahmen. Die stammen alle aus dem Jahr 1955 und stehen im Zentrum meiner Dissertation. Und eine dieser Aufnahmen haben wir gerade als Einleitung gehört. Aufgenommen wurde mit den Heimatvertriebenen. So war die Selbstbezeichnung wir sagen vertriebenen Menschen, die im Zuge der mannigfaltigen Umwälzungen während und nach dem Zweiten Weltkrieg gezwungen waren, ihre einzige Heimat im Osten bzw Südosten Europas zu verlassen und im deutschen Südwesten angesiedelt wurden.
Speaker5: [00:03:46] Für Baden-Württemberg besonders im Fokus steht die Volksgruppe der sogenannten Donauschwaben, deshalb vielleicht auch der eine oder die andere schon mal gehört. Das ist eine Bevölkerungsgruppe, die zwischen dem 17. und 19. Jahrhundert die Heimat im Südwestdeutschland verlassen hat, um dann fruchtbares Land im Südosten Europas zu bewirtschaften. Der Begriff Schwaben in den Donauschwaben ist vielleicht ein bisschen irreführend, weil es nicht nur Leute aus dem Schwäbischen waren oder aus Bayerisch-Schwaben, sondern es war eigentlich auch so ein bisschen eine Sammelbezeichnung für all jene, die donauabwärts in Hoffnung auf ein besseres Leben ein Stück weit sich aufgemacht haben. Vielleicht kennt der eine oder die andere diese berühmten Ulmer Schachteln, diese Boote mit denen die dann die Donau abwärts gefahren sind.
Speaker1: [00:04:33] Also hat sich nicht nur die Gesellschaft in der Region verändert, sondern auch das Archiv, das der Fokus ist breiter geworden sozusagen. Genau. Das war tatsächlich was relativ Besonderes, dass diese zwangsweise Rückgesiedelten auch ins Arno-Ruoff-Archiv aufgenommen wurden, also aufgenommen im doppelten Wortsinn. Das heißt, diese beispiellose Migrationsbewegung Mitte des letzten Jahrhunderts schlägt sich auch in unserem Archivbestand nieder. Man hat sie 1955 in gleichem Proporz gegenüber den Einheimischen berücksichtigt. Jetzt muss man aber sagen: Trotz dieser gleichwertigen Berücksichtigung bei der Sammlung der Forschungsdaten ist die Auswertung dieser Daten ganz lange prekär gewesen. Das hat auch was mit dem gesamtgesellschaftlichen und vor allem dem wissenschaftlichen Umgang mit diesem Thema Flucht und Vertreibung zu tun. Wenn man zurückdenkt, die 50er, das waren die Wirtschaftswunderjahre. Die Zeichen standen auf Aufbruch, auf wirtschaftlichem Aufschwung. Alexander und Margarete Mitscherlich sprechen von der libidinösen Energie, die diese Wirtschaftskraft freigesetzt hat.
Speaker5: [00:05:44] Das heißt, das Ganze war so ein bisschen unter ferner liefen und hat dann sowohl in der Gesamtgesellschaft als auch in der Wissenschaft lange niemand interessiert. Es gibt auch vereinzelt die Rede vom Tabu dieses Themas. Auch das ist so ein bisschen in seiner Pauschalisierung umstritten. Der Historiker Matthias Behr spricht eher von einem angeblichen Tabu. Also wir sind da vielleicht ein bisschen vorsichtiger. Fest steht aber auf jeden Fall, dass diese Vertriebenen-Aufnahmen in dem Arno-Ruoff-Archiv tatsächlich fast über 70 Jahre ungehört waren. Das war so ein bisschen die Ausgangslage für mein Dissertationsprojekt. Also ich hatte eben diese Aufnahmen, die sich niemand angehört hatte, davor oder nur in Teilen angehört hatte und hatte dann mir überlegt, welche Fragen wir als Kulturwissenschaftlerinnen heute an das Material von gestern haben könnten.
Speaker1: [00:06:38] Bevor wir mit der Beantwortung dieser Frage beginnen, würde ich gerne noch ein bisschen was mehr über die Grundlagen hören. Was sind das für Aufnahmen, die du für deine Arbeit beforscht hast? Ja, dazu vielleicht ein paar Worte zur Entstehungsgeschichte, wie diese Heimatvertriebenen-Aufnahmen überhaupt entstanden sind. Es gab Mitte der 50er Jahre ein deutschlandweites Projekt der Deutschen Forschungsgemeinschaft. Das hatte zum Ziel, alle Dialekte im damals ja noch sehr jungen Nachkriegsdeutschland systematisch zu erforschen. Also salopp gesagt, man wollte wissen: Wie spricht Deutschland und wie sprechen die Menschen in Deutschland? Dazu ist man relativ pragmatisch vorgegangen und hat einfach die Deutschlandkarte genommen und hat da so ein Gitternetz drübergelegt. Immer mit so ähm, quasi Quadraten, die dann entstanden sind durch dieses Gitternetz mit 16 Kilometer Seitenlänge ungefähr. Und man hat dann immer in jedem dieser Quadrate einen Erhebungsort ausgesucht, der repräsentativ sein sollte für diese Gegend.
Speaker1: [00:07:37] Jetzt kann man sich so ungefähr ausrechnen 16 Kilometer Länge pro Quadrat, das sind über 1000 Aufnahmeorte im ganzen Bundesgebiet. Das heißt, es konnte natürlich nicht von einem forschenden Team allein bewerkstelligt werden, sondern das haben sich verschiedenen Landesuniversitäten untereinander aufgeteilt und haben diese Sprachdatenerhebung quasi für sich so ein bisschen segmentiert. Und für Württemberg haben das damals Arno Ruoff und Hermann Bausinger gemacht. Beides keine Unbekannten in Tübingen. Arno Ruoff haben Julia und Valeska letztes Mal schon ein bisschen vorgestellt. Ein Tübinger Sprachwissenschaftler, nach dem auch unser Archiv benannt ist. Und natürlich Hermann Bausinger, Galionsfigur der Volkskunde, empirischen Kulturwissenschaft, auch weit über Tübingen hinaus, der 2021 verstorben ist. Und diese beiden Arno Ruoff und Hermann Bausinger fuhren also über die Lande und haben mit damals revolutionärer Aufnahmetechnik Erzählungen gesammelt und wollten quasi Leute dazu bringen, in ihrem Dialekt und in ihrer Mundart zu sprechen. Jetzt ist es vielleicht für uns heute so ein bisschen schwer vorstellbar, wie das damals technisch funktioniert hat, wo wir einfach unser kleines Diktiergerät haben oder einfach nur noch das Handy auf den Tisch legen und auf Aufnahme drücken. Damals war das natürlich ein immenser Aufwand. Es gab extra so einen roten VW-Bus vom Rundfunk, damals mit einem eigenen Toningenieur. Die haben dann meistens in den Rathäusern oder in den Schulhäusern der jeweiligen Aufnahmeorte wie so ein Mini Tonstudio eingerichtet und Kabel verlegt in diesen roten VW-Bus. Also das war tatsächlich ein enormer Aufwand, der damals betrieben wurde. Und die Besonderheit, ich habe es eben schon gesagt, es wurden eben bei dieser Erhebung von 1955 Vertriebene im gleichen Proporz berücksichtigt wie die Einheimischen.
Speaker2: [00:09:28] Margret, vielleicht kannst du uns noch mal erzählen, warum wurden denn gerade Vertriebene in den Archivkorpus aufgenommen? Und was ist vielleicht auch das Besondere an diesen Heimatvertriebenen-Aufnahmen?
Speaker5: [00:09:40] Ich glaube, zum einen zeigt diese gleichwertige Berücksichtigung die Brisanz, die das Thema damals hatte. Eine Zeitschrift hat Anfang der 50er Jahre getitelt Zitat Deutschlands Problem Nummer eins 12 Millionen Vertriebene. Allein in Württemberg hat ungefähr 15 % der Bevölkerung haben diese Vertriebenen ausgemacht, in anderen Landesteilen waren es weit mehr. Das heißt, es war also da schon ziemlich, ja ziemlich Musik drin, vielleicht lapidar gesagt in diesem Thema. Und man wollte eben dieses Thema dann auch wissenschaftlich abbilden. Der, sage ich mal so ein bisschen hehre Plan war damals noch, sogenannte Ausgleichsvorgänge zwischen den Sprachen zu dokumentieren. Also vereinfacht gesagt hat man sich überlegt, wenn jetzt, da diese Donauschwaben kommen, die vorher im südlichen Ungarn gelebt haben, sprechen dann auf einmal in einem schwäbischen Dorf alle wie die Donauschwaben oder wer nimmt welche Sprache an? Das war so ein bisschen die Idee dahinter. Das ist deswegen interessant, weil es in der Dialektforschung lange Zeit das Diktum des sogenannten NORM gab. NORM ist ein Akronym, also N O R M. Und vielleicht Julia, kannst du als Linguistikexpertin uns ein bisschen erklären, was denn hinter diesem NORM steckt?
Speaker2: [00:11:01] Ja, genau. Also NORM kommt aus dem Englischen und steht für non mobile oder rural males. Also in der traditionellen Dialektforschung wurden häufig alte, nicht mobile Männer aus ländlichen Gegenden befragt. Und diese sogenannten Gewährspersonen, später dann auch Frauen, wurden sozusagen als Stellvertreter für einen bestimmten Ortsdialekt dann angesehen. Man nennt das auch Basisdialekt, also ein Dialekt, der von der Standardsprache weit entfernt ist und eine geringe kommunikative Weite hat. Es ist vielleicht auch aber problematisch, irgendwie die Sprechergruppe so zu homogenisieren. Aus kulturwissenschaftlicher Sicht gibt es da vielleicht auch Einwände. Ja.
Speaker1: [00:11:48] Genau. Also dieses Thema Vertriebenen-Linguistik hat ja dann auch relativ bald gezeigt, dass dieser Non Mobile Sprechertypus, der sein ganzes Leben lang an einem Ort gewohnt hat, der möglichst über Generationen hinweg diesen Ort nicht verlassen hat, dass dieses Konzept so nicht mehr tragfähig war in Zeiten mannigfaltiger Migrationsbewegungen. Für mich ist es deswegen besonders spannend, weil ich ja als Kulturwissenschaftlerin auf die sprachwissenschaftliche Arbeit von damals schaue. Dabei fallen mir natürlich ein paar Dinge auf, die teilweise fachspezifisch sind, für die Linguistik aber natürlich auch einfach im Geiste ihrer Zeit gelesen werden müssen. Interessant ist zum Ersten, dass bei den Befragungen selbst ganz wenig Wert auf eine inhaltliche Systematik gelegt wird. Also man wollte, salopp gesagt, damals einfach diese Gewährspersonen, Julia hat es gerade schon gesagt, so wurden die genannt, einfach irgendwie zum Reden bringen. Worüber die dann geredet haben, war eigentlich vollkommen egal. Es gab so ein bisschen Erfahrungswerte, worüber die Vertriebenen gut und gerne erzählen. Das waren meistens Feste und Bräuche aus der alten Heimat. Es war die Landwirtschaft in der einstigen Heimat, die meist riesigen Ländereien, die bestellt wurden. Der Anbau von Mais Kukuruz haben die Donauschwaben dazu gesagt. Oder die Arbeit im Weingarten. Also das heißt, die einzige Begrenzung für diese Sprachaufnahmen war tatsächlich die Bandlänge. Die Bänder waren damals wahnsinnig teuer, die Technik war hochmodern für die damalige Zeit, aber es war vollkommen egal inhaltlich, was die gesagt haben. Ich finde es außerdem auch wichtig, immer diese Konstruiertheit des Aufnahmesettings mit im Kopf zu haben. Man stelle sich vor, diese Vertriebenen haben sich meistens nicht freiwillig zu diesen Aufnahmen gemeldet.
Speaker5: [00:13:37] Was nicht heißt, dass es irgendwie alle ganz schrecklich fanden, aber meistens geschah das über so Gatekeeper, würde man heute sagen. Also so lokale Autoritätsperson, das war meistens der Bürgermeister oder der Pfarrer. Die wurden im Vorfeld angeschrieben und man hat sie gefragt: Habt ihr nicht, wie die Julia schon so ein bisschen gesagt hat, den Prototyp des Sprechers also. Wer repräsentiert diesen Dialekt am besten? Und dann ist es natürlich auch ein bisschen die Frage, wenn man weiß, da kommt jetzt jemand von der Universität und der will hören, wie man denn daheim so spricht. Wie natürlich ist dann dieses Sprechverhalten und wie frei ist vielleicht auch das Sprechverhalten, wenn ich weiß, der Herr Pfarrer hat mich jetzt hier ausgewählt und ich soll jetzt was sagen. Also das finde ich auch immer wichtig mit zu berücksichtigen. Für uns als Kultur- und Sozialwissenschaftlerinnen ist dieses Vorgehen natürlich heutzutage total sonderbar, nicht nur aus forschungsethischen Gründen, sondern auch aus methodischen Gründen. Gerade dieser Umstand, dass man die Leute einfach irgendwas fragt, Hauptsache die erzählen dann irgendwas und Hauptsache, die sprechen irgendwas. Da würden wir in der Sozial- oder Kulturwissenschaft natürlich heute uns genau überlegen wie sieht so ein Fragebogen aus, worauf zielen die Fragen ab? Man würde vielleicht Testläufe machen, man würde das Ganze nachjustieren. Also das ist ja gemeinhin, dass wir unsere Datenerhebung in der Kulturwissenschaft funktioniert. Vielleicht. Julia, kannst du im Vergleich, das finde ich immer ganz spannend nochmal erzählen, wie eigentlich die Datengewinnung in der Linguistik funktioniert. Also wie geht es eigentlich? Wie sammelt man Dialekt, wie geht man da vor?
Speaker2: [00:15:14] Also klar, die Linguistik an sich ist jetzt viel größer und es gibt ganz unterschiedliche Methoden, je nachdem, welche sprachliche Ebene man sich anschauen möchte. In der Dialektforschung geht es aber hauptsächlich um die Aussprache. Also man ist da hauptsächlich in der Phonetik unterwegs und und möchte irgendwie Sprachgrenzen identifizieren. Und das ist auch das, was ich in der letzten Aufnahme mit Valeska gemeint habe, wenn ich gesagt habe, ich höre manchmal gar nicht so richtig auf den Inhalt, wenn irgendjemand spricht, sondern ich bin dabei, auf die Grammatik und die Aussprache zu achten. Und deshalb ist es halt auch aus linguistischer Sicht egal, was die Leute dann reden. Man will sie halt einfach zum Reden bringen, weil man halt an der Aussprache, an den Lauten interessiert ist. Und das braucht man auch. Man braucht auch eine große Datenmenge, egal mit was gefüllt, also egal mit welchen Inhalten. Wenn man zum Beispiel Sprachatlanten machen will, wo man dann auch rausfinden will, welche Sprachgrenzen es vielleicht gibt. Und genau das wäre sozusagen Datengewinnung aus der Linguistik. Also dann ist der Inhalt tatsächlich nicht so wichtig.
Speaker1: [00:16:19] Nachdem wir jetzt schon einiges über die technischen und methodischen Hintergründe der Aufnahmen erhalten haben und Julia eben noch ergänzt hat, wie unterschiedlich auch Fachverständnisse methodisch sein können, wollen wir uns nun den Menschen hinter den Stimmen widmen. Was erzählen Sie uns über ihre Erlebnisse, ihre verlorene Heimat und ihre neuen Anfänge? Margret, hast du ein Beispiel, das uns einen Einblick gibt?
Speaker5: [00:16:47] Ja, ich habe einen kurzen Einspieler mitgebracht von einem jungen Mann, der zum Aufnahmezeitpunkt ungefähr Mitte 20 ist. Ursprünglich stammt er aus einem kleinen Dorf, heute im südlichen Ungarn gelegen, und kam Mitte der 50er Jahre in einen kleinen Ort in der Nähe von Tübingen und erzählt in der Aufnahme so ein bisschen über seinen Alltag.
Speaker6: [00:17:12] Weil man da keine Möglichkeit hat, für einen größeren Arbeitsraum zu bekommen, haben wir uns entschlossen, umzusiedeln. Da sind wir hergekommen, nach Kreis Tüb also. Gemeldet haben wir uns nach Kreis Tübingen. Da waren wir, sind wir nach Bad Niedernau ins Lager und noch von Niedernau hierher auf Hirrlingen. Und dann haben wir da wieder angefangen zu schaffen und haben uns wieder eine ganz schöne Existenz gegründet. Wir haben mal ein ganzes Jahr, haben wir allein geschafft mit unseren alten Maschinen. Noch haben wir schon so viel Geld wieder beieinander gehabt, dass man uns mal eine größere Maschine haben kaufen können. Und dann haben wir angefangen im Lohn, grösstenteils im Lohn schaffen. Und so haben wir uns wieder unsere Existenz aufgebaut und wir haben uns auch. Also ich wenigstens habe mich ziemlich gut eingelebt hier. Ich habe mich noch gleich angeschlossen, Kameraden und ich fühl mich jetzt fast wie daheim. Es ist wohl. Ich meine, mir wäre schon lieber daheim, aber es ist halt mal die Zeit so und da kann man nichts machen. Jetzt bleiben wir halt mal da und schauen weiter. Dann wird man wieder sehen.
Speaker5: [00:18:33] Was haben wir hier jetzt gehört? Kannst du uns das genauer erläutern? Was ist das Spezifische an dieser Aufnahme?
Speaker1: [00:18:40] Ja, die Aufnahme ist insofern vielleicht prototypisch, als dass sie ganz klassisch diese Schilderungen des Innenlebens in den Anfangsjahren enthält. Also es geht auch oft um prekäre Bedingungen um Ortswechsel, um verschiedene Arbeitsstätten, um verschiedene Tätigkeiten, die ausgeübt wurden, aber eben auch so ein bisschen anklingen. Vielleicht dieses Aufstiegsversprechen, dass man zwar von Null anfängt, aber trotzdem das Leben irgendwie weitergeht. Also in vielen dieser Aufnahmen ist so ein bisschen der Dreiklang aus Schilderungen der alten Heimat natürlich vielleicht auch ein Stück weit Glorifizierung der alten Heimat. Dann diese Zeit der Umsiedlung, die bei vielen ja auch sehr lange gedauert hat, mit Lageraufenthalten und verschiedenen Stationen. Und dann eben das Ankommen und Einleben in in der Aufnahmegesellschaft, die ja, wie wir aus vielen Erzählungen wissen, einfach auch nicht immer wohlgesonnen waren, die denjenigen, die da gekommen sind und die mitunter in deren Haus einziehen mussten. Interessant ist an der Schilderung vielleicht auch, dass es so ein bisschen ein Stück weit so einen rebellischen Geist zeigt, den Ruoff und Bausinger bei ihren Forschungen damals an den Tag gelegt haben. Denn es gab für dieses gesamtdeutsche Forschungsprojekt von der Deutschen Forschungsgemeinschaft verschiedene Richtlinien, wie diese Aufnahmen durchzuführen seien, wie lang die sein sollten, wer befragt werden sollen, wie alt die Leute sein sollen und eben auch, welche Themen ausgespart werden sollten. Und das waren eben bei Vertriebenen das Thema Flucht und Vertreibung und bei Männern auch das Thema Militärzeit. Da hat eigentlich die Vorgabe vorgesehen, dass man das gar nicht abfragen sollte. Hintergrund war so ein bisschen, dass man vermutet hat, dass Leute dann bei derartigen Erzählungen in so eine Art, ja vielleicht könnte man sagen Bürokratiesprech verfallen oder einfach in so eine Sprache, die dem der Standardlautung, also dem Hochdeutschen, umgangssprachlich sehr nahe ist und dass das dann die Aufnahmen verfälschen könnte. Aber wie wir gehört haben, Arno Ruoff und Hermann Bausinger haben sich da nicht dran gehalten und auch eigentlich würde ich sogar sagen eher im Regelfall nach Flucht und Vertreibung gefragt, als das auszulassen, wie vorgesehen.
Speaker2: [00:20:52] Eine kleine Anmerkung vielleicht dazu an der Stelle. Du hast erzählt vom Einleben in die Aufnahmegesellschaft. Damit wären wir sozusagen auch bei dem linguistischen Thema, was du vorhin erwähnt hast, dass so die Ausgleichsprozesse für die Linguistik interessant waren. Und das war tatsächlich auch eine Frage, die ich mir gestellt habe beim Hören. Wenn ich jetzt diese Aufnahme mit anderen aus Hirrlingen vergleiche, dann gibt es da natürlich Unterschiede. Und das wäre zum Beispiel jetzt eine linguistische Fragestellung, wie jetzt sich die Dialekte der Vertriebenen anpassen, verändern, wie es vielleicht auch die Dialekte der Hirrlinger verändert, wenn da andere dazukommen. Als Kulturwissenschaftlerin hast du, Margret, ja einen ganz anderen Weg eingeschlagen. Vielleicht können wir darüber mal noch sprechen.
Speaker1: [00:21:37] Genau, Margret. Bisher haben wir ja vor allen Dingen direkt über die historischen Aufnahmen gehört. Also sprich, wer hat gesprochen, wer hat mit wem gesprochen? Aber du bist in deiner Forschung ja nicht nur in der Vergangenheit geblieben oder vor allen Dingen nicht in der Vergangenheit geblieben, sondern hast auch mit Nachfahren der Personen gesprochen, deren Originalstimmen wir eben hören. Kannst du uns ein bisschen erzählen, wie du überhaupt dazu gekommen bist und wie sich das Ganze abgespielt hat?
Speaker1: [00:22:08] Ja, sehr gerne. Ich habe ganz am Anfang, als ich diese Aufnahmen dann allesamt abgehört hatte und transkribiert hatte, festgestellt, dass das finde ich, so einen ganz interessanten Widerspruch gibt in der Gegenwart. Auf der einen Seite ist, glaube ich, dieses Thema Flucht und Vertreibung für all diejenigen, die nicht im Familienkreis direkt betroffen sind, fast aus der Wahrnehmung verschwunden. Auf der anderen Seite habe ich aber das Gefühl, dass es in den Familien, in denen es Flucht und Vertreibung gab oder bei den Nachfahren einstiger Vertriebener tatsächlich noch ein ziemlich brisantes Thema ist. Ich habe das festgestellt, auch in meinem eigenen Freundeskreis, dass ich auch da bei den allermeisten meisten weiß, ob die Großeltern Heimatvertriebene sind. Was ich ganz interessant finde, weil ich kenne natürlich diese Großeltern nicht. Ich kenne auch die meisten Eltern nicht, aber trotzdem hatte ich so die Beobachtung. Das ist irgendwie in so Familienerzählungen noch ein Thema, auch in meiner Generation. Ich bin selber Jahrgang 89 und das fand ich eben ganz spannend, noch mal zu gucken, wo sind diese Spuren von Flucht und Vertreibung auch in der Gegenwart? Zum einen ist es natürlich auch deswegen interessant, weil erinnerungskulturell gerade so ein relativ großer Umbruch stattfindet. Die Zeitzeugengeneration ist beinahe verstorben. Ich hatte aber das große Glück, dass ich tatsächlich zwei Damen interviewen konnte, die einst selbst als junge Frauen in dieses Tonband gesprochen haben und die mir dann unglaublicherweise 70 Jahre später gegenüber gesessen sind und noch mal ihre eigene Aufnahme angehört haben, was sehr bewegend war, wie ich fand.
Speaker1: [00:23:39] Und wie genau findest du diese Menschen, mit denen du sprichst? Also entweder die beiden Damen, von denen du gerade gesprochen hast, die du zufällig wiedergefunden hast, aber eben auch vor allen Dingen die Nachfahren. Ich stelle mir das schon ein bisschen kompliziert vor.
Speaker1: [00:23:53] Ja, in der Tat ist es wahrscheinlich fast ein Thema für eine eigene Folge. Diese Nachfahren-Recherche, die so ein bisschen auf meiner Miste gewachsen ist, ist, glaube ich, selbst für die Kulturwissenschaft jetzt kein richtig gängiger Weg ins Feld. Und am Anfang war das tatsächlich auch einfach nur der relativ naive Gedanke, dass ich das total interessant fände. Diese Archivaufnahmen, die bei uns so lange unbearbeitet lagen, so ein Stück weit auch zu den Menschen zurückzubringen, denen, die ja gehören oder deren Familienidentität ja vielleicht auch ein Stück weit mit ausmachen. Mir war dann relativ schnell klar, dass ich bei meiner Suche nach Nachfahren nicht auf Behörden oder öffentliche Stellen zurückgreifen können werde, einfach aus Gründen des Datenschutzes. Also man kann jetzt nicht vereinfacht gesagt beim Einwohnermeldeamt anrufen und sagen: Hat der Josef Tomaschek also fiktiver Name, natürlich hat er irgendwie Kinder. Und wo wohnen die? Und kann ich die Telefonnummer haben? Sondern es war klar, das geht nur über öffentlich einsehbare Daten, über Vor-Ort-Recherche über Mund zu Mund Propaganda. Und am Ende kann man, glaube ich fast sagen, dass zu jedem, zu jedem Interview gibt es fast so eine eigene kleine Geschichte, wie das Interview zustande gekommen ist. Meistens unter Mithilfe ganz vieler Akteurinnen vor Ort, die für mich recherchiert haben, die nachgefragt haben. Ich habe viele E-Mails geschrieben, viele Telefonate geführt, auf viele Anrufbeantworter gesprochen, bin oft zurückgerufen worden, oft auch nicht. Und am Ende würde ich sagen, hatte ich so grundsätzlich, so vielleicht von der Hälfte der gesuchten Personen gab es dann tatsächlich auch einen Treffer, weil ich einfach den damaligen, den damaligen Ortsnamen, wo diese Erhebung durchgeführt wurde, habe korrelieren lassen mit dem Nachnamen der einstigen Gewährsperson, die ich hatte.
Speaker1: [00:25:45] Und das hat in rund der Hälfte der Fälle auch dazu geführt, dass ich tatsächlich jemanden gefunden habe. Das soll aber nicht verschleiern, dass tatsächlich nur in einem Drittel der Fälle Leute auch tatsächlich bereit waren, mit mir zu sprechen. Das heißt, es gab auch eine nicht so kleine Gruppe von Leuten, die ich tatsächlich gefunden habe oder die für mich gefunden wurden, von Kontaktpersonen, die aber nicht gesprächsbereit waren. Ich finde dabei zwei Sachen wichtig: Zum einen, das nicht zu bewerten, warum Leute nicht darüber sprechen wollen. Das ist vielleicht für uns als Kulturwissenschaftlerin immer ein bisschen schwierig nachzuvollziehen. Die deformation professionell. Wir finden ja das alles wahnsinnig interessant. Und wenn jetzt an meiner Tür jemand klopfen würde und sagen würde: Ich habe deine Urgroßmutter aufgenommen, wie sie von der Umsiedlung aus Ungarn erzählt, dann wäre ich natürlich Feuer und Flamme. Aber ich glaube, das darf man auch einfach mal so stehen lassen, dass das nicht jeden interessieren muss und dass man das vor allem nicht bewertet. Und ich würde zweitens auch immer davor warnen, die Gründe dafür nur in diesem Thema Flucht und Vertreibung zu suchen. Ich glaube, wenn man jetzt eine Volkserhebung machen würde. Mit Einheimischen gäbe es wahrscheinlich ungefähr gleichen Prozentsatz an Leuten, die sagen das interessiert mich nicht und bleiben sie fort. Und ich finde, das steht auch jedem frei.
Speaker2: [00:26:55] Also die Nachfahren-Recherche hört sich an sich schon sehr schwierig an, aber würdest du sagen, das war die größte Herausforderung oder gab es noch andere Herausforderungen in deiner Arbeit?
Speaker1: [00:27:05] Ich glaube, darüber hinaus sind auf inhaltlicher Sicht wahrscheinlich vor allem ethische Fragen, also die Fragen: Wie gehen wir respektvoll mit den Stimmen der Menschen um, die damals aufgenommen wurden? Ich habe es ja vorhin schon gesagt, auch nicht immer so ganz freiwillig. Oft wurden die Leute auch ziemlich angeflunkert. Man hat denen zum Beispiel gesagt, man würde gar nicht aufnehmen und das Aufnahmegerät würde sich erst automatisch dann einschalten, wenn sie was Spannendes erzählen. Und paradoxerweise ist natürlich gerade das aufgenommen. Also da finde ich schon, dass man da sensibilisiert sein sollte und sich gut überlegen, in welchem Rahmen man das wie abspielt und weitergibt. Aber natürlich auch mit Blick auf die Nachfahren kann man sich, muss man sich fragen: Was ist zumutbar? Das sind ja oft auch sehr tragische Schilderungen, Schilderungen von Verstorbenen in Lagern, also auch einfach sehr emotionale Gespräche, sowohl damals aufgezeichnet als auch im Zuge meiner Forschung. Und ich glaube, da muss man sich schon sehr genau überlegen, welche Interviewpartnerinnen man mit welchen Aufnahmen konfrontiert.
Speaker1: [00:28:10] Und es gehört natürlich auch zur Reflexionsleistung dazu, die wir als Kulturwissenschaftlerinnen generell bei Projekten mitbedenken müssen und auch in die Arbeit mit einbringen müssen. Aber Margret, die Arbeit ist ja noch im Werden. Möchtest du hier aber vielleicht schon auf ein paar erste Teilergebnisse eingehen?
Speaker5: [00:28:30] Ja, vielleicht ein paar wirklich ganz holzschnittartige Insights. Ich war natürlich total gespannt, wie die Leute reagieren würden, wenn ich diese Tonaufnahmen von den Verwandten vorspiele und hatte ehrlich gesagt geglaubt, es gäbe von Anfang an so einen Moment des Wiedererkennens und wieder Hörens. Freude vielleicht oder so ein Moment von Intimität. Und tatsächlich war das in den allermeisten Fällen aber überhaupt nicht der Fall. Die Leute haben die Verwandten nicht wiedererkannt und haben sich mehrmals bei mir erkundigt, ob das auch wirklich ihre Mutter sei oder ob das wirklich der Opa sei. Und tatsächlich hat sich dann erst im Laufe des Anhörens durch die inhaltlichen Schilderungen die Person legitimieren können als diejenige, die sie ist. Und dieses Moment von Nähe hat sich. Was ich vermutet hatte, hat sich dann am Ende tatsächlich auch eher als Moment von Fremdheit herausgestellt. Besonders interessant war natürlich auch auf inhaltlicher Ebene, wenn eigene Erinnerungen an diese aufgenommene Person mit dem kollidiert sind, was auf der Tonbandaufnahme zu hören ist. Also ein bisschen Bruchstücke sind Fundstücke und das war insbesondere dann der Fall, wenn mir zum Beispiel die Großmutter geschildert wurde als brüchige Frau, die ihr Leben lang gelitten hat und die immer defensiv war und gar nicht gesprochen hat.
Speaker5: [00:29:52] Und auf dem Tonband war dann eine junge, dynamische Mutter, die an das Versprechen von Aufstieg durch Arbeit geglaubt hat und die witzige Anekdoten erzählt hat über die Lebensverhältnisse. Wie prekär die doch waren und dass jede Nacht das Bett runter gebrochen ist und sie versucht hat, so ein bisschen das Leid auch als Tragik darzustellen. Also das war, glaube ich, ein sehr großer Bruch mit dem, was meine Interviewpartnerinnen erwartet hatten. Dann vielleicht noch so als letzte inhaltliche Beobachtung war es natürlich interessant, welchen Stellenwert meine Interviewpartnerinnen im Vorfeld diesem Tonband zugeschrieben haben. Also in nicht wenigen Fällen gab es so die Annahme, es ist auf diesem Tonband jetzt das eine, die des Rätsels Lösung für das Familiengeheimnis konserviert, oder das würde irgendwie Klarheit bringen in ein Kapitel der Familie, das immer verborgen geblieben ist. Also es wurde diese Tonbandaufnahme auch im Vorfeld ein Stück weit sehr sozialisiert und so eine soziale Bindungsfunktion zugesprochen. Und natürlich, in den allermeisten Fällen wurde dieses erhoffte Versprechen nicht eingelöst. Und statt des Rätsels Lösung kam eher des Rätsels neues Rätsel hinzu. Und statt vielen Leerstellen, die dann erhellt wurden, kamen neue Leerstellen dazu.
Speaker2: [00:31:11] Ja, vielen Dank. Jetzt haben wir ganz schön viel gehört über die Interviews und wie die stattgefunden haben und was es für Hoffnungen und Erwartungen gab. Lass uns doch aber vielleicht noch mal den Blick auf unser Bundesland richten. Was würdest du denn sagen? Können wir aus deinem Projekt für Baden Württemberg, den ländlichen Raum und für vielleicht auch Transformationsprozesse lernen?
Speaker5: [00:31:33] Ja, ich glaube zum einen, dass es noch mal ganz deutlich zeigt, dass Migration in Baden Württemberg sehr stark geprägt hat und das nicht erst mit Gastarbeitern, sondern dass Bewegungen von Zuwanderung oder Abwanderung schon immer charakteristisch waren für dieses Bundesland. Hermann Bausinger hat immer auch die Rolle der Donau als Verkehrsader betont, was ja natürlich für die Donauschwaben auch wichtig ist, hat aber auch, das fand ich, so schön gesagt: Die Donau ist keine Einbahnstraße. Also Baden Württemberg war schon immer sehr geprägt von Zu und Abwanderung und ich glaube, dieses migrationsgeschichtliche Kapitel hat die Arbeit auch noch mal deutlich gemacht. Mit Blick auf meine Nachfahren-Recherche ich hatte es schon gesagt nicht so ganz üblich ist vielleicht oder kein ganz üblicher Weg ins Feld wurde glaube ich noch mal ganz deutlich, welche Netzwerke es an Orten gibt, gerade auch in kleinräumigeren Orten. Wie stark das Ehrenamt da zum Glück für mich noch immer ist. Also allein die Akteurinnen, mit denen ich Kontakt hatte, Geschichtsvereine, die Landfrauen, Ortsvorsteher auf irgendwelchen Websites irgendwelche Ansprechpartner. Das gibt ja meistens in den meisten kleinen Dörfern irgendwie so einen zuständigen Hans Dampf, der irgendwie in jedem Verein ist und der natürlich für mich Gold wert war. Als Mittler. Und ohne diese Person und ohne dieses ehrenamtliche Engagement in Gruppen und Vereinen wäre tatsächlich auch mein Feldzugang einfach nicht denkbar gewesen. Ich fand es außerdem charmant, noch mal so ein Stück weit einen lokalen Zugang sichtbar zu machen. Der ist ja vielleicht so ein bisschen back to the roots der Volkskunde Schrägstrich empirische Kulturwissenschaft. Also die ersten Zugänge waren ja so sehr lokale, und das fand ich interessant, dem noch mal nachzuspüren und das aber zu kombinieren mit den Möglichkeiten, die die Digitalisierung gibt. Also so ein bisschen Vor-Ort-Recherche und Netzrecherche zu kombinieren. Denn rund die Hälfte meiner aufgefundenen Fälle, würde ich sagen, habe ich die auch schlicht übers Internet gefunden, weil die Namen in irgendwelchen Amtsblättern standen und ich dann eben dort angerufen hatte und nachgefragt hat. Also das war, glaube ich, so ein schöner Dreiklang aus verschiedenen Zugangsweisen.
Speaker1: [00:33:48] Wir in der EKW überlegen ja auch immer so ein kleines bisschen, was unsere Arbeit, unsere Projekte bezwecken sollen. Und du hast ja vor allen Dingen sowohl über die Vergangenheit als auch die Gegenwart gesprochen. Siehst du in irgendeiner Form die Chance, dass deine Arbeit dabei helfen kann, Brücken zwischen Vergangenheit und Gegenwart zu schlagen, sowohl in Forschung, aber vielleicht auch im Alltag?
Speaker5: [00:34:12] Also ich würde natürlich immer eine Lanze brechen für diesen Weg: raus aus dem Archiv, hin zu den Menschen. Nicht nur, weil das jetzt in meiner Arbeit der maßgebliche methodische Zugang war, sondern ich glaube, das kann auch so ein bisschen dieser Sammelwut, sagen wir in der empirischen Kulturwissenschaft immer des Fachs etwas Produktives entgegensetzen. Also dass man eben noch mal deutlich macht, es bringt nichts, über die Jahre und Jahrzehnte einfach Dinge anzuhäufen und im Archiv zu lassen, wenn sich niemand damit beschäftigt. Und das fand ich irgendwie auch vielleicht unter so einem Berg Propheten Zugang irgendwie noch mal ganz charmant zu sagen: Das Archiv kommt zu den Menschen und wir bringen das zu den Leuten, denen das ja ein Stück weit auch gehört.
Speaker1: [00:34:56] Margret Es war eine schöne Reise durch Geschichte, Sprache und Erinnerung. Danke, dass du uns mitgenommen hast.
Speaker2: [00:35:04] Ja, danke für die Einblicke. Deine Arbeit zeigt, wie lebendig und relevant Geschichte sein kann, besonders auch, wenn sie durch autobiografische Stimmen nachvollzogen werden kann.
Speaker5: [00:35:15] Ja, ich danke euch. Vielen Dank für die Einladung.
Speaker1: [00:35:18] Das war Baden Württemberg erzählt. Wenn euch diese Folge gefallen hat, abonniert uns und teilt die Episode mit Freund*innen. Wir freuen uns, euch bei der nächsten Episode wieder begrüßen zu dürfen. Bleibt neugierig.
Folge 3: Wie funktioniert kulturwissenschaftliche Dialektforschung? Von Tragekörben und Tonbändern
In dieser Episode nehmen wir euch mit auf eine kleine Zeitreise durch die Geschichte der Arbeitsstelle „Sprache in Südwestdeutschland“ – vom Tonbandbus in den 50ern bis hin zur Dialektforschung heute. Gemeinsam mit den Hosts Julia Braun und Valeska Flor spricht Hubert Klausmann über Dialekte, Kulturwandel und darüber, wie aus einem riesigen Archiv nicht nur ein Sprachatlas, sondern auch Hörbücher, Ausstellungen und Schulprojekte entstanden sind. Warum alte Wörter wie Brente heute als Schimpfworte weiterleben, was Märkte über Gesellschaft erzählen – und wie Dialekte uns auch heute noch viel über unsere Region verraten? Das erfahrt ihr hier.
Listen
Speaker1: [00:00:09] Willkommen bei "Baden Württemberg erzählt. Kulturwissenschaft und Sprachwissenschaft im Dialog". In diesem Podcast erkunden wir, wie Sprache und Kultur miteinander verwoben sind. Mein Name ist Valeska Flor. Ich bin Kulturwissenschaftlerin an der Arbeitsstelle Sprache in Südwestdeutschland.
Speaker2: [00:00:25] Und ich bin Julia Braun. Die Sprachwissenschaftlerin im Projekt. Zu Gast heute ist bei uns Professor Dr. Hubert Klausmann, der langjährige Leiter der Arbeitsstelle Sprache in Südwestdeutschland. Ja und Hubert, wir freuen uns sehr, dass du dich bereit erklärt hast, heute mit uns ins Gespräch zu kommen. Herzlich willkommen!
Speaker3: [00:00:47] Ja, vielen Dank für die Einladung. Ich freue mich sehr.
Speaker1: [00:00:49] Gut, dann wollen wir einfach direkt mal starten. Und zwar würde uns zunächst einmal interessieren, mehr über die Arbeitsstelle Sprache in Südwestdeutschland von dir zu hören. Hubert, du hast diese Arbeitsstelle ja viele Jahre geleitet. Kannst du uns einen Überblick geben über ihre Entstehung und ihre Aufgaben? Vor allen Dingen?
Speaker3: [00:01:08] Ja, also angefangen hat die Arbeitsstelle in den 50er Jahren des letzten Jahrhunderts, muss man jetzt schon sagen. Und die Aufgabe war eine ganz andere, als wir es heute erleben bei der Arbeitsstelle. Damals hatte man über ganz Deutschland Quadrate gemacht und man wollte in jedem Quadrat drei Einheimische und drei sogenannte Aussiedler aufnehmen, um einen Bestand zu haben über die ganzen Dialekte und sprachlichen Varietäten in Deutschland. Und Arno Ruoff und Hermann Bausinger waren zuständig für Württemberg. Sie haben also dann angefangen, Interviews zu machen. Und mit der Zeit aber war dann doch die Arbeit für Bausinger doch zu stark mit dem Institut verbunden, so dass dann Arno Ruoff alleine weitergemacht hat. Und bald darauf ist auch dieses Zwirner-Projekt zu Ende gegangen und war plötzlich mit den ganzen Aufnahmen alleine und hat dann angefangen ein eigenes Institut zu gründen. Die Tübinger Arbeitsstelle Sprache in Südwestdeutschland hat dann die Aufnahmen weitergeführt in Eigenregie, hat immer wieder Geld geholt, so wie das bei Projekten halt üblich ist, von Jahr zu Jahr und hat dann ein riesiges Archiv aufgebaut, um Sprache aufzunehmen. Und zwar... Damals gab es sehr viele Sprachatlanten, die ja sehr gezielt Wörter und Lautungen erforscht haben. Und er wollte etwas machen, was man nicht nur nicht abfragen kann, sondern was man einfach durch Erzählungen, durch freie Rede erforschen kann, nämlich mehr oder weniger Syntax und Stilistik hat er es dann genannt. Das ist der Anfang der Arbeitsstelle Sprache und in Südwestdeutschland. Ja, und dann hat er diese Interviews weitergeführt, auch räumlich weitergeführt nach Vorarlberg, Liechtenstein, ins Bayerische hinein. Und viele Doktoranden haben dann Arbeiten an diesem Institut gemacht.
Speaker2: [00:02:59] Ja, vielen, vielen Dank. Wir haben es ja in den letzten Folgen auch schon gehabt vom Arno-Ruoff-Archiv mit den Aufnahmen. Da haben wir auch schon ein paar Beispiele gehört. Es war ja aber, wie du gesagt hast, der Anfang der Arbeitsstelle. Wie ging es denn dann weiter?
Speaker3: [00:03:15] Ja, das weiter war immer schwierig bei dieser Arbeitsstelle, wie das so üblich war. Von Jahr zu Jahr mussten wieder Gelder besorgt werden und Ruoff hat aber dann immer wieder auch Schülerinnen und Schüler gefunden, die dann interessante Arbeiten geschrieben haben zu Themen wie Wortbildungen in gesprochener Sprache oder Konjunktiv, in gesprochener Sprache oder auch Entlehnungen aus den französischen Gegenden, die ja zu Württemberg mal gehört haben. Auch da wurden dann Arbeiten gemacht, also sehr viel, auch Statistik. Welche Wörter werden verwendet, wenn man spricht? Was sind die häufigsten Wörter? Also es war eine ganz interessante Arbeitsreihe. Und da hat er dann die Reihe "Idiomatica" gegründet, in der dann diese ganzen Arbeiten dann aufgenommen worden sind. Das ist so dann hat sich über Jahrzehnte hingezogen, bis eines Tages eben dann auch Arno Ruoff in den Ruhestand gegangen ist. Und dann war wirklich auch Ruhe in der Arbeitsstelle und da war nichts mehr da. Und da ist Gott sei Dank, hat der Förderverein Schwäbischer Dialekt dann sich wenigstens um die Aufnahmen gekümmert und hat dann die Aufnahmen auf CDs übertragen lassen, was schon sehr, sehr gut war, denn es ist ein unglaublicher Schatz, das ist ja klar. Wir haben hier die Kulturgeschichte des ganzen Landes in Interviews aufgenommen, sozusagen vorliegen. Und das hat der Förderverein damals wenigstens gemacht. Eine Stelle war zunächst mal keine da.
Speaker2: [00:04:47] Also wir wissen ja, dass die Geschichte dann gut ausgegangen ist und es dann irgendwann auch die Möglichkeit gab, dass du angestellt wurdest dort und ein neues großes Projekt gestartet hast, nämlich den SNBW, den Sprachatlas von Nordbaden Württemberg. Kannst du uns dazu vielleicht was erzählen?
Speaker1: [00:05:04] Ich würde hier vielleicht noch nachfragen, ob dann genau da der Zeitpunkt war, auch wenn Ruoff und Bausinger vorher schon zusammengearbeitet haben, wo dieser interdisziplinäre Aspekt der Dialektforschung noch mal stärker hervorgekommen ist. Also vor allen Dingen auch dieses Interesse an kulturwissenschaftlicher Dialektforschung. Wir gehen zwar später noch auf die einzelnen Projekte genauer ein, aber wenn du hier diesen Wechsel vielleicht noch mal kurz erläutern könntest, das wäre super.
Speaker3: [00:05:30] Ja, der Wechsel kam eigentlich erst mit den neuen Projekten, also unter Ruoff und das war einfach klar. Seine Zielrichtung war eben die gesprochene Sprache und deswegen hat er auch die Aufnahmen so gemacht, dass gesprochen wurde. Also er hat alles mögliche an Anreizen unternommen, damit die Leute reden. Das Kulturwissenschaftliche hat ihn weniger interessiert. Es war einfach und für uns... Aber glücklicherweise haben die Leute halt über was erzählt und über das, was sie erzählt haben, das ist dann natürlich die kulturwissenschaftliche Seite, die dann so interessant ist und die, von der immer klar war, irgendwann muss man das mal bergen, diesen Schatz. Aber das kam eigentlich dann erst in dem neuen Projekt, in der neuen Epoche, sozusagen der Arbeitsstelle. Ich hatte nämlich... Damals war ich in Bayreuth an der Uni und hatte von dort aus Anträge gestellt nach Baden Württemberg. Man sollte mal endlich den Nordteil von Baden Württemberg erforschen. Die Grundlagen, also die Grunddialekte, waren noch nicht erforscht und das war deswegen schade, weil der gesamte oberdeutsche Raum praktisch vom Main bis nach Südtirol erforscht war, denn die Dialekte kannte man und nur diese Lücke fehlte Und somit war auch irgendwie unklar, was eigentlich jetzt mit der Entwicklung der Dialekte passiert. Gehen die jetzt von den Ortsdialekten aus oder vom Standarddeutschen? Oder wie funktioniert das? Und dazu braucht man einfach die Grundlagen. Man braucht den Grunddialekt sozusagen. Und wir haben dann damals ja mehrere Versuche gestartet und schließlich Glück gehabt, dass sozusagen das Schimpfen in der Öffentlichkeit wahrgenommen wurde von der damaligen Landesregierung. Ganz maßgeblich war Herr Hubert Wicker, damals Chef von der Staatskanzlei, und hat diese Schimpferei gehört von mir und hat dann gesagt, das Land muss was tun. Und dann war aber die Bedingung, ich sollte von Bayreuth dann nach Baden Württemberg gehen, denn es muss natürlich im Land bleiben.
Speaker3: [00:07:25] Und ich habe mich dann für Tübingen entschieden, weil ich Arno Ruoff kannte und wusste, dass da eigentlich eine gute Arbeitsstelle vorhanden ist. Und damals auch schon... Bernhard Tschofen habe ich gekannt durch ein Symposium, das er geleitet hatte, und bei dem ich diese Schimpfkanonade losgelassen habe. Und ja, dann habe ich gefragt in Tübingen, und Bernhard Tschofen war gleich angetan von dieser Idee. Und jetzt kam es zur Verbindung von Sprach- und Kulturwissenschaften. Mit Bernhard war ja klar, dass die Kulturwissenschaften auch eine Seite sein sollte in diesem neuen Projekt. Also haben wir nicht nur die GrundDialekte erforscht in Nordbaden-Württemberg, sondern parallel dazu kulturwissenschaftliche Arbeiten gemacht. Und in dem Fall hat Nina Kim Leonhard zum Beispiel immer wieder auch nach den subjektiven Räumen gefragt, die die Leute haben. Also wie weit geht denn Schwäbisch? Wie weit geht ihr Ortsdialekt? Wo spricht man ganz anders? Warum spricht man dort anders usw. Sie hat ja sehr viele Erhebungen gemacht parallel zu den Dialekterhebungen. Und so kam es zur Verbindung von Kultur- und Sprachwissenschaft. Und das waren dann vier Jahre, die wir Zeit hatten, das zu machen. Das war eine verdammt geringe Zeit. Also Sprachatlas-Projekte gehen meistens 20 Jahre. Aber man nimmt das, was man kriegt. Das ist so meine Devise. Man kann nicht jammern und dann nicht annehmen, sondern wenn man was kriegt, dann muss man es machen. Und ich hatte den Vorteil, dass ich schon den Sprachatlas von Vorarlberg gemacht hatte und wusste, wo man einsparen kann, wo man Zeit gewinnen kann, wo man was weglassen kann. Und in der Hinsicht haben wir da natürlich auch sehr viel Zeit gewonnen in der Vorbereitung. Die war relativ kurz, so dass dann die drei gleich loslegen konnten, Nina Kim Leonhard, Rebekka Bürkle und Rudolf Bühler.
Speaker1: [00:09:16] Vielleicht nur kurz als Ergänzung von mir: Bernhard Tschofen, früher Professor am Institut für Empirische Kulturwissenschaft, also Ludwig-Uhland-Institut für Empirische Kulturwissenschaft und mittlerweile in Zürich. Also für alle, die ihn nicht kennen oder nicht genau kennen, wie es in Tübingen ausgesehen hat.
Speaker2: [00:09:33] Hubert, für die Hörerinnen und Hörer, denen jetzt Sprachatlas nicht wirklich was sagt. Kannst du uns vielleicht erklären, wie ist es, wenn ich jetzt zum Beispiel Basisdialekt sprechen würde und du zu mir kommst, um den Sprachatlas zu erheben. Mit was muss ich denn da rechnen? Also, was würdest du machen? Welche Daten würdest du abfragen? Wie würde das denn so funktionieren?
Speaker3: [00:09:57] Ja, Sprachatlanten funktionieren eigentlich immer auf dieselbe Art und Weise. Man hat einen Fragebuch, das an die Region angepasst ist und in diesem Fragebuch geht es nach Sachkapiteln zu. Das heißt, man sucht dann Personen, die bereit sind, mit einem zu sprechen. Das ist natürlich schon mal eine Voraussetzung und das klappt aber sehr gut, weil wir das immer über die Ortsvorsteherinnen und Ortsvorsteher machen, die uns immer helfen. Entweder machen sie es selber, wenn sie kompetent sind, oder sie wissen Personen, die da gerne was beitragen würden. Wir gehen dann zu denen nach Hause, meistens und teilen es auf. So ein Fragebuch ist sehr lang und sehr anstrengend, so dass man sagt ja, mit der Person machen wir eine Stunde, mit der Person machen wir zwei, maximal zwei Stunden. Mehr geht nicht. Man ist auch selber erschöpft und dann fragt man das Fragebuch durch. Und in diesem Fragebuch sind halt alle Themen versteckt, sozusagen. Also es geht ums Lautliche, es geht um die Wortbildung, es geht selten um Syntax. Das ist schwierig zu machen, aber natürlich auch um Wortschatz. Und man fragt dann zum Beispiel: Ah, jetzt geh mal zum menschlichen Körper, das geht von oben nach unten. Dann beginnt es eben bei den Haaren, den Augen und riechen tut man mit der Nase. Also wir tun dann ein bisschen umschreiben und essen tun wir mit dem Mund, kommt dann und die Leute antworten dann immer in die Lücke hinein.
Speaker3: [00:11:13] Wir schreiben das sofort auf, nehmen es aber auch gleichzeitig noch mit dem Tonbandgerät auf. Heutzutage ist es kein Problem. Zu Anfangszeiten war das ein Riesenproblem. Die mussten damals mit einem VW-Aufnahmebus rumfahren. Das war natürlich schon schlimm, mit so einem Ding auf den Hof zu kommen. Und wir hatten natürlich schon das den Vorteil, dass wir das kleine Aufnahmegerät hatten, das genauso groß war damals wie ein Handy, heutzutage das Smartphone. Und wenn man dann einen, dann macht man dieses Fragebuch in allen Ortschaften, damit man das vergleichen kann und dann geht man die Nummern durch der Fragebuchnummern und sagt: Ja, hier haben wir die Lösung, da haben wir die Lösung. Wir haben es dann meistens so gemacht, dass man die 160 Ortschaften untereinander geschrieben haben. Also die Frage 160 eins zum Beispiel immer die Antworten untereinander. Dann sieht man sehr schön, was rauskommt und macht sich Gedanken, wie man daraus eine Karte erstellen kann. Und das ist das Ziel eines Sprachatlas. Dann, dass man eine Karte macht. Auf den und auf den Karten sind dann die Phänomene in räumlicher Verteilung kartiert und damit bekommt man ein sehr schönes Bild, wenn man durch so einen Atlas hindurchgeht, durch seine Hunderten von Karten, von der Sprachlandschaft, die aufgenommen worden ist. Und da wir Gott sei Dank im oberdeutschen Raum alle nach demselben Verfahren arbeiten, auch dieselbe Transkription haben, lassen sich die Ergebnisse sehr gut vergleichen.
Speaker1: [00:12:31] Wir werden euch auch Karten einmal verlinken, damit ihr seht, wie diese Karten ausschauen.
Speaker2: [00:12:36] Ja, das ist eine gute Idee. Bei uns geht es ja jetzt im Podcast auch um den Strukturwandel in Baden-Württemberg. Was denkst du denn? Hubert? Kann man das denn auch am Sprachatlas erkennen? Also wenn man sich die Sprache anschaut, zum Beispiel verloren gegangene Wörter habt ihr da also ja auch erhoben. Oder Wörter, die man jetzt heutzutage vielleicht nicht mehr kennt, die aus dem landwirtschaftlichen Bereich stammen. Fallen dir da ein paar Beispiele ein oder wie könnte man sonst den Strukturwandel vielleicht noch beschreiben, den man dem Sprachatlas sieht?
Speaker3: [00:13:08] Ja, natürlich haben wir ja verschiedene Gruppen, kann man einteilen. Also es gibt Wörter, die ich zum Beispiel als in Baden-Württemberg nicht mehr abgefragt habe, weil der Abstand zu Vorarlberg, zur Schweiz schon zu groß war. Das sind dann Wörter, wo man einfach sagen muss, die hatten vor 30 Jahren bei ihren Erhebungen noch Personen, die wussten über bestimmte Dinge, zum Beispiel Waschen mit Aschenlauge. Das ist so ein Beispiel gewesen. Das kannte man in Vorarlberg noch überall in den 70er Jahren. Das war bei uns gar nicht mehr möglich. Wir haben es nach einer Woche dann weggelassen. Schon die Fragerei, das sind Dinge. Aber dann habe ich auch sehr viel Sachen weggelassen, etwa den Leiterwagen, weil ich weiß, das dauert erstens sehr lange, zweitens bringt es nichts, weil in ganz Süddeutschland überall dieselben Bezeichnungen vorhanden sind. Aber interessant sind natürlich Gefäße, weil man die immer noch kennt, und die werden oft anders verwendet als früher. Also wenn man früher die die Sau noch selber geschlachtet hat, dann gab es große Gefäße und diese Gefäße sind noch vorhanden. Man verwendet sie jetzt vielleicht als Kinderbadewanne oder sonst was. Und das ist interessant. Wir fragen dann diese Gefäße ab, bekommen Wörter und bekommen dann Wörter oftmals, die dann wieder weggehen vom Gefäß und dann als Schimpfwort erhalten bleiben. Ein schönes Beispiel für mich ist immer das Wort "Brente". Das ist ein altes romanisches Reliktwort, das weitverbreitet war und auch in Süddeutschland und das dann in ganz verschiedenen Bedeutungen gelandet ist. Bis zum Schlittenaufsatz eines Schlittens also auch wieder ein Gefäß wäre, sozusagen. Und irgendwann wussten die Leute gar nichts mehr anzufangen mit diesem Wort und haben gesagt Ja, das ist ein Schimpfwort für eine alte Person. Da sieht man so einen Strukturwandel. Wörter werden oft noch gekannt, aber man weiß die Bedeutung nicht mehr und fängt dann an herumzuspielen.
Speaker3: [00:15:03] Oft ist es in der Situation auch so, dass die Leute etwas antworten wollen, aber ebenso in Schimpfwörter. Die bleiben dann oft, manchmal noch da, bleiben die Wörter noch erhalten. Also solche Bedeutungsverschiebungen. Das ist eigentlich das Interessante, was wir dann beim Sprachatlas noch so herausbekommen. Ja, ja, ansonsten natürlich. Inhaltlich hört man sehr viel, aber auch über das Sprechen selber ist zum Beispiel sehr interessant. Also wir haben jetzt in jüngerer Zeit wieder Interviews durchgeführt und haben festgestellt, dass es eben nicht mehr so leicht ist, als außenstehende Person von der Uni kommend mit den Leuten im Dialekt zu sprechen. Also das heißt, die Leute wussten zwar, dass wir von ihnen das gerne wollten, da sich der Sprachatlas ich dann einfacher, weil wir nach Wörtern fragen und und da geht es dann schon, dann schalten sie um. Aber wenn wir es gern möchten, dass Sie mit uns eine Erzählung bringen wie zu Ruoffs Zeiten und zu sagen jetzt erzählen Sie mal von früher oder so, und dann ist es heute fast nicht mehr möglich, dass die Leute uns im Dialekt antworten. Also das ist ein sehr interessantes Phänomen, das ich mir erst jetzt bewusst geworden die letzten Jahre durch die neuen Interviews, weil man eben dann keinen Fehler machen darf. Man darf nicht dann sagen, das ist ein Lautwandel passiert von früher auf heute, sondern Nein, nein, das ist ein Registerwandel. Passiert, Ja. Der Dialekt ist heute etwas für den familiären Bereich und ich als forschende Person gehöre nicht zum familiären Bereich. Also spricht man mit mir Regionalsprache. Also das sind so Dinge, auf die muss man unbedingt achten, sonst macht man ganz schlechte Ergebnisse. Eigentlich falsche Ergebnisse. Man bringt dann etwas heraus, was gar nicht stimmt.
Speaker1: [00:16:40] Wir haben dahingehend tatsächlich auch ein bisschen was vorbereitet. Wie in den letzten Folgen auch haben wir ein paar Beispiele rausgesucht aus dem Arno-Ruoff-Archiv. Und du hattest ja eben schon kurz erwähnt, dass diese Aufnahmen zum einen eben viel Möglichkeiten bieten, um sprachwissenschaftlich zu forschen, aber eben auch kulturwissenschaftlich, weil es Erzählungen sind. Und darum geht es jetzt in dem nächsten Beispiel vor allen Dingen. Sprich was erzählen uns die Aufnahmen? Und wir würden jetzt gerne eben aus dieser Sammlung ein Beispiel aus Oppelsbohm anhören von 1964. Die Aufnahme ist erfolgt mit einem Sprecher, einem Bauern, der 1895 geboren wurde. Und hier hören wir jetzt einen kurzen Ausschnitt, wo es thematisch darum geht, einen Markt zu besuchen bzw. Wie der Weg hin zum Markt ist.
Audiobeispiel 1: [00:17:38] Ha – [Räuspern] Auf den Markt sind die Leute schon, nicht. Wir haben hier auch einen Markt, jetzt, schon etliche Jahre, zwei Mal im Jahr. Ja. Zum Beispiel meine Schwieger [= Schwiegermutter] gerade ist da von Necklinsberg gewesen. Die hat 200 Eier hineingetragen von Necklinsberg nach Winnenden auf dem Kopf, ungehoben [= ohne sie zu halten], ungehoben. Das sollte heute auch eines machen. [Lachen] Tatsächlich. Da haben sie so einen Bausch [= gepolsterter Tragring] gehabt, also so ein, so einen runden Bausch, nicht wahr, und da sind Spreuer [= Kornhülsen] drin gewesen. Nicht, das ist vielleicht so dick gewesen. Und in, und in der Mitte ist er hohl gewesen, und das hat (da)nach, nicht wahr, gut gehoben [= gehalten] auf dem Kopf. Da haben – und (da)nach haben die, mit dem Kopf haben die balanciert, da.
Speaker1: [00:18:24] Hubert, könntest du uns vielleicht kurz noch ein bisschen was sagen, was wir im Hinblick auf Dialektforschung von dieser Aufnahme herausfinden können?
Speaker3: [00:18:32] Ja, bei dieser Aufnahme hört man natürlich erst mal ganz genau hin. Hört sie sich zwei, drei Mal an und stellt dann fest, dass hier einige schwäbische Elemente ganz klar vorhanden sind und zum Beispiel der Diphthong dieses ei, das wir nennen das mittelhochdeutsch langes i, das wird hier gesprochen, aber eben auch sehr schön, das gwea/gwäa, also die Vergangenheit gewesen. Typisch schwäbischer, schwäbisches Partizip, dann Oier, und und dass die Eier, also der Diphthong. Wir haben in der Sprachwissenschaft immer wieder als Bezugssystem das Mittelhochdeutsche, weil die Dialekte eben aus dem Mittelhochdeutschen kommen und nicht aus dem Hochdeutschen. Und deswegen müssen wir immer wieder nachgucken, wie war denn das mittelhochdeutsche Ausgangswort? Und dementsprechend machen wir dann so kleine Gesetze und sagen Ja, aus einem i wird ein ei, und aus dem u wird ein ou, und aus einem ei wird ein oi oder so, und wenn wir das dann durchgehen, dann können wir festhalten, woher die Person kommt. Und hier haben wir es natürlich mit einer ganz klaren schwäbischen Mundart zu tun. Und dann könnten wir jetzt ins Detail gehen und nehmen den Sprachatlas und schauen uns dann im Sprachatlas bestimmte Phänomene an, also zum Beispiel dieses gwea, gwäa. Wo gilt dies Im Schwäbischen? Es gibt ja auch Gegenden, wo man gwest, gwäst sagt für gewesen. Also zum Beispiel im Raum Ellwangen, Ostalb da oben, der Fall. Und dann guckt man sich an, wo das ei, also nicht Eier, sondern Oier sagt, Dann gheebt das lange E oder was noch alles gehabt. Man schaut einfach dann bestimmte Lautungen durch und wenn man das hat, dann kann man die Person sogar eingrenzen, wo sie also her ist. Und in dem Fall haben wir es meines Erachtens hier mit einer Grundmundart zu tun. Eindeutig durchgehend. Ich habe jetzt gar nichts gehört, dass da irgendwas aus der Standardsprache reingerutscht ist. Auch der Märkt ist sehr schön in dem Fall. Also auch das ist eine Lautung statt Markt, dass man Märkt sagt, die ganz klar zur Grundmundart gehört. So etwas würde man dann vorgehen um diese, dieses Beispiel, dieses kleine Beispiel bereits etwas zu analysieren.
Speaker2: [00:20:52] Schön fand ich auch, dass wir jetzt so ein verlorenes Wort da auch dabei hatten. Unter anderem "Bausch" ist jetzt ein Wort, was mir und meiner Generation, denke ich, nichts mehr sagen würde. So wie ich es verstanden habe, ist es irgendein Tragegerät, was man auf dem Kopf trägt. Hubert, ist es so, oder?
Speaker3: [00:21:10] Ja, ich glaube, das ist also auf dem Kopf ist wie so eine Art, so habe ich es verstanden jetzt, ein, ein wie ein Kranz. Ja, so ein, so ein Etwas, wo dann die Eier nicht rausfallen können. Also das Phänomen ist ja wirklich schon großartig. Die Frau trägt die Eier auf dem Kopf. Und wer immer so schön sagt auch schön im Grunddialekt õgheebt. Also ohne dass er mit den Händen nach oben greift und die Eier hält, sondern ungehoben/ungehebt sozusagen. Ähm, das ist also. Ja, habe ich selber nie mehr erlebt. Sie selbst als Kind nicht. Also das ist schon eine sehr, sehr archaische Methode, aber eben umso schöner. Hier hat man auch wieder ein ja, wenn man so will, einen Kulturwandel. So gehen die Leute schon in den 70er Jahren nicht mehr auf den Markt, wie er es erzählt. Überhaupt, das ist ja auch interessant. Wie gehen die Leute auf dem Markt, welche Möglichkeiten haben sie heute? Auch das erzählen ja die, die die Geschichten, die gebracht werden, auch sehr viel. Also ich finde auch das, was wir in den Hörbüchern haben, auch da immer wieder wird der Wandel thematisiert. Am Anfang wird man pitschnass, wenn man auf den Markt geht, ist den ganzen Tag in nassen Klamotten auf dem Markt und dann kommt der Bus und dann kommt das eigene Auto usw. Und dann wird es immer besser. Also auch das ist interessant, wie so Kleinigkeiten nebenbei erzählt werden und die dann zeigen, wie was ist, wie sich die Welt inzwischen verändert hat.
Speaker1: [00:22:36] Und gerade aus kulturwissenschaftlicher Sicht sind Märkte ein tolles Thema, das wir uns anschauen können, weil sie also Märkte grundsätzlich nicht nur eine wirtschaftliche Funktion haben, sondern vor allen Dingen auch gesellschaftliche, historische, symbolische Dimensionen aufweisen, die hier auch nachzulesen sind. Auch an so einem kleinen Beispiel oder auch weiteren Beispielen, die auf den Hörbüchern zu hören sind, weil es da eingeordnet wird, wie Menschen, die zum Markt wollten, um dort Produkte zu verkaufen, die in der Landwirtschaft produziert worden sind, in irgendeiner Form. Und da ging die Frau als Marktsteherin zu Fuß und brauchte irgendwie eine Möglichkeit, um die Produkte auch zu transportieren. Und darüber hinaus sind Märkte eben grundsätzlich als soziale Räume anzusehen, wo Interaktion stattfindet zwischen den Händler:innen, zwischen den Besuchenden und Kaufenden und nicht nur im Hinblick auf Ökonomien, sondern auch ganz alltäglich Teil unseres Lebensalltags. Und das im Wandel der Zeit. Wir haben aber jetzt gerade durch das Beispiel und auch durch deine Ausführungen schon einiges über die Hörbücher gehört und wir würden jetzt gerne mal die wichtigsten Projekte der Arbeitsstelle zentrieren. Die Wanderausstellung, die Hörbücher, vielleicht auch das Schulprojekt oder die Schulprojekte, weil es ja jetzt mehrere sind. Und da würde uns interessieren, auch weil hier jetzt eben genau diese sprachwissenschaftliche und kulturwissenschaftliche Vernetzung oder Zusammenarbeit immer konkreter wurde in diesen Projekten, was du uns zu diesen einzelnen Projekten erzählen kannst. Vor allen Dingen im Hinblick auf die dahinterliegenden Themen, auf Fragestellungen und vielleicht auch Probleme, die aufgekommen sind und weshalb die Arbeitsstelle auch immer weiter existiert hat und diese Probleme auch angegangen wurden.
Speaker3: [00:24:32] Ja, gerne. Die Arbeitsstelle hat sich unglaublich verändert und weiterentwickelt. Also zunächst mal war es ja nur dieser Sprachatlas und ich hatte eigentlich gedacht, nach drei Jahren ist Schluss. Wir haben noch ein, wie gesagt ein Jahr bekommen Verlängerung, aber auch nur so auf Minimalbasis und dann war Feierabend und ich hatte dann angefangen, schon so erste Karten selber zu zeichnen, weil ein Atlas muss ja auch irgendwie veröffentlicht werden. Auch das Gott sei Dank schon digital war, hatten wir das gedacht, dass man das macht für Geld. Geld für Publikation war nicht vorhanden. Und dann hatten wir überlegt, wie geht es weiter? Und ich hatte dann damals mit dem damaligen Dekan, aber auch mit Bernhard Johler [Korrektur des Namen durch die Redaktion: Reinhard Johler ist hier gemeint], dann ein Besuch beim Ministerium, das ganz arg schwierig war, bei dem wir richtig abserviert wurden und man hat uns aber beim Rausgehen dann gesagt, wir sollten einfach einen neuen Antrag stellen. Also wir können mit den alten Sachen nicht weitermachen. Und da fiel dann das Wort Digitalisierung. Und das war damals ein Zauberwort. Da muss ich schon sagen. Und dann war uns klar, wir könnten ja den Sprachatlas digital veröffentlichen und wir bräuchten dazu aber einen Informatiker. Und dann haben wir überlegt Digitalisierung, Das machen wir jetzt aber ganz groß. Und im Zentrum soll jetzt das Archiv stehen. Wir möchten gerne das Archiv digitalisieren mit den ganzen Aufnahmen und dann den Sprachatlas digitalisieren und digital veröffentlicht und auch noch einen sprechenden Sprachatlas machen. Da wir ja einen Informatiker hatten, wollten wir den natürlich auch möglichst gut nutzen.
Speaker3: [00:26:07] Und so ist das Ganze plötzlich ganz breit gestaltet worden. Ganz viel weiter, als es ursprünglich mit diesem Atlasprojekt. Und jetzt kamen wir zum Schwerpunkt Digitalisierung des Archivs. Der Atlas war praktisch nur noch so eine Art Endprodukt. Damit das abgeschlossen wird. Aber die Digitalisierung stand jetzt im Zentrum. Und da war das Glück, dass wir mit Mirjam Nast eine Kulturwissenschaftlerin dabei hatten, die also dann diese Aufnahmen ganz gezielt auf kulturwissenschaftliches Interesse untersucht hat. Wir haben dann die Aufnahmen von Baden-Württemberg alle noch mal übersetzt und und dann mit Kommentaren versehen, aber auch Kommentare sowohl sprachwissenschaftlich als auch kulturwissenschaftlicher Seite. Wir haben da anfangs noch ein bisschen getüftelt, weil wir nicht wussten, wie wollen wir es machen. Es ist ja dann immer ganz wichtig, finde ich, dass man schaut, was andere schon gemacht haben, damit man nichts Neues erfinden muss. Und wir sind damals nach Zürich gefahren und haben bei den Schweizer Kollegen gefragt, wie sie denn digitalisieren. Und haben dann selber ein paar Versuche gemacht und kamen dann darauf. Es hat keinen Wert, das mit dem Computer zu machen, der dann Übersetzungen, die schon unter Ruoff gemacht worden sind, dass man die dann einscannt und der Computer korrigiert die. Wir haben ein paar Versuche gemacht. Das war so kompliziert, das war mit so vielen Fehlern behaftet, dass das eintippen, neue eintippen viel schneller war als das mit dem Computer. Und dann haben wir das gemacht und haben das sozusagen in Mannheim beim Institut für deutsche Sprache eine Software bekommen, mit der wir dann die Digitalisierung durchführen können.
Speaker3: [00:27:39] Und dann haben wir dann zu, äh, ja zu dritt diese Arbeit durchgeführt, auch mit Kontra lesen. Also ich habe dann alle Übersetzungen immer noch im Bus damals gelesen, auf der Heimfahrt. Ähm und äh und Miriam hat sich auch ein Register erstellt. Und so kamen wir dann dazu, dass wir sowohl den Sprachatlas an digital hatten, am Ende aber auch einen sprechenden Sprachatlas. Dank unseres Informatikers Andreas Ganzenmüller, der eine volle Stelle hatte damals. Das war eigentlich ungewöhnlich. Meistens gibt es nur halbe Stellen, aber er hat mit dieser vollen Stelle tolle Arbeit geleistet und hat dann eben auch noch mit dem sprechenden Sprachatlas ein schönes Projekt gemacht für die Öffentlichkeit. Denn wir wollten immer auch etwas für die Öffentlichkeit tun und dann mit der Wander.... Und dann kam eben mit der Digitalisierung die Idee, eigentlich könnte man doch mal was Kulturwissenschaftliches machen mit dem Arno-Ruoff-Archiv. Und da haben wir beim Ministerium für ländlichen Raum und Verbraucherschutz angefragt, ob sie nicht uns da ein Hörbuch-Projekt finanzieren, was sie getan haben. Und so hat dann Miriam vor allen Dingen aus den Aufnahmen ein paar Themen herausgenommen und hat diese Themen dann mal chronologisch beschrieben. Mit Originalaufnahmen hat sie kommentiert und ich habe dazu immer die Aufnahmen dann sprachwissenschaftlich kommentiert, so dass wir hier zum Ersten Mal eine sehr schöne Kombination hatten von Sprach und Kulturwissenschaft.
Speaker3: [00:28:56] Und dieses Hörbuch hatten wir dann abgeschlossen und hatten dann das Glück, dass wir noch ein zweites Hörbuch machen konnten und das war sozusagen eine sehr, sehr schöne Kombination. Und dann kam es zur dritten Kombination, nämlich zu einer Wanderausstellung, bei der wir immer gesagt hatten eigentlich ist es so mühselig, wir fahren durch die ganzen Länder, durch die ganzen Lande sagen und erzählen, auch bei Vorträgen wie das ist mit Sprache und mit Kultur usw. wir versuchen jetzt das, was wir im Hörbuch gemacht haben, auf Stellwände zu projizieren und haben das dann in der Coronazeit gemacht. Wirklich in Fernbeziehung sozusagen mit unserer Grafikdesignerin. Und das war eine sehr schöne Zusammenarbeit, so dass wir dann einiges vom Hörbuch in die Tafeln der Wanderausstellung gestellt haben, aber auch die sprachwissenschaftliche Seite mit eigenen Stellwänden. Und so kam es zu einer Wanderausstellung von 15 Stellwänden, die wir seither unglaublich erfolgreich im Land und sogar nach Berlin schon gezeigt haben. Also das ist so diese unglaubliche Entwicklung, die plötzlich passiert, dass aus Null, wenn man so will. Also man hat uns wirklich eigentlich es war zu Ende und dann ging es plötzlich wieder ganz neu los und ganz groß. Und das war wirklich die, die der Anfang dieser Kombination und von der geben wir inzwischen nicht mehr weg. Kultur- und Sprachwissenschaft arbeiten zusammen seither. Und so kam es dann noch zu weiteren Projekten, auf die ich dann vielleicht noch gleich eingehen werde.
Speaker1: [00:30:22] Zum Übergang würde ich jetzt gerne noch mal eine zweite Aufnahme einspielen, die auch aus dem zweiten Hörbuch stammt. Zum Einkaufen. Und vielleicht können wir da wieder so ein bisschen sowohl über Sprache als auch Kultur sprechen, um das noch ein bisschen begreifbarer zu machen für unsere Hörer:innen. Und zwar hören wir jetzt einen kurzen Ausschnitt von einer Sprecherin aus Tübingen. Die Aufnahme ist 1961 entstanden und die Sprecherin ist 1939 geboren.
Audiobeispiel 2 - Sprecherin: [00:30:57] Ja, nun, es ist so, also meistens kauft meine Mama ein, nämlich die.. weil ich meistens im Amt bin so werktags. Manchmal sage ich ihr, dass ich die ganze Taschen da in den Läden stehen lassen soll und so, dass ich so um zwölf bzw. abends um halb sechs mitbringe, wenn ich vom Abend nach Hause komme.
Audiobeispiel 2 - Sprecher: [00:31:18] In was für Läden?
Audiobeispiel 2 - Sprecherin: [00:31:20] Ja, also meistens in so kleineren Lädchen. Bin eigentlich nicht so sehr für Selbstbedienungsläden.
Audiobeispiel 2 - Sprecher: [00:31:28] Was gefällt mir daran nicht?
Audiobeispiel 2 - Sprecherin: [00:31:30] Ja, also zunächst mal es ist so, wenn man da nur eine Kleinigkeit will, dann muss man da immer so einen Korb nehmen und da durch den Laden da latschen. Und das sieht meistens ein bisschen komisch aus, wenn man da mit so einem kleinen Fläschchen da durch die Gegend geht. Also ich gehe gerne in so kleinere Läden, da bekommt man ja genauso einen Rabatt wie in den Selbstbedienungsläden.
Speaker1: [00:31:55] Wir haben diese Aufnahme jetzt wirklich sehr bewusst ausgewählt, auch weil sie so unterschiedlich zu der ersten ist, die wir heute gehört haben. Julia und ich haben schon häufiger darüber gesprochen, dass wir einen komplett anderen Blick oder ein anderes Hören anwenden, wenn wir diese Aufnahmen hören. Julia Eben. Absolut sprachwissenschaftlich erstmal und ich eben kulturwissenschaftlich, weil ich total spannend finde, also direkt beim ersten Hören, was einfach alles drin vorkommt. Aber vielleicht erzählst du einmal, warum auch diese Aufnahme es ins Hörbuch geschafft hat und wie du als Sprachwissenschaftler damit umgehst, vor allen Dingen im Hinblick auf Dialekt, aber auch darüber hinaus.
Speaker3: [00:32:34] Ja, die Aufnahme hat es geschafft, weil sie soll auch ein bisschen das Spektrum zeigen von gesprochener Sprache, also Ruoffs Interesse war nicht, den Ortsdialekt zu kriegen, sondern er wollte die Leute reden lassen, wenn es möglich war in ihrer normalen Sprache. Das war halt damals in den 50er, 60er Jahren noch sehr oft der Ortsdialekt und aber er ist auch in die Städte gegangen und das ist auch für uns dann wichtig gewesen, dass wir auch bei unserer Sprachforschung, beim Sprachatlas in die Städte gegangen sind. Also alle Nord-Baden-württembergischen Städte sind im Atlas drin, und wir wollten sie nicht weglassen, sondern wir wollten einfach wissen, was von den Phänomenen, die man im Umland kennt denn in der Stadt vorhanden sind oder nicht mehr vorhanden sind. Und deswegen gehört es einfach zum Sprachalltag dazu. Und ich finde, das war damals eine sehr schöne Erfindung von Bernhard Tschofen, unser Projekt immer Sprachalltag zu nennen. Sprachalltag 1, Sprachalltag 2. Wir wollen den Sprachalltag in seiner ganzen Facette zeigen und dazu gehört eben auch diese Aufnahme dazu, die nicht mehr Grundmundart Tübingen ist, sondern das ist jetzt nun wirklich eine regionale Standardsprache. Also die Frau bemüht sich sehr stark in Standard zu sprechen. Es rutscht ihr manchmal was raus, aber eben allein schon die Betonung der Infinitivendungen.
Speaker3: [00:33:49] Das ist sehr untypisch auch für eine Regionalsprache. Also sie ist da wirklich schon in einer Ebene, wo man zwischen Regionalsprache und Standard irgendwo was suchen könnte. Sie diphthongiert auch nicht auf schwäbische Art. Sie vermeidet auch offene e-Lautungen usw. Also das ist ganz interessant, dass sie sieht wirklich sehr städtisch, würde ich sagen. Spricht und Aber eben das gehört dazu zu unserer Welt, dass es auch diese Sprache gibt und deswegen ist es auch wichtig, dass sie dabei ist. Also es ist auch manchmal so, dass uns immer wieder vorgeworfen wird, wenn man sagt, Ja, ich beschäftige mich mit Dialekten, das ist doch ein alter Zopf, das darf man nicht mehr tun, das ist doch rückwärtsgewandt usw. Also man muss immer wissen, warum man was macht. Und unser Ansatz war ja damals, mit dem Sprachatlas eben die Grundlagen zu haben, damit wir wissen, von was wir ausgehen, wenn die Leute nicht mehr Dialekt sprechen. Das ist doch ganz wichtig. Ich muss doch wissen, woher kommt dieser Laut? Er kommt ja von der Stadt. Oder kommt er vom Nachbardialekt? Oder kommt er von der Standardsprache? Oder woher kommt er? Und? Und dann kann man eben schauen, das ist jetzt, glaube ich, das, was wir jetzt heute auch in den letzten Jahren getan haben an der Arbeitsstelle, dass wir uns diesen neueren Richtungen, diesen neuen Registern sozusagen gewidmet haben, dass wir auch versucht haben, die mit hineinzuziehen und auch auch natürlich ganz alles, was um sie herum passiert.
Speaker3: [00:35:13] Also über Bewertungen und und wie die Leute dazu stehen, zur Sprache und wie sie sich dann ändert. Also all diese Dinge, die haben wir jetzt dann aufnehmen können, aber auch nur, weil wir halt jetzt die Grundlagen haben. Ich will es immer so vergleichen ohne, ohne Keller oder heute werden oft keine Keller mehr gebaut. Also ohne Bodenplatte geht nichts beim Hausbau. Und das sind bei uns die Grunddialekte. Wenn man die nicht kennt, bleibt alles nur reine Spekulation. So, und deswegen diese Aufnahme muss hinein. Finde ich gut. Sie zeigt natürlich auch hier muss man schon sagen, die Aufnahme ist kulturwissenschaftlich interessanter als sprachwissenschaftlich zweifellos. Also das ist von Mirjam sehr schön ausgesucht gewesen. Dieses Thema Markt fand ich auch persönlich unglaublich spannend, muss ich wirklich sagen. Also es war spannend im richtigen Sinne. Also heute ist ja sonst alles spannend, aber dies ist wirklich ein richtig tolles Thema. Also ich kann das nur wärmstens empfehlen.
Speaker1: [00:36:11] Und man sieht ja eben aus diesen beiden wirklich kurzen, immer unter einer Minute gebliebenen Beispielen, hört man schon ganz, ganz viel raus. Also wie sich Einkaufsverhalten im weitesten Sinne einfach verändert hat, durch äußere Bedingungen, aber auch neue Möglichkeiten, durch Globalisierung, grundsätzliche Transformationsprozesse, neue Produkte, die auf den Markt gekommen sind, Erleichterungen durch Erfindungen, eben nicht mehr die Eier mit dem Bauch transportieren, sondern in anderer Form usw. Und das liest sich eben an so kleinen Beispielen tatsächlich sehr gut heraus.
Speaker3: [00:36:47] Ja, ich finde auch das Schöne bei den Ruoff-Aufnahmen ist, dass man eben auch eine Art Kulturgeschichte, ich will jetzt nicht sagen von unten sieht, aber es ist eine Kulturgeschichte des Alltags. Also das ist auch für uns so interessant, dann auch zu hören, wie die Leute von damals bestimmte Dinge erlebt haben, die wir heute ganz anders sehen. Für mich ist zum Beispiel sehr interessant gewesen, wie die Leute damals die Fabrikarbeit gelobt haben, wie sie toll fanden, dass in der Fabrik arbeiten konnten. Für uns würde sie sagen: "Wie kann die nur das gut finden?" Aber aus ihrer Sicht damals war das ein Riesenfortschritt, in der Fabrik arbeiten zu können, nicht mehr in den Stall zu müssen, sondern eine klare Uhrzeit zu haben. Und klare Möglichkeiten auch das mit der Kinderbetreuung damals durchzuführen. Also das waren für mich so positive Erzählungen. Die, die für mich wichtig waren, weil ich gemerkt habe, wir sehen das manchmal aus unserem Blick ganz anders und nicht so wie die Leute damals.
Speaker2: [00:37:43] Ja, vielleicht dazu. Ich habe mich sehr gewundert, als ich diese Aufnahme von gerade eben zum Ersten Mal angehört habe, weil ich dachte, sie redet ja vom Selbstbedienungsladen und meint damit aber eigentlich so was, was wir heute ganz normal als einen Supermarkt bezeichnen würden. Soweit ich das jetzt verstanden habe, dass man mit einem Einkaufskorb da durchläuft und es war ihr aber irgendwie unangenehm, weil sie dann vielleicht auch sagt, wenn sie dann nur eine oder zwei Sachen drin liegen hat, dann ist das irgendwie so komisch. Und für uns ist es ja ganz normal.
Speaker1: [00:38:12] Genau. Aber auch da kann man dann eben rauslesen, wir erinnern uns alle an die Selbstbedienungskassen, als die eingeführt worden sind. Vielleicht nicht alle, aber viele erinnern sich daran, dass es da eine große Diskussion darum gab, ob es gut ist, ohne Interaktion mit den Kassierer:innen im Supermarkt auszukommen. Und genau das sieht man halt daran auch, dieser Wandel, der sich festmachen lässt. Früher vermutlich eben kleine Dorfläden, Tante Emma Läden, wie sie früher genannt worden sind, wo wirklich jemand am Tresen an der Kasse stand und die Dinge rausgesucht hat oder nur ganz bedingt selber Sachen rausgesucht wurden, hin zum Supermarkt, wie wir ihn alle heute kennen. Eben diese großen oder relativ großen Supermärkte, wo man sich alles mit Einkaufswagen oder Korb selber raussucht, eben wie sich das verändert hat und wie auch im Alltag. Und gerade deshalb ist die kulturwissenschaftliche Dialektforschung, glaube ich, ganz gut im Ludwig-Uhland-Institut angesiedelt, weil es da in der Empirischen Kulturwissenschaft vor allen Dingen um Alltagsforschung geht und was wir im Alltag über Themen, die wir mit dem Begriff Kultur festmachen können, herausfinden können. Und das sieht man an so einem kleinen Beispiel.
Speaker3: [00:39:27] Ja, es ist schon wirklich interessant. Ich kann mich noch daran erinnern, als Kinder wie da die größeren Supermärkte aufgemacht haben. Das war schon eine ganz andere Welt. Und wie du es gerade sagst, man ist halt früher auch bei Lebensmittelgeschäften in einen kleinen Laden gegangen und hat da sich bedienen lassen. So wie man heute beim Metzger noch steht, so ist man damals eben auch in den anderen Läden gewesen. Oder Drogerieladen zum Beispiel weiß ich noch sehr gut bei uns. Das war ein wirklich kleiner Laden, da geht man hin und da war der Drogist im weißen Kittel und hat einem dann die Sachen besorgt. Später hat er selber dann den ersten Supermarkt in Anführungszeichen aufgemacht, indem er vielleicht doppelt so groß, dann die Fläche hatte und dann ist man mit so einem Körbchen rumgelaufen. Und das ist das, was die Frau gerade beschreibt und auch zeigt eben, dass hier etwas im Umbruch ist und wie man dazu steht. Auch das immer so interessant. Wie stehen die Leute zu solchen Dingen und wie korrigieren sie sich teilweise auch? Also es gibt eine sehr schöne Aufnahme im Archiv über den ersten Fernseher und da regt sich eben auch der Mann auf, dass da jemand kommt und den Fernseher an seinen Sohn verkauft. Und er lehnt es ab, dass dieser Fernseher bei ihm in die Stube kommt, sondern da muss eine Etage höher zum Sohn. Und jetzt am Schluss sagt er dann eben: "Und jetzt muss ich jedes Mal die Treppe hinauf, um die Nachrichten zu schauen, weil das so interessant ist, was da in der Welt passiert."
Speaker3: [00:40:48] Also da sieht man auch wiederum das sehr schön, dieser Umbruch, ja erst Ablehnung und dann das Positive doch erkennen. Also das ist das Tolle an den Aufnahmen. Man könnte jetzt 1.000 solche Beispiele bringen. Es ist einfach ein großartiges Archiv und ich bin sehr, sehr froh und dankbar auch. Und ich finde auch, das Land kann dankbar sein, dass wir dieses Digitalisierungsprojekt bekommen haben, weil man jetzt eben mithilfe auch von Mirjam Nast Register Arbeiten machen kann zu verschiedenen Themen. Also wenn jemand sagt, ich interessiere mich für dieses Thema oder für jedes Thema, dann muss die Person das eintippen und dann kommen die Aufnahmen raus. Man muss nicht ein ganzes Jahr Tonbänder anhören, um rauszufinden, wo finde ich zu dem Thema war, sondern ich habe das beieinander. Das finde ich natürlich eine ganz tolle Sache. Und da kann das Land, werde ich sagen, da haben Sie das Geld gut angelegt, das Archiv zu digitalisieren und auch die Übersetzung schon zu haben, auch mit Suchmaschinen reinzugehen. Also auch für uns, wenn man Aufnahmen macht, Wir können gleich die Aufnahme herausnehmen für Vorträge und und haben die Übersetzung dabei. Also das ist einfach ein Riesengewinn und ich glaube, sie hat zwischen 40 und 50 Schlagwörter herausgeholt und so haben wir genügend Material, um die Kulturgeschichte des Landes Baden-Württemberg von Leuten erzählen zu lassen.
Speaker2: [00:42:06] Ja, vielen Dank für den Einblick. Vielleicht können wir jetzt noch mal was ganz anderes besprechen, und zwar die Zukunft der kulturwissenschaftlichen Dialektforschung. Also was denkst du denn, sind Projekte, die da realisiert werden sollten? Oder wie ist überhaupt die Entwicklung? Vielleicht in diesem interdisziplinären Feld?
Speaker3: [00:42:25] Ja, in den letzten Jahren haben wir unser Feld noch mal erweitert und sind noch mal einen Schritt weitergegangen. Denn jetzt kam auch die Frage auf, ja, was passiert eigentlich mit dem Sprechen, mit den Dialekten? Gibt es das überhaupt noch im Land? Und da hat man auch diese Dialektinitiative des Ministerpräsidenten von Baden-Württemberg, Winfried Kretschmann, der da auch uns sozusagen angestopft hat und den ich ja beraten hatte. Und da war uns dann auch in den Gesprächen mit ihm immer die Frage gekommen, ja, wie viele Leute reden eigentlich noch Dialekt? Und was spricht man dann, wenn man nicht mehr Dialekt spricht? Und wie sieht es eigentlich aus mit der Aufklärung? Wir hatten ja diese Wanderausstellung gemacht und immer wieder erweitert, um die Leute aufzuklären, was, was Sprache ist, was Dialekte sind. Und dann habe ich einerseits Untersuchungen mal gemacht und habe Ortsvorsteherinnen und Ortsvorsteher in Baden-Württemberg gefragt, wie denn bei ihnen gesprochen wird. Im Freundeskreis, beim Sport, im Verein, auf dem Rathaus, auf dem Landratsamt usw. und dann haben wir aber auch mal die Schulbücher untersucht, mit Frank Janke zusammen, wie man über Dialekt überhaupt aufgeklärt wird und Standardsprache in der Schule. Und da war das Ergebnis katastrophal, das muss man ganz eindeutig sagen. Das ist in Bayern bereits vor uns gemacht worden. Wir hatten uns also diese Idee dann da kopiert und haben dann dasselbe Negative bekommen. Das heißt, im Dialekt weiß man eigentlich nicht Bescheid, und zwar deswegen, weil, glaube ich, viele in der Schule glauben, sie wissen Bescheid. Und wir hatten dann einfach mal alle Schulbücher untersucht.
Speaker3: [00:43:56] Man muss. Das ist so ein Ansatz der aufgeklärten, der moderneren Sprachkritik von Uwe Pörksen und [?], ein Kollege und Lehrer von mir von früher, die eigentlich immer diesen Ansatz hatten. Wenn man was kritisiert, muss man erst mal schauen, was vorhanden ist. Und dann haben wir die ganzen Sprachbücher angeschaut, Frank Janle und ich kamen zum Schluss, die Aufgaben sind schlecht gestellt, entweder gar nicht oder noch so, dass man noch mehr Vorurteile hat beim Dialekt. Dann haben wir Gegenvorschläge gemacht als Aufgaben und dann war auch gesagt, wir müssen eigentlich noch einen Schritt weitergehen. Wir müssen den Lehrerinnen und Lehrern die Sachen noch besser präsentieren und sie aufklären. Und in der heutigen Zeit kann man unglaublich viel mit Bild und Ton machen und haben dann ein Projekt noch mal initiiert bei der Stihlstiftung. Die hatte uns bereits eine Grundschuluntersuchung finanziert, bei der wir nachgeguckt haben, was können die Kinder eigentlich noch in der ersten und zweiten Klasse? Was sprechen die? Aber auch was sprechen die Lehrerinnen und Lehrer? Das waren sehr, sehr interessante Untersuchungen, auch aus Bayern bereits mit Kindergärten gemacht und wir haben das mit Grundschulen gemacht. Und wir haben dann gesagt, das Ergebnis von all diesen Untersuchungen muss sein, dass wir neues Material brauchen für die Schulen, und zwar ein Material, das digital verfügbar ist, fertig sein muss. Und es schwebte uns immer vor, so eine Art Webseite zu kreieren oder Podcasts zu machen. Ja, und dann kam es wiederum dazu, bei der Stihlstiftung anzufragen.
Speaker3: [00:45:39] Die waren sofort begeistert. Und dann war das Glück, dass inzwischen ja auch die Nachfolger am Institut durch euch beide geregelt war. Was natürlich ein Riesenglück war, das muss man schon sagen. Zwei feste Stellen. Damit wird endlich die Forschung stabil auf die nächsten Jahre hin sein. Und neben diesen festen Stellen war natürlich auch wichtig, dass man noch Projekte macht. Und dieses Projekt "Dialekt und Du" habt ihr dann benannt und ich glaube, das geht genau in die richtige Richtung. Die Stihlstiftung war dabei und nun bin ich sehr gespannt, wie es dann in dem Jahr in einem guten Jahr dann sein wird. Denn jetzt seid ihr dabei, dieses Projekt zu füllen. Und ich glaube, es ist völlig richtig, Man darf nicht mehr mit irgendwelchen Lehrerheftchen in die Schulen gehen und aufklären, sondern man muss modernes Material bringen, lebendiges Material, authentisches Material. Und das ist das, was eben heute möglich ist. Und die Grundlagen sind vorhanden. Und umso schöner, dass es dieses Projekt gibt. Also da sieht man, der Weg ist unglaublich weit gegangen vom Zwirner-Korpus aus den 50er Jahren bis heute zu Dialekt und Du und dem Podcast auch, dass ihr nun mit dem Ministerium für ländlichen Raum und Verbraucherschutz gemacht habt. Auch das zeigt eben, wie der Weg gegangen ist. Und ich finde, das ist ein großartiger Weg. Also ich finde es toll, was da passiert ist und ich freue mich, dass wir ja mit vieler Unterstützung von verschiedenen Personen in der Arbeitsstelle diesen Weg gehen konnten.
Speaker2: [00:47:10] Ja, wir werden euch auch gerne noch die Infos zum Dialekt und Du-Projekt in den Show Notes verlinken. Einfach für diejenigen von euch, die da Interesse haben, noch mehr dazu zu erfahren. Ich würde jetzt aber sagen vielleicht zum Abschluss Hubert, gibt es vielleicht noch eine Aufnahme, die dir besonders in Erinnerung geblieben ist? Vielleicht eine aus dem Hörbuch oder eine, mit der du auf andere Weise gearbeitet hast in deinen Vorträgen, die du vielleicht mit uns teilen könntest.
Speaker1: [00:47:41] Und vielleicht ergänzend dazu, wo du festmachst, warum sie dir in Erinnerung geblieben ist, ganz persönlich. Also was dich an der Aufnahme einfach begeistert.
Speaker3: [00:47:52] Ja, eine sehr schwierige Frage, weil man so viele Aufnahmen im Kopf hat. Also ich habe ja schon diese eine Aufnahme von der einen Aufnahme erzählt, aus Alfdorf ist die meines Erachtens, mit dem Fernseher und die finde ich ganz toll, weil sie eben sowohl kulturwissenschaftlich interessant ist. Und da gehe ich natürlich als Laie dann dran und sage Mensch, ist das toll, wie wie der Mann sich verändert hat, wie der Mann plötzlich den Fernseher, der ihn verdammt hat, plötzlich positiv sieht und das auch eingesteht. Und auch sehr schön sprachlich diese Aufnahme. Also es ist eine Aufnahme, die ich sehr gerne verwende. Eine andere Aufnahme von einem Feldhüter, der sehr auch im Grunddialekt spricht und der eben erzählt, wie er auf die Leute aufgepasst hat, dass die Leute nicht die Flure kaputt machen. Und er als Feldhüter war damals eingestellt. Das kennt man ja heute gar nicht mehr, diesen Beruf. Heute gibt es keinen Feldhüter mehr. Aber er erzählt, wie die Bauern eben dann immer wieder versucht haben beim Nachbar noch ein Stück abzufelgen, sozusagen abzupflügen, um damit das dann noch im gehört zu sagen. Wenn man so will modern einen Grenzversetzung vollziehen und oder eben um selber was einzusparen beim Nachbar wenden oder mit der den Dreck hat und nicht man selber und so Sachen. Also auch da zeigt sich dieses Zwischenmenschliche, diese Probleme, die da manchmal auftauchen. Diese Erzählung hat mich übrigens ganz stark an an die Geschichten von [?] erinnert und an Romeo und Julia auf dem Dorf.
Speaker3: [00:49:22] Ich weiß nicht, ob man diese Geschichte noch kennt, aber diese Geschichte erzählt ja letztendlich auch so. Ja, am schlimmsten sind eben die Bauern selber, sagt er dann und erzählt auch sehr schön im alten Grunddialekt. Die Bauern selber, die eben dann am Schluss noch eine eine Kehre machen auf einem anderen Grundstück usw. Also das sind so Dinge, die mir in Erinnerung geblieben. Sehr viele, natürlich viele, viele Geschichten aus dem Schwarzwald, ganz besonders mit dem Heiler, wo die Leute dann vom Heiler erzählen, also von einem Menschen, zu dem sie gegangen sind, wenn sie mit den Krankheiten nicht mehr selber klar kamen, weil der Arzt sowieso viel zu weit weg war. Da war ich vier Stunden zu Fuß oder sechs Stunden zu Fuß weg und im Winter war gar nicht mehr möglich, zu einem Arzt zu kommen. Also hat man sich selber helfen müssen. Und in Baiersbronn gab es da so einen, einen Heiler, einen Morlock, so hieß der. Und die Leute erzählen dann erst mal vorsichtig, sagen es gab keinen und dann doch. Und da hat mir zum Beispiel fasziniert, wie man so nach und nach die Wahrheit rausrückt beim Erzählen, wie die Leute Scheu haben, erst mal darüber zu erzählen. Und dann aber kommen sie doch und erzählen sehr lebhaft. Und sicherlich, eben, das sind dann Fantasiegeschichten, die es natürlich so nicht gab. Und wenn, dann erzählen sie davon, dass es in den in dem Raum hat haben Ketten gerasselt.
Speaker3: [00:50:41] Also der Teufel hatte ja Ketten und das heißt der Teufel selber war anwesend in ihrer Vorstellung also. Aber dann auch wieder dieses ganz Einfache. Bei solchen Erzählungen, der Mensch und das Vieh haben dasselbe bekommen und beide sind gesund geworden. Also war ich dann oft das Ende von solchen Geschichten. Also das sind so so Sachen. Geschichten, die ja, die, die auch gut erzählt sind, also auch das muss man ja sagen, man kann. Das Tolle an an diesem Archiv ist, dass manche Leute grandios erzählen können. Also richtig was sagen. Literaturreif mit Höhepunkt, Einführung und Höhepunkt und und Abschluss. Also auch das sind so bestimmte Aufnahmen. Sprachlich interessant finde ich zum Beispiel eine Aufnahme, bei der Arno Ruoff Pech hatte. Er ist zu einem offiziellen Obstbaumpfleger geraten. Und diese Obstbaumpfleger spricht nun immer in Standarddeutsch, den man im ganzen Vortrag wie man die Obstbäume pflegen muss, wie man sie schneiden muss, wie man es machen muss. Und er ist nicht wegzubringen von dieser standardsprachlichen Vortragssprache. Also man merkt richtig, der Mann ist jetzt in der Rolle eines Vortragenden. Der ist jetzt hier bei den Obstbauern und hält den Vortrag bei der Fortbildung sozusagen. Und dann gelingt es Ruoff mit einem kleinen Zwischenbemerkung Das Jetzt kriegen Sie die Autobahn in Merklingen und dann kippt er um in einen Dialekt. Ja, das finde ich ganz interessant. Plötzlich wird es ganz persönlich. Ja, Autobahn. Jetzt was ganz Neues. Der Vortrag ist weg und das sind so Dinge, die finde ich eigentlich sehr schön, finde ich.
Speaker3: [00:52:13] Immer dieser Wechsel zwischen den Registern. Also da könnte man ewig erzählen. Ein Kind, das vom Theater erzählt hat, hat ja sehr oft auch Kinder mit aufgenommen. Und das Kind erzählt von einem Theaterstück, bei dem es mitgemacht hat. Und es wechselt immer, wenn es vom Theaterstück spielt und daraus was was zitiert, dann wechselt es in die andere Sprachebene. Und dann erzählt das Kind wieder weiter in der anderen Sprachebene. Und das macht das Kind ganz automatisch. Und das finde ich auch toll, dass man das einfach erlebt. Und das Schöne an diesen ganzen Aufnahmen ist eben auch für mich als Sprachwissenschaftler. Deswegen haben mich die Dialekte interessiert. Die Leute reden, wie sie reden, sie werden nicht von uns gesteuert. Wir sagen ihnen nicht die Grammatik ist so, sie müssen jetzt so reden, sondern die reden einfach und sie brechen vielleicht mit einer Grammatik und sie brechen vielleicht mit einem Gesetz, das wir gefunden haben, als Dialektforscher und denken Was? Warum ändert die Person jetzt zum Beispiel die Lautung? Warum sagt sie nicht mehr Bled für blind? Sie sagt doch Ket für Kind und ved für Wind. Aber dann ist mir völlig klar Das sagt nicht mehr bled für blind, weil blöd auch blöd heißt. Und blöd und blind dürfen nicht laut gleich sein. Das geht nicht. Das empfinden die Leute als störend und deswegen machen sie hier das Gesetz wieder rückgängig. Das sind tolle Sachen.
Speaker1: [00:53:31] Super. Also da haben wir jetzt wirklich viele tolle Beispiele gehört, auf denen wir in Zukunft auch aufbauen werden. Also da sind Sie ja auch schon verwendet worden für die Hörbücher für die Wanderausstellung. Wir werden aber in der Arbeitsstelle auch immer wieder auf das Archiv zurückkommen. Gerade eben, wie du es erzählt hast. Weil es so viel hergibt. Weil es einfach eine tolle Basis ist, um in den nächsten Jahren weiter zu arbeiten. Gut, das war unsere heutige Folge speziell zur Tübinger Arbeitsstelle für Sprache in Südwestdeutschland des Podcasts Baden Württemberg erzählt. Vielen Dank Hubert, für diese tollen Einblicke, die du uns gegeben hast.
Speaker3: [00:54:10] Sehr gerne und ich wünsche euch einfach viel, viel Glück, viel Erfolg bei der weiteren Arbeit an der Arbeitsstelle Sprache in Südwestdeutschland. Vielen Dank für euer Interesse.
Speaker1: [00:54:20] Dankeschön! Dann, wenn euch diese Episode gefallen hat, teilt sie gerne, hinterlasst eine Bewertung und dann hören wir uns bei der nächsten Folge.
Folge 4: Arbeit und Freizeit
Im Laufe des letztes Jahrhunderts hat sich die Arbeitskultur massiv verändert. Während auf dem Bauernhof sieben Tage die Woche gearbeitet wurde und das landwirtschaftliche Jahr eng verflochten war mit dem christlichen Jahreslauf, führte die neu aufkommende Arbeit in den Fabriken zu einigen Veränderungen im Arbeitsalltag. Während beispielsweise das Konzept der Freizeit im ländlichen Raum auch in den 50er Jahren noch ein relativer Begriff bleibt, wird Freizeit im städtischen Umfeld in den 60er und 70er Jahren ein viel größeres Thema als je zuvor. Im Podcast zu Gast ist Simone Egger, Juniorprofessorin für Europäische Kulturanthropologie an der Universität des Saarlandes in Saarbrücken. Sie beschreibt sowohl den strukturellen als auch den sozialen Wandel, der mit der Urbanisierung des ländlichen Raums zusammenhängt. Außerdem schlägt sie eine Brücke zur Arbeitswelt von heute und fragt kritisch: „Hatten wir eigentlich nicht schon mal größere Errungenschaften in unserer Arbeits- und Lebenswelt?“
Listen
Speaker2: [00:00:26] Hallo Valeska! Ja, heute geht es um Arbeit und Freizeit und mir kommen da auch so Sachen im Kopf wie 40 Stunden Woche, Work Life Balance usw. Ich bin total gespannt, wie man da als Kulturwissenschaftlerin drauf schaut.
Speaker1: [00:00:41] Genau auf solche Fragen legen wir heute tatsächlich Wert bzw werfen eben einen kulturwissenschaftlichen Blick. Wie wurde Arbeit und Freizeit früher verstanden und wie ist es heute und welche neuen Begriffe sind auch dazugekommen? Dazu hören wir, wie die letzten Male auch historische Tonaufnahmen und sprechen darüber, was sie uns über gesellschaftlichen Wandel erzählen.
Speaker2: [00:01:02] Genau. Ich bin gespannt, ob ich da irgendwelche Anknüpfungspunkte sehen werde als Sprachwissenschaftlerin, ob ich da auch was dazu zu sagen habe oder ob ich einfach nur staunend hier sitzen werde.
Speaker1: [00:01:13] Da bin ich auch gespannt. Bevor wir in die erste historische Aufnahme reinhören, möchte ich unsere heutige Gästin begrüßen. Bei uns ist Simone Egger. Sie ist Juniorprofessorin für Europäische Kulturanthropologie an der Universität des Saarlandes in Saarbrücken. In ihrer Forschung beschäftigt sie sich unter anderem mit Arbeitskulturen, Alltagsleben und eben auch gesellschaftlichen Wandel, also mit Themen, die perfekt zu unserer heutigen Folge passen. Schön, dass du da bist, Simone.
Speaker3: [00:01:41] Ja, vielen lieben Dank für die Einladung. Ich freue mich sehr.
Speaker1: [00:01:44] Gut, dann starten wir doch direkt mit dem ersten historischen O Ton. Die folgende Aufnahme stammt aus dem Jahr 1964 und in ihr hören wir eine Winzerin aus Oberderdingen?
Hörbeispiel: [00:02:00] EX: Ja, der Ort sieht ja ziemlich anders aus wahrscheinlich, jetzt?
Hörbeispiel: [00:02:04] GP: Ja, ja. Das ist nicht so groß gewesen, nicht. Da sind die neuen Häuser sch-, sind, kaum ist ein neues Haus dort gewesen, nicht, mehr, außerhalb noch. Und (da)nach, durch das Geschäft jetzt wird eben viel gebaut.
Hörbeispiel: [00:02:15] EX: Ja, ist da jetzt Industrie drin?
Hörbeispiel: [00:02:17] GP: Ja freilich, da werden die Elektroplatten gemacht. […] Ja, ja. Und die Spültische, werden viele Sachen hier gemacht. Da schaffen [= arbeiten] etliche 1.000 Arbeiter. Und haben noch Filialen noch in Sulzfeld drüben und in Eichtersheim. Ja, ja, das ist schon ein großes Geschäft. Und da schaffen jetzt viele, auch Bauernbuben, nicht, und Bauernmädchen. Und früher sind die Bauernmädchen in die Stelle, nicht. Und die Bauernbuben haben halt so – in den Wald und haben Holz gemacht. Und heute geht alles in die Fabrik.
Speaker1: [00:02:49] Simone Wir haben jetzt gerade gehört, wie diese Winzerin über eine Veränderung spricht, sprich eine Fabrik, und dass auch Bauernmädchen und Bauernbuben dort arbeiten und nicht mehr im Wald oder in der Landwirtschaft. Was würdest du sagen, lässt sich aus dieser Erzählung Kulturwissenschaftler herauslesen?
Speaker3: [00:03:10] Ja, man sieht in der Aufnahme ganz wunderbar, dass sich da eine ganze Menge verändert hat. Vor allem hat sich mal die Art und Weise der Arbeit verändert. Die Bauern waren ja selbstständig. Die Bauernmädchen genauso wie die Baumbuben und hatten ihren Rhythmus, hatten ihren Rhythmus mit den Tieren, wann man aufsteht. Die Kirchturmuhr hat den Rhythmus vorgegeben und jetzt gehen die in die Fabrik, sind nicht mehr selbstständig, sondern sind in Lohnarbeit. Das ist ein ganz anderes Art von Arbeiten. Und das hat natürlich in der Gemeinde dann auch eine ganz andere Dynamik. Viele pendeln auch, wo dann jeweils die Fabriken sind, in die nahe gelegenen Orte. Und viele haben ja auch weiterhin die Landwirtschaft. Und es geht dann so hin und her. Also auch Konsum wird sich darüber verändern. Es gibt auf einmal viel mehr Bargeld, das da vorhanden ist. Und die Fabrik gibt den Ton an und nicht mehr die Landwirtschaft oder das agrarische Jahr. Das ist einfach etwas, was auch das Selbstverständnis sehr verändert. In so einem Dorf.
Speaker1: [00:04:18] Hat es auch das Verständnis von Stadt und Land verändert.
Speaker3: [00:04:22] Die Fabriken haben sicher dazu beigetragen, dass auch der ländliche Raum stärker urbanisiert wird, dass er dichter wird, dass die Mobilität sich verändert. Viele sind ja zuerst, dann von den kleineren Dörfern in die Städte, auch um dort in der Fabrik zu arbeiten. Damit hat sich auch die Stadtgesellschaft verändert. Aber auch die kleinen Dörfer an sich haben sich verändert, weil einfach auch viel mehr Leute dazugekommen sind. Die Bäuerin redet ja auch davon, dass da mehrere 1000 Gleiche arbeiten. Das heißt, es ziehen neue Leute hinzu und es entstehen jetzt eher so Neubaugebiete. Auch flächenmäßig verändert sich das. Vorstädte werden gebaut, also sowohl strukturell als auch in sozialer Hinsicht findet da ein großer Wandel statt. Zwischen Land und Stadt könnte man sogar sagen.
Speaker2: [00:05:16] Jetzt ist ja hier auch die Rede von Bauernmädchen und Bauernbuben. Und ich weiß auch aus anderen Aufnahmen, dass Kinderarbeit auch ein großes Thema war. Auf dem Bauernhof, und das ist ganz selbstverständlich, war das dann, dass man als Kind mitgeholfen hat und dass es dann Winter Schulen gab, wo man dann, wenn man eben nicht so viel auf dem Feld zu schaffen hatte, dass man dann da in die Schule gegangen ist, aber nur im Winter. Weißt du dazu auch irgendwie was oder ab wann was? Von dem Alter ist man in die Fabrik gegangen zum Arbeiten.
Speaker3: [00:05:45] Für unsere Verhältnisse ist die Arbeit in früheren Zeiten mit Sicherheit eher Kinderarbeit. Aber man ist ja im insgesamt auch gar nicht so alt geworden. In einem Bauernhof mussten alle Kinder mithelfen, ob es jetzt Kartoffelhacken ist oder Kühe melken, das konnten auch alle Kinder. Also natürlich nicht, wenn sie kleine Kinder sind. Aber sobald sie dann so in Richtung Pubertät kommen, waren sie dann im Grunde schon auch richtige Arbeitskräfte. Und wenn man Heu macht oder all diese Sachen oder die Ernte sonst einbringt, dann war natürlich jede Hand auch gefragt und die der andere ist, man hat ja den Schulabschluss auch gerne zu spät gemacht. Wenn man jetzt acht Jahre in der Volksschule in der Volksschule war, dann war man natürlich auch, sagen wir mal maximal 15 und das wäre ja heute bei uns noch schulpflichtigen Alter. Da hat sich ganz, ganz viel verändert und wir sind aber noch gar nicht so lang. Also wir sind jetzt gar nicht so weit entfernt. So muss ich sagen.
Speaker2: [00:06:47] Ich bin da immer komplett schockiert, weil das so eine ganz andere Welt ist, mit der man gar nichts mehr zu tun hat. Ihr Kulturwissenschaftlerin kennt euch da natürlich viel besser aus und das ist irgendwie gar nicht so weit weg.
Speaker1: [00:06:58] Ist eben allein in den 80er. Oder ich habe noch Freundinnen, die in den Neunzigern, quasi im letzten Jahr oder vor dem letzten Jahr der Realschule die Schule verlassen haben, um eben mit der Ausbildung zu starten. Zwar mit der Erlaubnis der Eltern war das glaube ich damals, aber es ist wirklich noch gar nicht so lange her. Simone Was ich mich so ein bisschen in der Hinsicht gefragt habe und vielleicht weißt du auch darüber Bescheid. Hatte das auch ein bisschen was mit sozialem Aufstieg zu tun? Diese Fabrikarbeit oder diese Veränderungen von Landwirtschaft hin zu anderen Arbeitsformen?
Speaker3: [00:07:31] Also diese anderen Erwerbsformen, die haben natürlich andere Möglichkeiten geboten. Und die anderen Erwerbsformen sind aufgekommen mit der Industrialisierung, vor allen Dingen im Laufe des 19., vor allem im späten 19. Jahrhundert. Und da haben wir gleichzeitig aber auch einen medizinischen Fortschritt. Auf dem Gebiet von Chemie und Physik gibt es große Erkenntnisse. Und es ist so, dass dann natürlich, obwohl das immer noch hoch bleibt, aber auch die Kindersterblichkeit zurückgeht. Jetzt habe ich natürlich mehr Kinder auf so einem Hof. Und dann ist ja auch die Frage, wie die Erbfolge dort geht. Da spielt jetzt der Begriff Heimat eine ganz wichtige Rolle. Das ist ja aus wissenschaftlicher Sicht immer ein zentrales Thema. Aber Heimat meint hier konkret auch ein Recht. Also wer erbt denn dann mal die Heimat? Was für eine Teilung gibt es da in der Erbfolge? Und wenn jetzt bloß der Älteste den Hof kriegt und damit die Heimat Recht? Dann müssten ja sagen wir mal, wenn es zehn Kinder gibt und davon haben sieben überlebt, dann müssten ja sechs sich irgendwo eine Stellung suchen. Und ich habe mir dann auf einem anderen Hof gesucht, als Knecht oder als Magd. Oder Jetzt gibt es eben die Option, dass man auch in die Fabrik geht und das war dann schon. Ähm, ja, vielleicht war das auch eine Form von Freiheit, könnte ich mir vorstellen, wenn ich sage, ich ziehe jetzt in die Stadt und bin jetzt da in der Fabrik und bin auch nicht mehr nur einem, einem Dienstherrn da ausgeliefert, sondern habe auch andere, die da mit mir arbeiten. Ich bin auch nicht mehr so beobachtet wie am Dorf. Es hat viele Möglichkeiten und ein sozialer Aufstieg, wenn ich natürlich plötzlich auch eine Lohntüte bekomme. Am Ende der Woche ist das was anderes, als wenn ich immer sagen muss Vater, gib mir halt jetzt bitte noch Geld oder so was. Bargeld ist ja bei den bei den Bäuerinnen und Bauern üblicherweise jetzt nicht in so großer Zahl vorhanden.
Speaker2: [00:09:39] Simone, habe ich dich richtig verstanden, dass Heimat dann ursprünglich eigentlich den Hof gemeint hat nur.
Speaker3: [00:09:44] Nicht nur den Hof. Aber das hat eben tatsächlich eine rechtsgeschichtliche Bedeutung, dieser Begriff. Also damit ist tatsächlich auch der Ort gemeint, wo ich das Heimatrecht habe, das heißt, wo wirklich sich jemand um mich auch kümmert, wenn es mir schlecht geht, wo sich jemand kümmert, wenn ich kein Geld mehr habe, wenn ich krank bin und wo ja auch jemand verpflichtet ist, sich darum zu kümmern. Also das ist so eine Mischung aus Wohnrecht, Sozialversorgung und natürlich auch einer emotionalen Bindung, aber die ist jetzt nicht im Gesetz formuliert gewesen und das war im deutschsprachigen Raum also genauso auch in Österreich ganz üblich. Also ich kenne auch nur Gemeinderatsprotokolle, wo dann drinsteht, also aufgrund von Heimatrecht muss man jetzt denen der Familie zum Beispiel was zum Wohngeld noch bezahlen, weil die haben da Anspruch und die haben gerade kein Geld oder jemand ist krank, die muss man jetzt unterstützen. Das heißt, das Heimat Recht war auch was tatsächlich materiell recht kostbares.
Speaker2: [00:10:45] Spannend. Ich wage mich jetzt mal in die Kulturwissenschaft. Bin da ein bisschen stümperhaft unterwegs, aber ich habe einen Artikel von Thomas Thiemeyer gelesen und er hat dann ausgeführt, dass dieser Heimatbegriff sich dann erst später geändert hat, also dass er dann so romantisiert wurde und dass man dann von irgendwie einem schönen Dorf oder so ausgeht und schöner Landschaft, das ist dann etwas, was erst später, nach diesem Heimatbegriff, wie du ihn gerade erklärt hast, gekommen ist, oder?
Speaker3: [00:11:11] Genau die romantische Idee von Heimat. Das ist etwas, was erst später kommt. Dass Heimat recht ist, was älter ist, das kann man schon mehrere Jahrhunderte zurückverfolgen. Aber dieses Recht war tatsächlich in vielen Gemeinden eben noch gültig, auch als es schon diese romantischen Vorstellungen von Heimat gab. Und die sind natürlich auch vor allen Dingen im 19. Jahrhundert entstanden, also eigentlich ganz analog zu dieser Industrialisierung und zu dieser Dynamik, die natürlich viele Menschen auch dann zu Heimatlosen gemacht hat. Ja, also im 19. Jahrhundert entstehen auch erst die Großstädte durch Zuzug vom Land und das in ganz großer Zahl. Und diese Leute, die heimatlos waren, die waren dann damit auch erstmal rechtlos. Und für die waren natürlich dann diese Bilder von Alpenpanorama, das aber jetzt gar nicht irgendwie konkret zu verorten ist. Für die waren das dann Sehnsuchtsorte, die auch vielleicht getröstet haben, wenn man sich da einsam fühlt, plötzlich in einer ganz anderen Umgebung.
Speaker1: [00:12:16] Genau also diese, diese parallelen Entwicklungen, die wir nachlesen können und wie wir es eben in der EKW, in der empirischen Kulturwissenschaft auch vielfach tun, bedeuten eben auch, mit Begriffen umzugehen und zu schauen okay, wo können sie denn greifbar gemacht werden, wie haben sie sich verändert? Und hier kommen wir vielleicht ganz gut zu einem nächsten Punkt, der dann wieder stärker mit Arbeit zu tun hat, aber eben auch einem veränderten Blick auf sich selbst bzw auf eine Änderung des Selbstverständnisses, was da eine Rolle spielt. Und hier würden wir dann jetzt den nächsten Ausschnitt hören, und zwar von einem Bauern aus Schwieberdingen. Er äußert sich zur Fabrikarbeit und zum Unterschied zwischen Fremdbestimmung und Selbstbestimmung im Arbeitsalltag.
Hörbeispiel: [00:13:11] GP: Aber so, äh – Die, wo eben in die Fabrik gehen, nicht wahr, die stellen sich heute besser wie wir. Bloß müssen die natürlich am morgens da sein, wenn der Omnibus geht. Und das brauchen wir (da)nach nicht. Und, wenn es jetzt (da)nach schneit den Winter, nicht, (da)nach brauchen wir nicht so bald [= früh] aufstehen. Jetzt, bei denen geht eben der Omnibus um sechs, ob es schneien tut oder ob es regnen tut oder ob es 20 Grad Kälte hat, oder nicht. Sie müssen eben da sein, wenn der Omnibus geht, ja. Auf die Art stehen wir auch wieder besser. (Da)nach sind wir (da)nach wieder selbststehender und freier Mann, nicht wahr.
Speaker1: [00:13:50] Hier haben wir jetzt eine relativ typische Perspektive auf Arbeit im ländlichen Raum gehört. Zumindest typisch für das, was wir im Arno-Ruoff-Archiv in den Tönen, die wir vorliegend haben, raushören können. Der Bauer vergleicht seine Arbeit mit der von Fabrikarbeiterinnen. Während die Fabrikarbeiter innen mehr verdienen, haben sie weniger selbstbestimmte Zeit für sich und vielleicht auch das, was wir heute unter Freizeit verstehen. Und hier würde mich interessieren, Simone, wie diese selbstbestimmte Zeit, die eben auch nach Routinen orientiert war, wie sich das auf Arbeit ausgewirkt hat, aber eben auch so was wie Freizeit, was ich wahrscheinlich zu der Zeit parallel entwickelt hat.
Speaker3: [00:14:36] Ja, der Bauer hat natürlich sieben Tage die Woche zu tun. Die Bäuerin muss im Stall sieben Tage die Woche, weil die Kühe sieben Tage die Woche da sind, und die Tiere müssen gefüttert werden. Und dann fangen die in der Früh an und am Nachmittag spätestens müssen sie wieder in den Stall, um noch mal zu melken. Und es gibt natürlich einen Rhythmus vor. Und gleichzeitig ist ja hier auf dem Land der christliche Glaube so dezentrale Religion. Und eigentlich kann man sagen, dass aus diesen beiden Richtungen ist schon vorgegeben, wie wie von Montag bis Sonntag der Tagesplan aussieht. Die Bäuerinnen und da die Bauern, die haben sich zu orientieren an den Jahreszeiten. Was ist wann zu tun? Wie gesagt, die haben ja immer Arbeit und Wandern. Freizeit ist zum Beispiel Kirchgang oder die hohen katholischen Feiertage. Das passt sich quasi in den gleichen Rhythmus dieses Jahres Laufs ein dass das Landwirtschaftliche Jahr und der katholische Jahreslauf. Die überschneiden sich hier, weil natürlich Erntedank Feier auch im dann zur entsprechenden Jahreszeit stattfindet, wenn die Ernte eingefahren wird usw. Und von dem her ist ganz klar definiert, dass der Kirchgang und vielleicht dass man danach in die Wirtschaft geht usw. Am Sonntag ist es dann Freizeit, aber eigentlich ist dann der Samstag genauso auch ein Werktag. Der hat ja auch den Namen Werktag.
Speaker3: [00:16:08] Aber die sind natürlich sehr selbstbestimmt auf dem Bauernhof. Ich kenne das von meinen eigenen Großeltern, die hatten keinen großen Bauernhof, aber die waren im Grunde immer selbstständig. Denen hat niemand eingeredet, jetzt macht das oder das, auch wenn sie sehr viele Aufgaben hatten. Und sobald ich in die Fabrik gehe, bestimmt jemand anders über mich, teilt den Rhythmus ein, sagt, wann ich geholt werde, aber zahlt mir halt auch einen Lohn aus Und. Kommt jetzt drauf an, wie die arbeiten, ob die Schicht arbeiten oder ob die eine sechs Tage Woche dann haben. Durch die vor allen Dingen, ja durch die gewerkschaftliche Arbeit konnte man das ja dann durchsetzen, dass die Wochenarbeitszeit auch sinkt. Nachdem das ja im Laufe des 19. Jahrhunderts erst mal wirklich total eskaliert ist. Und da musste sich das erst einpendeln. Was ist Arbeit, was ist Freizeit? Und selbstverständlich spielt auch da die Frage nach dem Kirchgang und nach den Feiertagen eine große Rolle. Aber es ist dann eben auch eine Errungenschaft zu sagen ne, also nach zehn Stunden ist der Tag jetzt auch mal beendet und es gibt jetzt hier einfach auch eine Pause, oder? Ja, eine Zeit, in der wir bestimmt machen können, was wir wollen, weil Hausarbeit, Arbeit am Hof und so, das läuft ja sowieso immer weiter.
Speaker2: [00:17:28] Das erinnert mich jetzt sehr an eine Aufnahme, die wir in der ersten Folge gehört haben. Da haben wir eine 70-jährige Bäuerin und Winzerin uns angehört, die 1899 geboren wurde. Und die hat auch erzählt, dass es eigentlich keinen einzigen freien Tag gab. Und am Sonntag musste man halt irgendwie das Dach flicken und stricken und das auch bis spät in die Nacht.
Speaker3: [00:17:52] Es gibt immer was zu tun. Und wenn es. Irgendwann muss man sich ja mal um den Haushalt und diese Sachen kümmern. Das haben wir auch alles selbstverständlich nur gemacht. Ich finde auch ganz interessant, dass zum Teil auch ja eher ärmere Bäuerinnen, die haben ja auch ein Kindermädchen gehabt oder sowas, weil die so bestimmte Sachen konnten, die dann einfach nimmer machen, weil die eh schon so viele Aufgaben zu bewältigen hatten. Aber über das, was dann eigentlich wir heute auch Carearbeit nennen, da wird gar nicht geredet. Und dann die Idee, dass die Bauern dann am besten noch ihre Tracht und alle anderen Dinge auch noch selber machen und das auch noch am Sonntagnachmittag Alles. Das ist natürlich auch so eine schöne volkskundliche Vorstellung gewesen mit dem Blick von der Stadt aufs Land. Aber wenn man wirklich noch mal konkret auf Arbeit zurückkommt, hatten die eine Vielzahl von Aufgaben und die haben nicht geendet. Ja, in einer Tour war da was zu tun, weil wenn, wenn natürlich irgendwie am Wochenende auch am Sonntag das Wetter super ist und ich muss die Ernte einbringen, ja, da kann ich nicht sagen, da fange ich erst am Montag in der Früh wieder an oder wenn die Kuh kalbt oder irgendwie all diese Dinge oder dass andere Schwierigkeiten gibt.
Speaker1: [00:19:07] Also entsprechend gab es zu der Zeit gar kein Verständnis von dem, was wir heute Freizeit nennen. Wann würdest du sagen, hat sich das denn geändert?
Speaker3: [00:19:17] Diese Idee von Freizeit, die wurde dann tatsächlich erst so ab den 50er Jahren ein konkreteres Thema. Also man kann schon sagen, dass du dann in Zeiten der Bundesrepublik wird es ein großes Thema. Das kann man dann auch auf anderen Ebenen sehen. Also es wird ja dann auch erst in den 70er Jahren zum Beispiel Bafög eingeführt, so dass dann auch Lehrlinge und Studierende die Möglichkeit haben, wirklich mal zu studieren oder auch so was wie Freizeit zu haben. Also das ist da spielt eine ganz, ganz große Rolle und verändert auch total die die Situation. Also was mache ich zu welcher Zeit? Welche Bedeutung hat die Ausbildung und kann ich einfach auch mal irgendwie mich nur rumhängen oder mich irgendwie anders betätigen dann in dieser Zeit? Und für die Bauern ist es so, das hat natürlich auch etwas zu tun dann mit dem auch was habe ich für eine Hofgröße? Ja habe ich da irgendwie Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Aber eigentlich sind die sind die immer sehr, sehr stark eingebunden. Aber ich würde sagen, dass das verändert sich dann auch so. In den 60er, 70er, 80er Jahren, dass man da auch mal vielleicht sagen kann So, jetzt kommt da mal jemand und wir sind jetzt mal ein paar Tage nicht da und können vielleicht auch mal ein bisschen abschalten. Das hat auch was mit den Maschinen zu tun. Natürlich, was da entwickelt wird. Aber auch eine Melkmaschine muss ich halt anlegen, da kann ich nicht. Kommt kein Melkroboter, übernimmt das. Ähm, das heißt Freizeit ist jetzt im im ländlichen Bereich so ein ziemlich relativer Begriff, aber im städtischen Umfeld kann man wirklich sagen, dass das so 60er, 70er Jahre, dass das dann ganz viel größeres Thema wird als je zuvor.
Speaker1: [00:21:14] Du hast den Punkt erwähnt, dass diese Modernisierungen, dass auch die Förderung von Auszubildenden und Studierenden durchaus Veränderungen gebracht hat im Hinblick darauf, wie Zeit eben eingeteilt wird. Da passt unsere letzte Tonaufnahme ganz gut dazu, weil es eben mit dieser Zeit, die zur Verfügung steht, ja also nicht nur Freizeit möglich wird, sondern auch es möglich wird, sich anders beruflich weiterzubilden. Im weitesten Sinne. Und in der letzten Tonaufnahme hören wir einen Elektrolehrling aus dem Jahr 1969. Er spricht über seine Arbeit und darüber, warum er die industrielle Massenarbeit ablehnt. Und vielleicht können wir da tatsächlich mal darüber sprechen, wie eben diese Zeit, die zur Verfügung steht, durch diese Entwicklungen, durch diese Transformationen in der Zeit genutzt wird. Bzw wie auch Unterschiede festgemacht werden, wie zum Beispiel Handwerk, Industrie usw.
Hörbeispiel: [00:22:20] EX: Ja, und was haben Sie jetzt für eine Arbeit, also was müssen Sie da machen? Zur Kundschaft hinaus, oder?
Hörbeispiel: [00:22:26] Nein, nichts, äh, Fernsehen, ja, also, zur Kundschaft auch, zum Teil, Fernseh-Antennen bauen, Antennen ausmessen. Und wenn irgendwo eine Antenne defekt ist, äh, hingehen, den Defekt beheben. […] Und ab und zu mal ins Werk, von wo wir die Fernseher herhaben. Wir haben ja nur von einem Werk die Fernseher, die Werksvertretung. [..] Und dann ist im Geschäft noch, äh, verschiedene Kurse, so über Antennenbau. Und im Geschäft [= Arbeit] hat man ja noch seinen, äh, Meister da, der bringt einem das Sach [= die Sachen] bei, am Fernseher zu arbeiten und wie die elektronischen Dinge arbeiten, alles.
Hörbeispiel: [00:23:11] EX: (Das ist) natürlich schon ein kompliziertes Geschäft.
Hörbeispiel: [00:23:12] Ja, da muss man halt seinen Kopf haben dabei. Eher sitze ich den ganzen Tag an einen Elektro-Messtisch und – da kann ich auch wieder ein wenig irgendwie was denken und, wenn ich in einer Fabrik stehe, stehe ich am Förderband und mache meine Arbeit Tag für Tag.
Speaker1: [00:23:29] Das ist eben ein gutes Beispiel dafür, dass sich nicht nur die Arbeit selbst, sondern auch die Ansprüche an Arbeit sich verändert haben. Bzw vielleicht auch an Zeit, die zur Verfügung steht. Und das hat vielleicht auch mit dem Selbstverständnis zu tun, wie eben auf Arbeit, aber auch auf sich selbst geschaut wurde und vielleicht die Sinnhaftigkeit von dem was getan wird bzw wie Leben ausgerichtet wird. Sprich nicht nur Geld verdienen, sondern auch geistige Erfüllung finden im weitesten Sinne. Simone, was würdest du dazu sagen oder wie würdest du das kulturwissenschaftlich noch mal konkreter Rahmen?
Speaker3: [00:24:08] Das ist eine ganz spannende Aufnahme, weil hier der Lehrling ja dann schon ganz klar sagt, wie er sich eigentlich selber sieht und wie er sich selber positioniert. Also der hat da auch ein Reflexionsvermögen entwickelt. Die Frage wir wissen jetzt nicht, ob der Gewerkschaftsmitglied war, zum Beispiel, ob der auch mit anderen über diese Überlegungen gesprochen hat. Und man sieht natürlich dann da auch schon so eine Form von Abgrenzung, man könnte auch sagen Distinktion. Das ist sicherlich auch eine Klassenfrage oder eine Milieufrage, dass man sagt, ich brauche jetzt nicht mehr da einfach nur stehen, ich kann ja auch schon mehr, ich bin jetzt schon ein Facharbeiter. Ja, und der muss sich dann natürlich auch wieder in dem Fall nach unten abgrenzen oder möchte sich abgrenzen und sagen Das ist jetzt schon geschafft, Ich kann jetzt. Dank meiner Ausbildung habe ich schon so einen gewissen sozialen Aufstieg vorzuweisen und dabei ist der ja noch relativ jung. Und deshalb ist es ganz spannend, dass er eben da schon sagt Ich, ich will halt eine Arbeit haben die da nicht so stupide, wo es einfach nur ums Geld geht, obwohl er ja in Anführungszeichen auch einfach nur Geld verdient, wie alle anderen auch.
Speaker2: [00:25:26] Ich würde gern was zum sozialen Aufstieg sagen und dem Zusammenhang zur Schule, was nämlich in den 60er und 70er Jahren ganz stark war in Schulen in Deutschland ist die sogenannte Sprachbarrieren, Diskussion und die Idee, dass man, wenn man Dialekt spricht, dass der Dialekt sozusagen eine Barriere darstellt und einen am Bildungserfolg nicht teilhaben lässt oder dass man da nicht so gute Aufstiegschancen hat, was dazu geführt hat, dass viele Kinder dann keinen Dialekt mehr sprechen sollten in der Schule und die dann eben auch oder diese Forderung auch mit harten Mitteln durchgesetzt wurde. Und ich habe mich gefragt, ob du dazu auch was sagen kannst zu diesem sozialen Aufstieg. Ich meine, wir haben ja auch gehört, diese ganzen Aufnahmen, die wir uns angeschaut haben. Da ist Dialekt ganz normal. Das war auch im Hof und im ländlichen Raum ganz normal, dass man Dialekt gesprochen hat, ganz, ganz lange. Und ich frage mich, ob du aus deiner Perspektive vielleicht so ein bisschen sagen kannst, wie wie dieser Punkt zusammenpasst mit dem sozialen Aufstieg. Oder Valeska Vielleicht auch.
Speaker1: [00:26:34] Ich würde ergänzen, dass gerade bei der letzten Aufnahme vom Lehrling ja zu hören war, dass da nicht mehr ganz so stark Dialekt zu hören war wie noch in den Aufnahmen zuvor bei den älteren Personen, die wir gehört haben.
Speaker3: [00:26:46] Ja, auf dem Bauernhof hat man natürlich niemandem reingeredet. Niemand hat sich da reingeredet, wie man redet. Und wenn ich jetzt in der Fabrik bin und habe so und so viele Kolleginnen und Kollegen plötzlich um mich rum, da muss ich mich ja verständigen können. Also ich sehe das auf zwei Ebenen. Das eine ist, dass dieses Reduzieren von Dialekt tatsächlich auch die Kommunikation Fördert. Also man sieht es. Man kann das auf die Gegenwart ja genauso beziehen. Wenn ich jetzt viele Menschen habe, die eben nicht Deutsch als Muttersprache haben, sondern vielleicht auch erst im späteren Alter gelernt und nicht ich spreche jetzt brutal Dialekt, dann ist das ja wahnsinnig ausgrenzend auch ja, wenn jemand eh schon froh ist, er versteht es jetzt in Deutsch und ich spreche da ganz derb im tiefsten Dialekt, dann funktioniert es natürlich auch nicht untereinander, auch sozial nicht in der Belegschaft. Und das musste aber auch früher schon so sein, weil ja für die Fabriken üblicherweise immer schon Leute aus unterschiedlichen Gegenden dann zusammengekommen sind, die vielleicht auch einen anderen Dialekt gesprochen haben. Das heißt, es hat schon, wenn ich den Dialekt reduziere, hat es auch was damit zu tun, dass ich gegenseitig versuche, eigentlich mich anzunähern und zu kommunizieren. Und auf der anderen Seite ist es so, dass natürlich auch die Firmenleitung. Interesse daran haben muss, dass sie einerseits verstanden wird und andererseits auch die Leute wiederum versteht. Also in dem Moment, wo man, wo es, wo es dichter ist, wo es mehr Leute sind, etwas, was man eher von der Stadt normalerweise kennt.
Speaker3: [00:28:28] Aber so ist es eben auch. In der Fabrik muss ich vielleicht auch meine Sprache anpassen, um mit mehr Leuten tatsächlich sprechen zu können und verstanden zu werden. Und dieses, dieses, dieser Versuch, auch das zu reglementieren, wer wann Dialekt spricht, das wurde ja auch als sehr starke, ja als sehr starker Eingriff dann wahrgenommen, weil man sich vielleicht auch über dieses eigene Selbstverständnis so gar nie Gedanken gemacht hat. Bzw. Man hatte das Selbstverständnis. Aber dieses Reflexionsvermögen, na ja, vielleicht erreiche ich mit meiner Sprache gar nicht so viele Leute. Das haben ja ganz viele Leute leider Gottes auch bis heute nicht. Das hat auch wieder mit dem Aufeinandertreffen auf viele andere zu tun, dass ich mich da einfach auch verändern muss, Selbst das heißt, je professioneller ich auch dann beruflich als Facharbeiter in der Fabrik tätig bin, desto mehr muss ich eigentlich mich auch verständlich machen können. Und das heißt, das hat schon auch was mit einem gewissen sozialen Aufstieg zu tun. Auf der anderen Seite sind ja dann in den 50er Jahren auch sehr viele Vertriebene in den Fabriken tätig gewesen und dann kommen ab 55 schon die ersten Gastarbeiterinnen auch. Und da muss man auch irgendeine Form von gemeinsamer Sprache finden. Und wenn man die gar nicht sucht, dann heißt es eigentlich, dass man auch ja eine ziemlich große Exclusion oder Spaltung vorantreibt.
Speaker1: [00:30:01] Und das gilt dann ja im Prinzip auch für den Lehrling, der in die Häuser kommt von Menschen, die vielleicht nicht Dialekt sprechen, sei es, weil sie aus anderen Regionen sind, je nachdem, wo das Unternehmen, wo er tätig war, alles hingeht, aber eben auch, dass andere Menschen hinzukommen, sei es die Geflüchteten aus dem Osten oder auch dann die Gastarbeiterinnen, die, wie du sagst, eben ab den 50er Jahren nach Deutschland gekommen sind. Was zentral ist an all den Dingen, die wir bis jetzt gesprochen haben, ist, dass ihr Arbeit wirklich sehr zentral im Leben der Menschen ist. Also irgendwie scheint sich alles um Arbeit zu drehen. Und hier würde mich vielleicht noch interessieren, quasi die, die die neuesten Entwicklungen, Transformationen, das was wir eben als Work Life Balance bezeichnen. Wo würdest du da ansetzen? Also wo hat sich dieses Verständnis entwickelt und führt eben zu dem, wo wir gerade sind?
Speaker3: [00:31:02] Ja, es gibt da in den 60er und 70er Jahren vor allen Dingen wirklich auch große Arbeitskämpfe und große Kämpfe darum, wie ich auch als Arbeiter meine Rechte durchsetzen kann. Und ich gehe jetzt deshalb auch ein bisschen weiter zurück, weil ich sehe gar nicht so, dass wir jetzt in einer Zeit leben, die die perfekte Work Life Balance hat. Ich würde sogar eher sagen, wir sind jetzt an dem Punkt, wo man sich fragen muss Hatten wir eigentlich nicht schon mal größere Errungenschaften in unserer Arbeits und Lebenswelt? Das hat auch damit zu tun, dass wir sehr, sehr stark von was geprägt sind, was man heute Subjektivierung der Arbeit nennt. Digitalisierung wirkt sich extrem auf uns aus. Wenn wir jetzt in so einem Dienstleistungsbereich tätig sind, dann sind wir im Grunde wieder wie die Bäuerin, wie der Bauer twenty four seven verfügbar. Und das aber ohne dass uns dann vielleicht Haus und Hof gehört und man dann sagen kann Ich baue jetzt da nur die und die Pause ein, sondern Wir sind in einem viel, viel engeren Korsett. Und zum heutigen Lifestyle gehört auch ja eher zu sagen ich kann das alles händeln ist überhaupt kein Problem mehr. Da brauche ich jetzt keine Gewerkschaft dafür oder sonst irgendwas, sondern diese Frage der Klasse ist ist dann von der Rede von der Work Life Balance in gewisser Weise ein bisschen weggewischt oder verdrängt worden, Obwohl es natürlich eigentlich eine zentrale Frage ist und man sich eigentlich zentral immer wieder darüber nachdenken muss ja, zu welcher Schicht gehöre ich und was ist eigentlich das, was ich durchsetzen kann? Was, was kann ich auch mit anderen durchsetzen, was mir vielleicht dann tatsächlich diese Work Life Balance ermöglicht und nicht dieses Ich bin so eine Einzelkämpferin, ein Einzelkämpfer und muss mich hier durchbeißen.
Speaker3: [00:33:00] Wobei das natürlich zu dem passt, was Andreas Reckwitz, der Soziologe, als Singularität bezeichnet. Da geht es dann eher weg von kollektiven Modellen. Um es noch mal zusammenzufassen Es ist schon tatsächlich eher so, dass diese Arbeitskämpfe, die auch eine Solidarität eingefordert haben, der Arbeitnehmerinnen gegenüber den Fabriken, den Firmen, den Chefs, den Leitungen, dass das eher zurückgegangen ist. Und eigentlich war das letzte Beispiel, wo jetzt wirklich was durch gefochten worden ist und keine Kompromisse gemacht wurden, war ja die die Lokomotivführer Gewerkschaft da. Da konnte man das dann sehen, auch in der Medienöffentlichkeit, in der öffentlichen Diskussion. Was das auch bedeuten kann, wenn man gemeinsam für so etwas kämpft wie eine Work Life Balance.
Speaker1: [00:33:56] Hat das auch ein bisschen was mit Generationenkonflikten zu tun, weil gerade die. Die aktuellen Diskussionen führen ja oft dahin, dass die Alten in Anführungszeichen was über die Jugend sagt usw.
Speaker3: [00:34:09] Also was ich beobachte ist es, dass diese vermeintlichen Generationendiskussionen eher Stellvertreterdiskussionen sind. Aus meiner Sicht ist es so, dass das ganz selbstverständlich ist, dass eine Generation etwas anders macht, möchte sie vielleicht auch wieder in irgendeiner Form abgrenzen. Aber es gibt einfach auch ein Wissen, das sich verändert. Es gibt einen Umgang mit Medien, der sich wandelt. Und wir haben ja auch einen demografischen Wandel, auf den reagiert wird, reagiert werden muss. Und es ist ja immer so, dass eine Generation auch zurückblicken kann und sagen kann okay, so wie ihr das gemacht hat, möchte ich das jetzt vielleicht aber nicht machen. Das ist eigentlich selbstverständlich, aber das ist jetzt auf ausschließlich Generation zurückzuführen. Das finde ich eigentlich zu eng geführt. Ich denke, es ist schon so, dass man einfach das sehen kann. Es gab schon mal für Arbeitnehmerinnen insgesamt in der Gesellschaft gab es schon mal größere Errungenschaften und eine größere Work Life Balance, als es vielleicht heute ist. Wir leben jetzt insgesamt in einer Zeit in der Spätmoderne, wo so vieles gleichzeitig vorhanden und gleichzeitig möglich ist. Dann ist ja doch die Zahl der Krisen und Konflikte deutlich gestiegen, auch in unserem unmittelbaren Umfeld, was uns unmittelbar betrifft bzw was wir vielleicht unmittelbarer mitbekommen. Und ja, da tauchen natürlich dann auch Unsicherheiten auf und die führen ja eher eigentlich zu einem Rückzug auch wieder ins Private. Aber für das Private müsste ich auch wieder Zeit haben. Und das Festhalten an etwas Altem. Das heißt ja eigentlich auch immer ein ganz großes Kennzeichen von Unsicherheit. Und von dem her bin ich mir gar nicht sicher, ob das nur auf eine Generation bezogen ist oder sich nicht auf alle bezieht. Dann kommt ja noch ein Faktor dazu. Sowas kannten wir ja bisher gar nicht. Das ist die Pandemie, die noch mal viele Dinge verändert hat. Auch die Frage, wann ich wie zum Beispiel im Büro anwesend sein muss und ob ich das überhaupt muss in vielen Berufen. Und ich glaube, dass dieses Umstellen zum Beispiel auf Onlineformate das hat sehr viel mehr zur Work Life Balance von sehr vielen Menschen beigetragen als viele andere Dinge.
Speaker1: [00:36:41] Auch in Bereichen, die es vorher eben wahrscheinlich nicht gesehen haben. Simone Jetzt haben wir viel gehört, was eben auf die Konzepte Arbeit, Freizeit und alles, was dazwischen angesiedelt werden kann, vor allen Dingen im Hinblick auf gesellschaftliche Entwicklungen, auf Transformationen der letzten Jahrzehnte, aber auch Jahrhunderte gezeigt hat. Würdest du noch einen Punkt nennen, den wir vielleicht noch nicht angesprochen haben? Also gibt es irgendwas, was du spannend findest in dem Bereich, egal ob an die Töne angelehnt oder darüber hinaus, was noch wichtig wäre.
Speaker3: [00:37:17] Was ich total spannend finde, ist eigentlich die Frage, was so passiert ist, als dann sich so unterschiedliche Menschen begegnet sind. Das ist so etwas, was man aus den schriftlichen Aufzeichnungen und so fast nicht nachvollziehen kann. Aber das würde mich doch wahnsinnig interessieren, was denn mit so einem Dorf eigentlich passiert ist, wenn da plötzlich irgendwie noch mal 500 Leute mehr gewohnt haben oder wenn, dann eben genau diese Phase ist in den 50er Jahren. Wenn dann die Vertriebenen auf der einen Seite da sind, dann kommen aber auch die Gastarbeiterinnen dazu und plötzlich müssen sich alle irgendwie arrangieren und begegnen sich. Ja, ob sie wollen oder nicht, sie begegnen sich. Und dass diesen in diesen Alltag mal hineinschauen zu wollen, zu können, das finde ich ein wahnsinnig spannendes Moment, auch gerade mit mit Blick auf die heutige Zeit. Also ich kann ja hier in diesen Zeitschnitten was mir jetzt gehört haben, da ist auch unglaublich viel Dynamik drin, unglaublich viel Veränderung, auf dass Menschen immer schon reagiert haben. Und vielleicht ist das auch einfach hilfreich für uns heute, wenn gerade im politischen Diskurs jetzt wieder sehr viel von beharrenden Kräften die Rede ist, oder? Ja, diese Frage war immer schon alles so, wie wir es uns jetzt wünschen oder wie es jetzt ist. Genau. Es war immer schon so in Bewegung, wie es auch heute ist. Und das ist eigentlich der normale Gang der Dinge. Und daran müssten wir uns orientieren und nicht eben an einem festhalten von einer Statik, die es eben gar nicht mehr gibt. Und das spätestens im 19. Jahrhundert. Allerspätestens.
Speaker2: [00:39:05] Zu dem, was du am Anfang gesagt hast. Simone, haben wir ja schon so ein bisschen einen Einblick dadurch, dass wir diese Tonbandaufnahmen haben, wo Menschen eben aus dem Alltag auch erzählen und was mir da gerade in den Kopf kommt, ist eine Aufnahme, wo berichtet wird, was passiert ist in der Klasse, wenn fremde Kinder dazu gekommen sind. Und das ist sowas. Das nennt sich Klassenprügel. Also man wurde erst mal verprügelt und man hat generell Fremden auch argwöhnisch gewesen, was man auch an anderen Aufnahmen hört. Und es war jetzt nicht so, dass das Friede Freude, Eierkuchen war.
Speaker3: [00:39:43] Bin ich davon ausgegangen, dass es Friede, Freude, Eierkuchen war. Was natürlich eine ganz tolle Quelle, wenn ihr auch dazu Informationen habt. Aber auch jenseits diesem ausschließenden Verhalten muss es ja irgendwo Begegnung gegeben haben. Man muss sich in irgendeiner Art und Weise auch dann doch mal geeinigt haben. Und es hat ja auch einfach was mit dem Dorf gemacht, wenn da noch mal 250, nochmal 500 neue Leute dazukommen und es dauert Zeit. Aber es ist ja daraus dann auch wieder eine neue Gemeinschaft oder eine neue Gesellschaft entstanden. Und das ist im Grunde ja, das sind ganz, ganz ähnliche Entwicklungen, wie das heute ist. Also das lässt sich dann eben vielleicht auch mal überwinden, dieser Argwohn. Natürlich gab es da auch rassistische Ausgrenzung und man wollte die Leute am besten am Ortsrand parken. Das sind alles, sind alles Dinge, die wir heute kennen und die da in der Vergangenheit schon so waren. Aber es muss ja auch den Moment gegeben haben, wo man sich einfach, wie gesagt, Begegnet und auch irgendeine Form von Miteinander entwickelt hat. Und das sieht man ja im Grunde in allen Dörfern und Gemeinden.
Speaker1: [00:40:57] Ich würde schon sagen, dass man das wahrscheinlich zumindest aus manchen dieser Aufnahmen aus unserem Archiv sehr gut nachlesen kann, weil es gibt diese Aufnahmen, wo diese Erzählungen vorkommen. Oftmals wurde dann aber auch ein bisschen danach gefragt und wir wissen in der ECW, wenn in der Form gefragt wird, wird natürlich auch Antwort gegeben entsprechend. Und es gibt aber auch Aufnahmen, wo zwar von Fremden gesprochen wird und wo wahrscheinlich die Vertriebenen mit gemeint sind zu dem Zeitpunkt, wo die Aufnahmen stattgefunden haben, aber eher so nebenbei, dass dann plötzlich da die Fremden waren. Und das wäre natürlich wirklich noch spannend, wenn wir uns das mal genauer anschauen und schauen, wie sich das entwickelt hat. Bzw. Es ist ja so, dass eine unserer Kolleginnen, Margret Findeisen, sich mit diesem Kontext ein bisschen stärker beschäftigt und wir haben sie auch schon in einer der Folgen in diesem Podcast gehört.
Speaker2: [00:41:58] Genau da hat sie eben auch erzählt, gerade von Erfolgen. Bzw. Wir haben uns auch Erfolgsgeschichten angehört, wie Menschen, die dann hier neu angekommen sind, sich wieder ein Leben neu aufgebaut haben und eben klein angefangen haben und sich dann irgendwann aber auch Maschinen leisten konnten und sich so irgendwie hocharbeiten konnten.
Speaker3: [00:42:18] Ja, das ist alles super spannend. So ein anderer Aspekt, der mir aus meiner Forschung noch bekannt ist, den fand ich auch. Sehr aussagekräftig ist, dass man ja auch gar nicht sagen kann, die einen arbeiten jetzt nur in der Fabrik und die andere nur am Bauernhof. Ich kenne eigentlich jetzt tatsächlich eher das so, dass man den Hof auch noch hat und dann aber in die Fabrik geht und das eigentlich sich nicht der der agrarische Lebensstil dann irgendwie völlig ablöst und wird dann zu einem Arbeiter Lebensstil, sondern da gibt es ganz ganz viel Vermischung auch. Ja und dann werden auch Rollen neu verteilt und ich hatte sehr viel auch mit Arbeiterinnen zu tun, die dann in Heimarbeit quasi die Fabrik Arbeit gemacht haben, so dass sie das noch zwischen die Carearbeit, zwischen diese Arbeit am Hof und allen anderen Aufgaben auch noch einbauen konnten, um noch einen zusätzlichen Ertrag zu haben. Und das hat eben auch sehr, sehr stark saisonal geschwankt. Also die Fabrikarbeit war dann auch gar nicht so gleichförmig, sondern wenn dann halt die Aufträge kamen und quasi keine Erntezeit war, dann hat die Fabrik Arbeit mehr Raum eingenommen und wenn am Hof mehr zu tun war, dann hat man eben dem mehr Zeit gewidmet als dieses Hin und her fließen, ineinander übergehen finde ich auch noch wahnsinnig interessant. Jetzt hier im Zusammenhang mit Arbeit im ländlichen Raum.
Speaker1: [00:43:47] Super. Ich würde sagen, wir haben jetzt wirklich viel gehört und tolle Einblicke bekommen, sowohl in die Töne, aber eben auch die Themen, die dahinter stehen. Und würde mich daher bei dir bedanken, Simone. Es war schön mit dir zu sprechen und mehr über Arbeit, Freizeit im Wandel mit Schwerpunkt ländlicher Raum, aber eben auch, was es mit der Stadt macht zu hören. Wenn euch diese Folge gefallen hat, lasst uns gerne eine Bewertung da. Teilt sie mit anderen Und wenn es Fragen Anmerkungen gibt, schreibt uns gerne.
Speaker2: [00:44:18] Genau. Vielen Dank auch von meiner Seite. Ich habe unheimlich viel gelernt. Es ist einfach immer eine gute Idee, sich mit Kulturwissenschaftler innen zu unterhalten und ich freue mich schon auf die nächste Folge.
Folge 5: Sprache und Macht
Warum wird Schwäbisch gern als Markenzeichen gefeiert, während Sächsisch oft belächelt wird? In der fünften Folge sprechen wir mit der Kulturwissenschaftlerin Sarah Boysen über die soziale Funktion von Dialekten, über den Slogan „Wir können alles außer Hochdeutsch“ und wagen einen Spagat vom Sächsischen zum Schwäbischen. Außerdem hören wir uns eine Aufnahme einer Heimatvertriebenen an, die beschreibt, wie sie Dialekt gelernt hat. Dabei fragen wir uns: „Wann setzt sich eigentlich welche Sprache und welcher Dialekt durch? Liegt es am Prestige einer Sprachform oder gibt es noch weitere Faktoren, die eine Rolle spielen?“
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Speaker2: [00:00:25] Und ich bin Julia Braun, die Sprachwissenschaftlerin im Projekt.
Speaker1: [00:00:30] Willkommen zur fünften und vorerst letzten Folge unseres Podcasts. Heute sprechen wir über Dialekte als soziale Marker. Es geht um Fragen wie: Wann wird ein Dialekt positiv wahrgenommen? Wann wird er zur Barriere? Wie zeigt sich darin gesellschaftliche Ungleichheit und wie wandelt sich der Blick auf Dialekt?
Speaker2: [00:00:48] Besonders interessiert uns heute, wie Dialekt mit Stereotypen, Ausgrenzung oder sogar mit Diskriminierung zusammenhängt. Und dafür ist unsere Kollegin Sarah Boysen bei uns, die aktuell zu genau diesen Fragen promoviert.
Speaker1: [00:01:01] Hallo Sarah, schön, dass du da bist. Magst du uns zum Einstieg kurz erzählen, worum es in deinem Dissertationsprojekt geht?
Speaker3: [00:01:09] Ja, auch Hallo von meiner Seite. Schön, dass ich da sein darf. Genau. In meinem Dissertationsprojekt geht es ganz grob gesagt um den Zusammenhang zwischen Sprache und Macht, genauer um SprachFärbungen, also Dialekte oder auch Akzente im Deutschen und wie Stereotype und Zuschreibungen aufgrund solcher SprachFärbungen reproduziert werden. Ich schaue mir dabei vor allem den sächsischen Dialekt an und zusätzlich blicke ich auf sogenannte Stadtsprachen oder auch Kiezdeutsch, das häufig in städtischen Ballungsgebieten zu hören ist. Es geht mir hier um die Frage, wie sich in der Sprache gesellschaftliche Ungleichheit und Machthierarchien widerspiegeln und auch vertiefen. Und dafür habe ich Gruppendiskussionen und Interviews geführt mit Menschen, die zum einen einen postmigrantischen Migrantischen Erfahrungsraum haben und zum anderen mit Menschen, die ihr ganzes oder den Großteil ihres Lebens in Sachsen gelebt haben. Ich habe die Menschen zu Beginn des Gesprächs immer sehr offen nach ihrer Wahrnehmung zur Sprache gefragt und daraus abgeleitet, welche Themen in ihrer Lebensrealität relevant zu sein scheinen.
Speaker1: [00:02:19] Kannst du hier. Bevor wir uns dann bestimmte Schwerpunkte deiner Arbeit anschauen, vielleicht schon mal ein, zwei Beispiele für Themen oder Muster erzählen, die dir besonders häufig begegnet sind in deinen Gesprächen und Interviews?
Speaker3: [00:02:34] Ja, total gerne. Also was sozusagen das große Thema meiner Arbeit ist, ist natürlich dann der Dialekt bzw die Sprachfärbung. Und da erzählen die Interviewten einfach sehr viel über ihre eigenen Sprachfärbung und darauf liegt dann schlussendlich auch der Fokus. Und aus so einer postmigrantischen Erfahrung Wird da sehr oft über die Sozialisation beispielsweise in der Schule gesprochen. Und damit sind fast immer auch gewisse Diskriminierungserfahrungen, die darin liegen. Darüber können wir vielleicht später noch mal sprechen. Was jetzt vielleicht erst mal im Fokus stehen könnte, wäre dieser sächsische Teil, den ich erhoben habe. Und da gibt es eben häufig einen Bezug zur DDR Geschichte, der jetzt auch unabhängig von den Altersgruppen, die ich interviewe, immer hergestellt wird. Und die ersten Erkenntnisse bzw die ersten Themenmuster sind da zum einen die Nutzung im Alltag, wie das Sächsische im Alltag genutzt wird, also dieses Wie steht da im Vordergrund und dann aber auch eine Verbundenheit oder Bewertung mit dem Dialekt und die Frage, was sozusagen gemeint ist, wenn Sächsisch gesprochen wird. Also wann wendet man das an? Und da würde ich behaupten, dass es eben so eine klare Unterscheidung gibt zwischen einer selbst und einer Fremdzuschreibung, die mit dem Dialekt einhergeht. Zum einen das, was man selbst in den Dialekt einträgt, wie man ihn bewertet, aber dann auch eben zum anderen das, was von außen auf den Dialekt projiziert wird, was diese Fremdzuschreibung vielleicht bedeutet und die man auch zu einem gewissen Teil dann in das eigene Verhalten, in die eigene Umgangsweise mit einbaut. Und ja, wenn man das jetzt mit Bourdieu sagen würde, dann könnte man vielleicht sagen, dass das Sächsische hier sowohl eine legitime als auch eine illegitime Sprache darstellt, also teilweise sozusagen eine höhere Wertigkeit erfährt, teilweise eine niedrigere, und das sehr abhängig vom Kontext ist. Beispielsweise, ob man jetzt in der Familie so spricht oder eben dann in der Uni oder an der Arbeitsstelle.
Speaker1: [00:04:52] Wenn wir darauf genauer schauen, also auf dieses dynamische Konstrukt, was dahinter steckt und in der Interaktion sichtbar wird. Welche Erfahrungen schildern deine Interviewpartnerinnen, wenn es um Dialekt, soziale Zugehörigkeit, aber vielleicht auch Signale in der Kommunikation geht?
Speaker3: [00:05:11] Also wenn man von diesen Signalen ausgeht oder auch vielleicht Dialekt als Signal verstehen kann, dann geht es da eben in der Art, wie ich mir Dialekt oder auch Sprachfärbung anschaue, eben um um dieses Soziale, was dahinter steht, um diese soziale Funktion also dann bedeutet der Dialekt vielleicht eine gewisse Zugehörigkeit oder auch eine Herkunft oder eine soziale Identität. Man könnte hier vielleicht auch von sozialen Codes sprechen. Und ja, das ist sozusagen eine Erfahrung, die auch immer wieder in den Interviews deutlich wird. Also dieser Aspekt der sozialen Zugehörigkeit, der sich durch das durch den sprachlichen Code, durch den sozialen Code irgendwie einträgt. Damit ist der Dialekt sicherlich irgendwie eine Markierung oder einen Marker, der etwas, ja der einen gemeinsamen Erfahrungsraum darstellt. Und dieser Begriff Erfahrungsraum, den finde ich deshalb irgendwie auch so passend oder spannend, weil er sowohl tatsächlich diese räumliche Ebene aufmacht, also dieses Regionale, was eben ein Dialekt bedeutet, als auch so eine Erinnerungsebene, also das, was sozusagen dahinter vielleicht steckt oder was aus einem geschichtlichen Aspekt kommt. Und in meinen Interviews habe ich beispielsweise viele Erzählungen sammeln dürfen, in denen das Sächsische so als Wiedererkennungsmarker genannt wurde, beispielsweise im Urlaub. Also dass sich dann Interviewte gefreut haben, wenn sie im Urlaub auf ihr Sächsisch angesprochen wurden und damit irgendwie was Positives verbunden haben. Vielleicht auch einen gewissen Stolz, dass man erkannt wird. Gleichzeitig und tatsächlich auch eher überwiegend gibt es natürlich auch viele Erzählungen, in denen die Interviewten ganz deutlich vermeiden, dass sie dem Sächsischen zugeordnet werden. Und das steht dann schon auch eher im Fokus bzw wird häufiger berichtet. Also das scheint dann tatsächlich so, als ob sie diese Kollektivität mit dem Sächsischen eher nicht Teil davon sein wollen.
Speaker2: [00:07:28] Das passt ja ganz gut eigentlich auch zu dem, was ich dich gerade fragen wollte, Sarah. Weil wie du es jetzt erzählt hast, passt es ganz gut zu den Dialektbewertungen, die es ja gibt. Da gibt es Erhebungen auch dazu vom Leibnizinstitut für Deutsche Sprache. Und da ist es oft so, dass das Sächsische sehr schlecht abschneidet und sogar den letzten Platz bei den sympathischen Dialekten belegt oder bzw als unsympathischer Dialekt gilt in diesen dialektischen Befragungen. Was würdest du denn sagen, wie die Interviewten von dir mit diesen Rankings umgehen?
Speaker3: [00:07:59] Ja, diese Umfragen, die kenne ich natürlich auch. Und ich habe die Interviewpersonen nicht mit diesen Umfragen selbst konfrontiert. Aber dieses Wissen darüber, dass das Sächsische unbeliebt ist, das haben eigentlich alle der Befragten. Also das ist so eine Art explizites Wissen, das irgendwie allen klar ist, das genauso auch benannt wird. Und was ich in dieser Umfrage beispielsweise auch total spannend finde ist, dass ja erkennbar ist, dass zum Beispiel auch das Bayerische nicht durchweg von allen in ganz Deutschland oder im ganzen deutschsprachigen Raum positiv bewertet wird. Aber dass die Menschen, die selbst in Bayern leben, das wenigstens gut finden oder einigermaßen gut finden, also dass es da dann doch wieder auch eine Anerkennung erfährt Und das ist eben beim Sächsischen anders. Also die Bewertung und das daraus resultierende Verhalten ist ein anderes. Und meine These nochmal sozusagen anschließend daran, was ich gerade auch schon gesagt habe, ist, dass diese Fremdzuschreibung auch auf die Selbstzuschreibung übergegangen ist, sage ich mal, und in den Interviews, die ich geführt habe, da kommt dann eben oft der Bezug beispielsweise zu Pegida oder auch zu Corona Demonstrationen auf und da werden sozusagen dann so Zusammenhänge, die auch was mit einer gesellschaftspolitischen Situation zu tun haben, mit dem Sächsischen verknüpft.
Speaker1: [00:09:27] Daran sieht man eben auch, dass Dialekt bzw die Bewertung von Dialekt gar nicht isoliert betrachtet werden kann. Diese Bewertung ist vielmehr bzw grundsätzlich das Zusammensein ist immer in größere soziale Prozesse eingebunden. Und hier am Beispiel Dialekt hört man eben raus, so wie du erzählst, dass Dialekt, egal ob er gepflegt wird, ob er verschwindet, wie er von außen betrachtet wird, von innen betrachtet wird, ob er Prestige hat, stigmatisiert ist immer mit größeren sozialen und auch kulturellen Prozessen zusammen. Und dazu gehören ökonomische Veränderungen, Politik, Migration, Klassenverhältnisse, aber eben auch Geschichte. Du hast eben von der DDR Geschichte erzählt, aber da spielt mit Sicherheit noch viel, viel mehr eine Rolle.
Speaker3: [00:10:17] Ja, total. Auf jeden Fall. Also das sind sehr wichtige Stichpunkte, die du da nennst. Und wenn man jetzt auf die Geschichte des sächsischen Raumes zurückblickt, da kann man natürlich sehr weit zurückkommen, schauen, das geht bis ins 19. Jahrhundert zurück, wo eben von west slavischer Seite, da waren ja auch anfangs auch viele sorbischsprachige Bewohnerinnen und das hat sich dann eben mit der Zeit gewandelt, auch da auch auf so einer sprachlichen Perspektive total interessant, wie sich das sozusagen verändert hat und dann diese mehrheitlich deutschsprachige Bevölkerung die sorbisch sprachige Bevölkerung immer weiter verdrängt hat, bis es mittlerweile ja eine Minderheitensprache eher im Bereich der Lausitz ist. Zum kulturellen Kapital des Sächsischen könnte man auf jeden Fall noch den Aspekt einbringen, dass Martin Luther, der selbst aus Sachsen Anhalt aus Eisleben kommt, sich bei der Übersetzung der Bibel an diese sächsische Kanzlei sprache daran orientiert hat und ähm. Also man kann nicht 100 % sagen, dass Luther jetzt die Bibel auf sächsisch übersetzt hat. Das wäre ein bisschen zu leicht. Er hat sich aber auf diese sächsische Kanzlei Sprache bezogen und damit eben diese ost mitteldeutsche Mundart ja relativ breit der breiten Öffentlichkeit zur Verfügung gestellt. Und gleichzeitig hat er eher die weniger weit verbreiteten Eigentümlichkeiten des Sächsischen auch ausgelassen. Aber dass die sächsische Sprache im Großen und Ganzen hat damit eben erst mal eine große Akzeptanz gewonnen. Und ja, somit hat gab es eben erst mal so eine relativ große Verbreitung. In Anlehnung an Luthers Bibelübersetzung wurde die sächsische Grammatik dann auch zur deutschen Hochsprache aufgewertet. Und dieses damalige Kurfürstentum Sachsen war eben auch sehr prestigehaft. Also das kam sozusagen auch mit politischer und wirtschaftlicher Macht einher, dass dann eben auch die Sprache bekannt war bzw prestigereich. Und das hat sich dann so sofort geändert, als die Macht von Sachsen ja eher abgesprochen wurde und auch die sprachliche Macht eher nach Berlin verlegt wurde.
Speaker3: [00:12:46] Und 1898 wurde dann eben das Norddeutsche zur Sprachnorm erhoben, was sich durch das Aussprachewörterbuch und auch der deutschen Bühnenaussprache ja deutlich gemacht hat. Bzw. Da wurde dann sozusagen diese Norm festgelegt und einer meiner liebsten FunFacts, wenn es um Dialekte geht, ist auf jeden Fall auch, dass dieses Hannoverische, was man ja gerne als Hochdeutsch ansieht, eben auch nur ein Dialekt ist, den wir eben als Standardsprache festgelegt haben. Das finde ich irgendwie total wichtig und gut, auch noch mal sich klarzumachen, wie dieses Standard funktioniert oder wie sich das eben so in dieses gemeinsame Wissen einträgt. Und das negative Prestige des Sächsischen ist dann eben trotzdem in seiner negativen Weise weitergegangen. Und das hat sich eben als gängige Karikatur etabliert. Es gibt einige Mundartdichter innen, beispielsweise Lena Vogt, Hans Reimann, aber auch Erich Kästner, die sich diesen Zuschreibungen auch bedient haben und diese eben in einer gewissen Art reproduziert haben, gleichzeitig aber auch versucht haben, ihrem Dialekt eine gewisse Bühne zu geben, also auch so eine Art von positiver Konnotation versucht haben zu ermöglichen. Aber diese Karikatur ist außerhalb Sachsens nicht so wie geplant angekommen. Beat Siebenhaar hat es mal beschrieben, dass es eben, statt in der Karikatur den sächsischen Spießbürger zu sehen, eher die der spießbürgerliche Sachse als Witzfigur interpretiert wurde. Und ich denke, das fasst es eigentlich ganz gut zusammen, wie das sozusagen zum einen diese Liebe zum Dialekt aus dem sächsischen Raum gab, aber zum anderen, das von außen nicht so ganz verstanden wurde. Und in der Nazizeit hat es tatsächlich der NSDAP Gauleiter (Martin) Mutschmann die sächsische Sprachfärbung als komödiantisches Stilmittel verboten. Was dann natürlich auch noch mal mehr dieses Stereotyp des engstirnigen Sachsen irgendwie gestärkt hat. Und ja, damit ist sozusagen dieser Ruf auch schon vor DDR Zeiten recht deutlich gewesen.
Speaker1: [00:15:02] Auch an den Beispielen sieht man wieder die lebendig Sprache und eben auch Dialekt ist und wie es eben immer darauf ankommt, was die Menschen auch damit machen. Das würde ich als Kulturwissenschaftlerin jetzt sagen.
Speaker2: [00:15:14] Ich finde es auch spannend. Du hast ja auch erzählt, dass quasi die sächsische Kanzleisprache dann die Grundlage für unsere Standardsprache, wie wir sie heute kennen, geworden ist. Also man muss sich vielleicht noch mal bewusst machen, dass die Standardsprache ja zuerst einfach nur eine Schreibsprache war. Da gab es keine Muttersprachler dafür. Es wurde für Verwaltungszwecke eben auf eine bestimmte Art und Weise geschrieben, und es gab verschiedene Kanzleisprachen, und die aus dem Raum Luthers hat sich dann irgendwann durchgesetzt und auch die Hanse Sprache vertrieben, die es im Norden gab. Das heißt, die Menschen, die dann im Raum von Hannover zum Beispiel eben auch diese Schreibsprache aus dem sächsischen Raum verwendet haben, die mussten dann nach der Schrift sprechen, für die war das dann wie eine Fremdsprache, als sie die erlernt haben. Und daher kommt es, dass man denkt, die Menschen in Hannover sprechen das beste Hochdeutsch. Aber das liegt daran, dass das eine norddeutsche Aussprache eines hochdeutschen Dialekts ist. Also Hochdeutsch in dem Sinne, wie man Dialekt, geographisch Dialekte einsortiert. Und da ist eben, sind die mitteldeutschen und oberdeutschen Dialekte zusammen, die hochdeutsche Dialektgruppe.
Speaker2: [00:16:23] Also eigentlich ganz spannend zu sehen, wie sich solche Ideologien entwickelt haben. Also dieser Hannoverismus, diese Idee, dass man in Hannover das beste Hochdeutsch spricht, dass es da auch eine historische Komponente davon gibt. Und das passt auch ganz gut zu was, was ich dich jetzt sowieso fragen wollte. Sarah Wir haben uns ja jetzt so darüber unterhalten und du hast uns erzählt, wie es zu Dialektbewertungen des Sächsischen kam und wie der sächsische Dialekt bewertet wird. Generell. Ich würde gern noch mal einen Schritt zurückgehen und darüber sprechen, dass es ja auch nicht nur sympathische und unsympathische Dialekte gibt, sondern auch eine Unterscheidung zwischen Dialekt und Standardsprache. Und dass Dialekte generell im Vergleich zur Standardsprache oft schlechter abschneiden oder auch als schlechtes Deutsch klassifiziert werden usw. Ich habe mir gedacht, wir könnten da vielleicht in eine Aufnahme reinhören, die wir in unserem Projekt gemacht haben, in unserem aktuellen Dialekt und Du Projekt, wo thematisiert wird, dass viele Menschen, die die Standardsprache sprechen, auch eine gewisse Überlegenheit empfinden gegenüber anderen Menschen, die Dialekt sprechen. Und das wird jetzt in der Aufnahme, die wir uns gleich anhören, thematisiert.
Speaker4: [00:17:35] Und wo ich mich besonders unwohl fühle bis heute. Und ich war auch immer wieder passiert, wenn man meinen Dialekt in Verbindung bringt mit mangelnder Bildung und mangelnder Intelligenz. Ja öfters. Das ist erst kürzlich wieder vorgekommen. Das war eine ganz schwierige Situation. Ich war in einer, ja, in einer. Ich war in einer Kur. Und das wird mir ja zugewiesen an einen Tisch. Und da sitzen natürlich auch andere Landsleute. Und da war eine Dame. Ich weiß noch nicht einmal ganz genau, wo sie herkam, irgendwie. Wir sagen halt aus dem hohen Norden jedenfalls. Die hat mich mehrfach verbessert und mir gesagt Können Sie eigentlich nicht Hochdeutsch? Können Sie eigentlich nicht Deutsch reden? Und es gibt, und da haben wir Schwaben ein Problem, das gebe ich zu. Ich auch. Wenn wir uns also richtig treffen will, weiß ich auch von anderen. Dann sagt man zu uns: „Kannst du eigentlich… können Sie nicht Deutsch reden?
Speaker3: [00:18:58] Ja, das ist eine super spannende Aufnahme, die hier natürlich echt perfekt passt in unser Thema und in das, was wir gerade schon besprochen haben. Also wenn ich da auf ein paar Punkte, die mir sofort auffallen, wäre natürlich erstmal dieser Zusammenhang von Dialekt und Bildungsferne, die da aufgemacht wird vom Interviewten und dann auch diese Erfahrung, die der Interviewte hier erzählt, dass es ihm schon öfter passiert ist. Also er kennt diese Zuschreibung und Bewertung. Und der Interviewte teilt hier eben diese Geschichte, bei der er sich aufgrund seiner Sprachfärbung unwohl gefühlt hat, vielleicht sogar Diskreditiert von seinem Gegenüber und nicht ernst genommen gefühlt hat. Und hier zeichnet sich eben, würde ich behaupten, eine ganz deutliche Macht Asymmetrie ab, die für uns jetzt erst mal nur durch die sprachliche Differenz erkennbar ist. Also er hat ja jetzt nicht gesagt, dass im Gespräch irgendwie deutlich geworden ist, dass da unterschiedliches Wissen, unterschiedliche Bildung existiert, sondern die wurde jetzt in dieser Erzählung erst mal nur über die Sprache deutlich gemacht. Besonders interessant jetzt auch in dem Bezug zu dem, was wir davor gesagt haben, ist natürlich, dass diese besagte Dame aus dem hohen Norden gekommen ist. Also auch da könnte man sich jetzt fragen Vielleicht geht sie selbst auch davon aus, dass sie eben weiß, wie man Hochdeutsch spricht. Oder sie nimmt jedenfalls hier so eine gewisse Deutungshoheit ein. Und was ich dann irgendwie noch spannend finde, ist so dieser Bezug zum Schwäbischen. Bzw. Er sagt ja, da haben wir Schwaben ein Problem.
Speaker3: [00:20:38] Das ist erst mal spannend, dass er diese Gruppe kollektiviert, also von den Schwaben spricht. Aber er spricht hier eben von Wir Schwaben und offenbart hier mit so einer Schwäche eine Unsicherheit, eine Kränkung. Und das scheint der Dialekt zu sein. Also er sieht da ganz klar diesen Zusammenhang. Wenn man ihnen was Böses tun will, dann spricht man sie auf ihren Dialekt an! Das scheint für ihn so ganz klar da zu stehen. Der Dialekt ist irgendwie schlecht. Oder der Dialekt, auf den will man nicht angesprochen werden. Ja, ich finde das auch. Es greift jetzt vielleicht ein bisschen weiter, aber auch spannend in diesem Bezug zu Baden Württemberg mit seinem schönen Slogan Wir können alles außer Hochdeutsch. Was mir dazu natürlich irgendwie gleich in den Kopf gekommen ist und der ja ich glaube 20 Jahre oder länger diese Imagekampagne des Landes war. Und wenn man das jetzt so interpretieren möchte, wäre es ja vielleicht so, dass mit dieser Imagekampagne nach außen auf eine gewisse humorvolle Weise das Wissen getragen wird oder die Info weitergegeben wird. Wir sind in allem die Besten, außer im Hochdeutsch. Und das beinhaltet natürlich irgendwie sehr viel Selbstbewusstsein. Es ist ja fast irgendwie was Sympathisches, dann zugeben zu können, dass man eine Sache nicht gut kann, wenn sie sonst immer überall die Besten sind. Und zwar die Sprache, das Hochdeutsche. Gleichzeitig passt es vielleicht eigentlich gar nicht, wenn man sozusagen überall das höchste Kapital eintragen kann, außer in der Sprache nicht, oder bzw sich vielleicht auch gar nicht mehr bemüht, die Sprache dann ans Hochdeutsche anzupassen.
Speaker3: [00:22:23] Das hat eben auch fast wieder was Prestigehaftes, dass man eben sich gar nicht mehr bemühen muss und damit fast was Eigenes, Wichtigeres erlernt hat oder bzw nach außen trägt. Da habe ich wieder einen kleinen Fun Fact, weil ich diesen Slogan noch mal gegoogelt habe und da auf Wikipedia. Das kann gerne noch mal nachgeprüft werden. Da steht, dass der Slogan in den 90er von Sebastian Turner von der Agentur Scholz und Friends entwickelt wurde und zunächst dem Freistaat Sachsen angeboten wurde, der ihn aber ablehnte. Und das finde ich wirklich total spannend und einfach wahnsinnig passend. Also das hätte ich mir selber nicht besser ausdenken können, weil man sich hier natürlich auch wieder fragen kann Warum hat Sachsen diesen Slogan abgelehnt? Hatten sie vielleicht nicht genug soziales und kulturelles Kapital, um sich diese Art der Selbstironie auch leisten zu können und dieses Selbstbewusstsein darin einzutragen, weil sie sonst in allem sozusagen Also hätten Sie sich zutrauen können, sagen zu können, dass Sie sonst alles können? Ähm, ja. Wieder die Schleife finden. Zu dem Interview Ausschnitt, den wir gerade gehört haben, ist natürlich irgendwie einfach sehr, sehr interessant, dass es hier von dem Interviewten diesen klaren Hinweis gibt, dass dieser dieses Gefühl, Hochdeutsch sprechen zu können, da scheinbar ausgeschlossen zu sein, nicht Teil der Dominanz Gesellschaft zu sein, für ihn eine verletzende Situation darstellt.
Speaker1: [00:24:04] Genau da liest man ja auch ganz, ganz stark raus, dass es um Deutungsmacht geht und auch um Handlungsmacht. Sprich wer hat was zu sagen, deuten usw Und hier, du hast es im Prinzip schon gesagt, geht es auch um symbolische Macht bzw auch um verschiedene Formen von symbolischer Gewalt. Und auch im Hinblick darauf, wie eben vor allen Dingen die Wertigkeit von Dialekt gelesen wird.
Speaker2: [00:24:29] Vielleicht können wir zum nächsten Thema kommen, Sarah, und zwar so regionale Kontraste und auch historische Entwicklungen. Du untersuchst ja direkt in Sachsen. Es würde mich aber interessieren, wenn wir einen Blick auf Baden Württemberg noch mal werfen, ob dir da Unterschiede auffallen. Also im Vergleich Dialekt in Sachsen, Dialekte in Baden Württemberg.
Speaker3: [00:24:52] Ja, ja. Also ich habe irgendwie überlegt. Man kann das natürlich auf verschiedene Ebenen sich anschauen. Zuallererst fällt mir irgendwie die geschichtliche Unterscheidung auf, die jetzt nicht unbedingt vom Dialekt abhängt. Aber wenn man sozusagen grob sich noch mal anschaut Baden Württemberg liegt eben in Westdeutschland. Sachsen liegt quasi im Herzen Ostdeutschland und hat mit der Wende eben auch einen großen Transformationsprozess hinter sich. Bzw vielleicht auch steckt noch drin und der hat eben eine Umstellung auf ein vollkommen neues System mit sich gebracht. Und da würde ich schon auch noch mal hervorheben, dass sich Ostdeutschland da sehr viel an den Westen anpassen musste. Da hatte Baden Württemberg eben den Standortvorteil, dass es Teil des Westens ist und dem da eben auch gegenüber beispielsweise Sachsen ein Vorteil des kulturellen Kapitals. Dann ist Baden Württemberg eines der reichsten Länder in Deutschland, während Sachsen eben auch dem guten Mittelfeld einzuordnen oder zuzuordnen ist. Und genau damit sozusagen jetzt unabhängig vom Dialekt erst mal so eine gewisse Unterscheidung aufzumachen. Und das sind alles Unterschiede, in denen es auch um Macht geht und darum, wer gehört wird, wer sprechen darf, wer sozusagen ein Mikrofon in der Hand hat. Und ja, man muss trotzdem aufpassen, dass man dieses Narrativ vielleicht nicht zu eindimensional sieht. Oder das würde eben auch beiden Seiten dann nicht gerecht werden. Es gibt ja eben einfach eine große Debatte darüber, auch warum der Osten eben auch anders ist als der Westen. Wenn man sich das sozusagen alles im Hinterkopf behält und da eben von ausgeht als Grundlage, dann kann man bezüglich des Dialekts vielleicht noch mal so eine Unterscheidung aufmachen in dem Sinne, wie Dialekt bewertet wird. Also in Süddeutschland ist der Dialekt oft eher mit Gemütlichkeit oder auch mit Tradition verbunden, während in Sachsen der Dialekt oft als abgehangen oder eben weniger modern gesehen wird.
Speaker3: [00:27:10] Die Assoziation speziell mit Baden Württemberg geht vielleicht auch schnell Richtung Arbeitsethos vor Wirtschaftskraft, "Schaffe, schaffe, Häusle baue", was ja irgendwie eigentlich fast nur dialektal funktioniert. Und irgendwie für mich jedenfalls, obwohl ich nicht in Baden Württemberg sozialisiert wurde, so was ganz Klassisches beinhaltet, also auch vielleicht so eine so ein Stereotyp mit sich bringt. Und wenn man das in einem Bezug zu einem ländlichen Raum sieht, den ja sowohl Baden Württemberg als auch Sachsen haben, ist der ländliche Raum ist ja auch häufig noch mal dialektaler geprägt. Auch weil es dort nicht so viel Zuwanderung von außen beispielsweise gibt, würde ich dennoch behaupten, dass die Stadtentwicklung in den städtischen Gebieten auch eine große Rolle spielt, wenn es um den Dialekt geht. Während sich Baden Württemberg dieses Nicht-Hochdeutsch-sprechen auf die Fahne geschrieben hat, war es für Sachsen vielleicht irgendwie noch nicht so weit. Und dieser Spruch, den Sachsen dann gerne in seinem Slogan hat, ist dieses So geht sächsisch. Was irgendwie auch sehr spannend ist, weil das auch so eine sprachliche Komponente hat, auf die es hinweist, jedoch nicht vielleicht das gleiche Selbstbewusstsein mit sich bringt. Also nicht dieses Jahr vielleicht, wenn man das überspitzt sagen möchte, dieses Besserwisser Alleskönner mittransportiert. Dann sind die Städte in Baden Württemberg auch migrantischer geprägt als die Großstädte in Sachsen. Den gibt es auch einen stärkeren Einfluss von außen, der ja auch in eurem Podcast immer wieder deutlich wurde oder auch mit den Heimatvertriebenen vielleicht schon beginnt. Und ja, der ja vielleicht schon fast so eine baden württembergische Tradition mit hat.
Speaker1: [00:29:00] Da passt eigentlich ganz gut. Bzw zu manchen Punkten, die du jetzt gerade erwähnt hast, unsere letzte Folge mit Simone Egger über Arbeit und Freizeit. Da haben wir auch darüber gesprochen, wie quasi der Strukturwandel auf Sprache wirkt. Und da ging es konkret darum, dass das auch durchaus positiv gelesen werden kann, weil wenn durch zum Beispiel Migration, egal ob Gastarbeiterinnen oder auch geflüchtete Gruppen zusammenkommen, die miteinander sprechen müssen, zum Beispiel wenn sie in der Fabrik arbeiten müssen. Nebeneinander muss man eine Sprache finden, mit der man gemeinsam interagieren und sprechen kann. Und das ist natürlich nicht immer Dialekt, Weil wenn mindestens zwei Gruppen dazukommen, die Dialekt nicht können oder noch nicht können, ist es eben wichtig, da eine gemeinsame Ebene zu finden. Das kann natürlich auch positiv gelesen werden und hat natürlich oft eben mit Umbrüchen zu tun. Du hast schon kurz über die Wiedervereinigung gesprochen und wir haben ja auch Umbrüche, die noch ein bisschen weiter zurückliegen, gesprochen. Gibt es da vielleicht noch ein Beispiel aus deiner Forschung, wie sich zum Beispiel bei der Wiedervereinigung Dinge geändert haben, sowohl im Hinblick auf eine positive, aber vielleicht auch negative Konnotation in der Selbst und Fremdwahrnehmung.
Speaker3: [00:30:29] Ja, also genau wie du es schon gesagt hast, das ist ja viel von solchen Umbrüchen irgendwie geprägt. Und das also während der DDR hat sich das Sächsische schon auch irgendwie als so eine Art DDR Sprache festgelegt. Das hatte zum einen damit zu tun, dass 60 % der DDR Bürger:innen eben im sächsischen Gebiet gelebt haben. Das hat aber auch was mit der politischen Elite der DDR zu tun, die dann eben einfach auch oft Sächsisch gesprochen hat. Und mit der Wende ist dann auch diese Bewertung, die erst irgendwie über die DDR gesprochen wurde, noch mal spezieller auf das Sächsische sozusagen runtergebrochen worden und hatte hier eben noch mal eine stärkere Stigmatisierung erfahren. Also das Sächsische ist da so ein bisschen zum Macker des Ossis, wenn man so sagen will, geworden oder zum Symbol des Ostens. Ja genau. Ich habe jetzt hier als Erfahrung oder als Geschichte vielleicht aus meiner Forschung eine Erzählung von einer Frau, die in Sachsen gelebt hat und die erzählt hat, wie sehr sich das irgendwie gewandelt hat, dass sie sich eben vor allem nach der DDR oder zur Wendezeit sehr für ihren Dialekt geschämt hat und sich auch sehr dafür geschämt hat, wenn sie eben im Medien, beispielsweise im Fernsehen usw gehört hat, wie Menschen sächsisch sprechen und einfach gedacht habe Hört lieber auf so zu sprechen. So nach dem Motto Und mittlerweile hat sie da aber auch wieder ein größeres Selbstbewusstsein.
Speaker2: [00:32:05] Valeska, Ich würde gerne noch mal auf etwas eingehen, was du vorhin gesagt hast, nämlich Du hast auch unsere letzte Podcastfolge erwähnt, wo es um Arbeit und Freizeit ging. Und dieses Moment, dass wenn unterschiedliche Menschen zusammenkommen mit unterschiedlichen Sprachen, dass es irgendwie auch Prozesse gegeben haben muss, wo man beschlossen hat wir wollen uns jetzt verständigen miteinander. Wir wollen miteinander kommunizieren können. Und was ich mich da als Sprachwissenschaftlerin frage, ist, welche Varietät oder welche Sprache oder welcher Dialekt gewinnt dann in so einer Aushandlung? Und das hat bestimmt auch wieder mit Prestige zu tun. Ich würde sagen, dass es ganz oft so ist, dass dann eben sich die Sprachform durchsetzt, die höheres Prestige hat und die dann zur gemeinsamen Basis wird. Ich hätte da auch einen kleinen Beweis dazu, den wir uns anhören können. Und dann können wir vielleicht darüber diskutieren, ob das stimmt oder ob da vielleicht noch anderes anzubringen ist. Oder willst du gleich was dazu sagen?
Speaker1: [00:32:58] Ich würde kurz gleich was dazu sagen. Es ist mit Sicherheit also Prestige oder auch Gewohnheit würde ich es vielleicht zusätzlich noch benennen. Ist ein Faktor. Aber wie das so oft ist, würde ich als Kulturwissenschaftlerin sagen, dass es eben nicht nur ein Faktor ist. Es hat natürlich auch mit der Gruppengröße zu tun bzw mit den Gruppengrößen zu tun, die zusammenkommen. Es hat aber vielleicht auch ein bisschen was damit zu tun, wie zugänglich Dialekt ist und auch verstanden werden kann von einer anderen Gruppe. Genau das sind so zusätzliche Faktoren, die ich benennen kann. Aber vielleicht finden wir gleich noch mehr, wenn wir uns die Aufnahme angehört haben.
Speaker2: [00:33:36] Ja, die Aufnahme, die ich da mitgebracht habe ist wieder aus dem Arno-Ruoff-Archiv. Wir hören da jetzt gleich eine Heimatvertriebene, die über ihre Sprache in der neuen Heimat in Bräunisheim berichtet. Und es ist ja so, dass sie in ihrer ehemaligen Heimat auch Dialekt gesprochen hat, der anders funktioniert als der ins Bräunisheim gibt und da hören wir jetzt einmal rein.
Hörbeispiel: [00:34:05] GP: Da sind sie halt auch oft gekommen und haben … mir oft was erzählen, aber ich hab es halt auch nicht recht verstanden. Und dann habe ich oft nochmal fragen müssen. Bald viermal habe ich da gefragt, was sie gesagt haben. Und dann zum Schluss ist es doch besser gegangen.
Hörbeispiel: [00:34:24] EX: Ja und heute?
Hörbeispiel: [00:34:25] GP: Heute verstehe ich es gut.
Speaker6: [00:34:28] EX: Ja heute täte es niemand mehr merken?.
Speaker5: [00:34:29] GP: Ne, da haben sie oft gestritten mit mir in der Schule. Bin…Letzter Winter bin ich in die Schule gegangen. Da haben sie oft gestritten. Das haben sie mir nicht geglaubt, dass ich ein Flüchtling bin.
Speaker2: [00:34:41] Hast du da gleich Ideen dazu, Valeska Oder.
Speaker1: [00:34:44] Genau. Also hier würde ich eben sagen, dass gerade an dem Beispiel, dass es vielleicht nicht nur um Prestige geht, auch weil natürlich die Situation der Geflüchteten nach dem Zweiten Weltkrieg bzw nach dem Dritten Reich, also sprich die Heimatvertriebenen, wie du es ja eben so richtig auch bezeichnet hast, natürlich auch mit Prestige zu tun gehabt haben, weil das eine Gruppe war, die neu in Deutschland angekommen ist, auch sehr arm angekommen ist mit wenig Hab und Gut. Wir oder die meisten von uns kennen Bilder, die diese Geflüchteten quasi zeigen und dementsprechend musste die Gruppe von komplett neu anfangen. Sie ist auch verteilt worden, also sprich, es gab keine größeren Gruppen, die den jeweils heimischen Dialekt gesprochen haben. Also hat Prestige natürlich schon eine Rolle gespielt. Aber es ist auch die Gruppengröße. Es hat auch was mit Gewohnheit zu tun, auch Hören zu tun und wie Dialekt dann gelesen wird und natürlich auch ein bisschen mit Anpassung. Also sprich, sie sind in einer neuen Region, sind gemischt angekommen, sind auch verteilt worden und entsprechend muss eine Sprache gefunden werden. Und das ist natürlich in der Regel oftmals die der größeren Gruppe bzw eben um einen gemeinsamen Nenner zu finden.
Speaker2: [00:36:09] Ja, würde ich dir jetzt auch recht geben, so im Nachhinein. Sarah, du hast vorhin was von Stadtsprachen erzählt. Darum geht es auch in deiner Dissertation. Und du hast auch in dem Zusammenhang erzählt von Diskriminierungserfahrungen, die Menschen mit Migrationsgeschichte in der Schule machen. Würdest du sagen, dass da vielleicht auch Prestige eine Rolle spielt?
Speaker3: [00:36:29] Ja, sicherlich spielt da auch Prestige eine Rolle. Ich habe gerade auch überlegt, in dem, was ihr jetzt erzählt habt, dass da würde ich behaupten, auch dieser Teil der Dominanzgesellschaft eine ganz wichtige Rolle spielt. Also Valeska, du hast es auch gerade schon beschrieben in diesem Kontext von Mehrheit, also wie spricht die Mehrheit? Aber vielleicht ist es da auch sogar noch mal relevanter, wie sprich die dominierende Gesellschaft, also diejenigen, die eben eine bestimmte Macht innehaben, die ein bestimmtes Kapital innehaben im Sinne von wie etabliert sind die, wie sehr werden sie eben gehört? Das habe ich ja vorhin schon mal so ein bisschen metaphorisch mit diesem Mikrofon gemeint. Also wer darf auch so sprechen, wie Sie eben sprechen, und das würde ich behaupten, ist auch ein ganz großes Thema, wenn es darum geht wieder dürfen wir in der Schule sprechen oder welche Sprache setzt sich da eben durch? Und wer sind die Lehrkräfte, die uns die Sprache beibringen? Und wenn die Lehrkräfte vielleicht nicht migrantisch sind und selber aus einem akademischen Haushalt kommen? Ich ich zeichne das jetzt mal so überspitzt. Natürlich sind nicht alle Lehrkräfte so und das ist auch sehr gut so, dann gibt es da eben auch wieder so eine Reproduktion von einer Dominanzgesellschaft, die eben ganz klar auch ein Bild davon hat, wie zu sprechen ist und welche Sprache die gute Sprache ist, die eben weitergetragen werden muss. Und damit würde ich behaupten, kommt eben auch wieder so eine Asymmetrie von Sprache einher.
Speaker2: [00:38:04] Absolut. Und da passt auch ganz gut diese Veröffentlichung von Rosemarie Tracy dazu, die eben Deutschpflicht auf dem Schulhof Fragezeichen geschrieben hat. Ich weiß nicht, ob du das Buch kennst, Also da wird auch ganz stark dafür argumentiert, dass Mehrsprachigkeit was Tolles ist, was es zu unterstützen gilt und dass es auch einfach eine schwachsinnige Idee ist, zum Beispiel bestimmte Sprachen auf dem Schulhof zu verbieten. Es sind ja immer nur bestimmte Sprachen, die dann nicht gesprochen werden dürfen. Es ist uns auch allen jetzt implizit klar, welche das sind und es gibt ganz viele Sprachen, wo das nicht zählen dürfte. Man dürfte ohne Weiteres Französisch auf dem Schulhof sprechen, Da sagt kein Mensch was dagegen. Man kann auch flüstern auf dem Schulhof. Und ich sage das deshalb, weil oft dieses Argument gebracht wird. Diese und diese Sprache dürfen nicht gesprochen werden, weil wir wollen keine anderen Kinder ausschließen und die verstehen dann das nicht. Und dann könnte man ja über die lästern, aber dann müsste man auch was gegen das Flüstern sagen oder gegen sonstige Geheimsprachen, die Kinder vielleicht haben. Aber da werden dann bestimmte Sprachen verboten. Es gibt auch zum Teil Strafarbeiten. Da war auch vor ein paar Jahren so ein prominenter Fall, wo eine Drittklässlerin türkisch auf dem Schulhof gesprochen hat und dann eine lange Strafarbeit schreiben musste. Und das Ganze ging vor Gericht. Und die haben dann auch recht bekommen, dass das nicht richtig ist, dafür so behandelt zu werden. Da sieht man einfach auch wieder, wie eng Sprache und Macht zusammenhängen.
Speaker3: [00:39:34] Ja, total, auf jeden Fall.
Speaker1: [00:39:35] Und daran sieht man ja auch ganz, ganz stark, inwiefern Dialekt oder Sprache nicht nur Machtaspekte innehat, sondern eben auch als Ressource genutzt wird und auch intentional genutzt wird, um sich zu positionieren bzw um andere eben auch zu positionieren im weitesten Sinne. Wir kommen so langsam zum Schluss und wir haben jetzt viel über über Stigma, Anpassung, Sprache und Macht gesprochen, die natürlich auch immer mehrere Seiten, mehrere Perspektiven hat. Und wir sind zwar schon hier und da immer mal wieder auch auf positive Aspekte gekommen. Du hast von dem Marketingslogan von der Imagekampagne "Wir sprechen alles außer Hochdeutsch" gesprochen, die im Hinblick auf Baden Württemberg ja durchaus positiv besetzt ist. Hast du in deinen Interviews aber auch besonders positive Erzählungen zum Dialekt gefunden oder auch zur Kiezsprache, wie du es ganz zu Beginn erwähnt hast?
Speaker3: [00:40:36] Ja, ich habe in den Interviews auf jeden Fall immer wieder sehr, sehr rührende oder auch lustige Erzählungen gehört, jetzt auch über den sächsischen Dialekt vor allem. Und ja, ich habe das ja auch zu Beginn gesagt Viele verbinden den Dialekt eben auch besonders mit der Familie oder auch mit Zugehörigkeit, vielleicht auch mit so einer Art von Ankommen. Der Dialekt transportiert da auch und da würde ich mich so weit aus dem Fenster legen, dass denen das nicht nur sozusagen auf das Sächsische zu beziehen, sondern generell auf Sprach varietäten auch das Kiezdeutsch oder Stadtsprachen enthalten. Diese Sprachen bieten natürlich die Möglichkeit, so sprechen zu dürfen, ohne eine Bewertung zu erfahren. Wenn man das eben in einem Kontext tut, wo eben alle die gleichen Sprachen sprechen. Und das bedeutet eben auch, dass dann Sprache Varietät ein Teil der sprachlichen Identität sein kann. Und ja, in meinem ersten oder in einen meiner ersten Interviews noch im Kontext von meiner Masterarbeit, hat mal eine Interviewperson versucht, ihre Gefühle zum Sächsischen zu beschreiben und ihr fiel das total schwer, da irgendwie das Richtige zu greifen. Und dann hat sie irgendwann sowas gesagt wie Ja, das Sächsische, das ist halt so "Modschegiebchen" halt. Ich weiß nicht, ob ihr wisst, was das ist. Das ist ein dialektaler Begriff und heißt Marienkäfer. Und sie hat eben diesen dialektalen Begriff genutzt, der übrigens auch im Thüringischen und auch im Anhaltinischen bekannt ist und damit versucht, ihre Zuneigung bzw ihre Beziehung zum zu Sachsen, zu ihrer zu ihrem Herkunftsland, aber auch zum Dialekt zu beschreiben. Und dieses Wort, das wird sehr unterschiedlich geschrieben. Ich habe das gerade noch mal gegoogelt, aber ich bin da auf verschiedene Beschreibungen gestoßen. Bei diesem Googeln, wo das "Modschegiebchen" auch immer mit einer gewissen Attribuierung bedacht wird, und zwar sehr viel in so was Süßes, was Liebevolles, eine Erinnerung an eine Kindheit, eine Zärtlichkeiten, Wohlwollen. Und das ist aus so einer soziologischen Perspektive natürlich total spannend, weil eben genau dieses gute Gefühl, sag ich jetzt mal, was durch dieses Wort vermittelt wird. Der Versuch war vielleicht auch, dieses Positive aus dem Dialekt zu ziehen und eben in eine Beschreibung reinzubringen.
Speaker1: [00:43:05] Und Deutungshoheit zu zeigen. Auch. Es ist ja eine ganz starke Selbstpositionierung und auch Selbstdeutung, wie das Individuum jetzt gerade entscheidet. Das ist meine Sicht und die ist genau die richtige.
Speaker3: [00:43:16] Ja, total. Auf jeden Fall.
Speaker1: [00:43:17] Und daran sieht man ja im Prinzip auch, dass Sprache nie neutral ist. Und dass Dialekt verbinden, aber auch trennen kann. Und da fand ich ganz schön, dass Julia eben noch mal gesagt hat, dass sie ja Mehrsprachigkeit und Dialekt als weitere Sprachformen, also ich als Kulturwissenschaftlerin. Julia korrigiere mich gleich. Genau. Aber das ist einfach Wichtig ist, mehrere Sprachen zu sprechen, zu verstehen oder zumindest auf jeden Fall ein Verständnis dafür zu haben, ohne direkt zu zu werten bzw zumindest mal reflektiert darüber nachzudenken, wie wir selber auch individuell über Sprache, Dialekt denken und wie stark das eben dann auch sozial und kulturell konnotiert ist.
Speaker2: [00:44:01] Mich würde jetzt noch interessieren, Sarah, Deine Meinung zu folgender Frage: Was hat denn Dialekt mit regionaler Identität zu tun?
Speaker3: [00:44:11] Ja, ich würde schon sagen sehr viel. Also das würde ich jetzt erst mal so behaupten. Wenn man Identität jetzt so versteht, dass es eben immer auch ja gesellschaftlich konstruiert ist und damit irgendwie auch eine Rolle ist und jedes Individuum beispielsweise auch eine sprachliche Identität hat. Was ich ja schon vorhin so als Begriff genannt habe, dann wird das häufig eben auch mit so einer räumlichen Komponente, beispielsweise eben diesem Regionalen, verknüpft. Und dementsprechend hat Dialekt bzw auch Sprache oder Sprachqualität etwas mit einer regionalen Identität und einer Zugehörigkeit zu tun. Da vielleicht noch ganz kurz Da gibt es ja diese Idee der Imagined communities von Benedict Anderson und der geht eben genau davon aus, dass Nationen nur also diese Grenze sozusagen von verschiedenen Ländern nur durch dieses grundsätzliche kollektive. Gefühl durch das gemeinsame Identifizieren, wenn man so will, überhaupt bestehen kann. Und Sprache spielt dabei eine super entscheidende Rolle, die es sowohl als Grundlage für eine gemeinsame Identität zu verstehen, als auch die Möglichkeit zu und natürlich innerhalb der Nation. Das bedeutet natürlich nicht, dass multilinguale Nationen nicht existieren können oder nicht bestehen können. Aber Sprache ist natürlich trotzdem ein Bindemittel und dementsprechend würde ich auch sagen, dass Dialekt viel mit einer regionalen Identität zu tun hat.
Speaker1: [00:45:44] Wir haben jetzt viel Einblick bekommen in dein Dissertationsprojekt und viele einzelne Themen gesprochen. Und vor allen Dingen haben wir eben mitbekommen, dass Sprache, Macht, Zugehörigkeit irgendwie immer zusammengedacht werden müssen. Vielleicht abschließend würde mich noch interessieren gibt es noch irgendwas, was wir jetzt nicht besprochen haben, was du gerne noch anbringen wollen würdest aus der Forschung zu deinem Projekt, aber vielleicht auch allgemein.
Speaker3: [00:46:12] Ja, wahrscheinlich immer ganz vieles. Aber auf die Schnelle und zum Schluss ist glaube ich, eines der Gründe, warum ich irgendwie angefangen habe, diese Arbeit zu schreiben bzw dabei bin, diese Arbeit zu schreiben. Ähm auch so diesen Fokus nochmal darauf zu legen. Ja, wie wir das jetzt auch vielleicht rausgearbeitet haben, wie sehr Sprache in jegliche Form von Macht in unserer Gesellschaft irgendwie eingetragen ist. Und obwohl Sprache vielleicht am Anfang oft so latent wirkt und so unterschwellig dann doch ein riesengroßer Faktor ist. Und ich finde, besonders in diesen Varietäten, in den Dialekten, in den SprachFärbungen wird das oft noch latenter und ist trotzdem mindestens genauso machtvoll. Und das finde ich, glaube ich, irgendwie einfach wahnsinnig faszinierend und wichtig, da so eine Bewusstwerdung zu zu schaffen und sich damit eben noch mal ein bisschen genauer auseinanderzusetzen.
Speaker1: [00:47:15] Das ist doch ein schönes Schlusswort, würde ich sagen. Ich würde dann schon mal Danke sagen, Sarah, dass du heute bei uns warst und aus deinem Projekt berichtet hast. Wir können da, glaube ich, alle einiges mitnehmen. Vor allen Dingen eben im Hinblick auf diese Bewusstwerdung von Sprache, Dialekt und wie sie eben auf uns wirkt und wie sie auch als dynamischen Prozess gelesen werden kann.
Speaker3: [00:47:36] Ja, ganz, ganz vielen Dank, dass ich da sein durfte. Vielen Dank für euer Interesse und eure Fragen.
Speaker2: [00:47:42] Das war jetzt unsere vorerst letzte Podcastfolge, zumindest aus dieser Staffel. Vielen Dank fürs Zuhören und ich hoffe, Sie oder ihr habt etwas mitgenommen.
Speaker1: [00:47:54] Dann bis bald.