Uni-Tübingen

B 01

Variabilität der Ressourcennutzung. Raumerschließung durch späte Neandertaler und frühe anatomisch moderne Menschen in Europa

Fachklassifizierung

Ur- und Frühgeschichte
Ältere Urgeschichte und Quartärökologie



Doktorand*innen
und Postdocs


Das Teilprojekt B 01 beschäftigt sich mit der Ressourcennutzung später Neandertaler und früher anatomisch moderner Menschen. Vor dem Hintergrund der Einwanderung des Homo sapiens nach Europa und dem Aufeinandertreffen mit ‚indigenen‘ Neandertalern untersucht das Projekt in dieser menschheitsgeschichtlich wichtigen Phase Kontinuitäten und Brüche menschlichen Verhaltens am Beispiel materieller und immaterieller Ressourcen. Eine wichtige Veränderung am Beginn des Jungpaläolithikums stellt das vermutlich erstmalige Aufkommen von figürlicher Kunst und anderen Innovationen im symbolischen Bereich dar, mit der sich das Teilprojekt in der dritten Antragsphase beschäftigt. Seit dem Jungpaläolithikum ist ein erhebliches Investment der Menschen in Handlungen zu beobachten, die Objekte hinterlassen haben, die heute als ‚Kunst‘ angesprochen werden. Kunst scheint somit zu einer sowohl materiellen (Höhlenkunst, Pigmente, Elfenbein), wie immateriellen Ressource zu werden (Symbolik, Animismus, religiöse Handlungen).
Innerhalb des Aurignaciens, das in Europa in Form inselartiger Zentren vorkommt, etwa auf der Schwäbischen Alb, in Venetien, der Bourgogne oder auch der Dordogne, lassen sich im Vergleich unterschiedliche Ausprägungen der symbolisch zu interpretierenden Artefakte feststellen. Während in der Dordogne tief eingravierte Ritzungen in Kalksteinblöcke vorherrschend sind, fallen die Elfenbeinfiguren der Schwäbischen Alb durch ihre erstaunliche Feingliedrigkeit auf.. Die 1994 erfolgte Entdeckung der Grotte Chauvet (Ardèche, Frankreich) mit ihren außergewöhnlichen, in Teilen in das Aurignacien datierten Höhlenkunstwerken, vermittelt nochmals einen völlig anderen Eindruck. Andererseits gibt es in der Lithik, der Knochenindustrie und auch in den künstlerischen Äußerungen Phänomene, die sich über den gesamten Kontinent hinweg in nahezu identischer Form wiederholen. Das Teilprojekt B 01 behandelt dabei die zentralen Forschungsfragen: Entstand die Aurignacienkunst spontan oder gab es Vorläufer? Wie gestaltet sich die demographische und palethnologische Realität dieser Zeit im Spannungsfeld zwischen regionalen Entitäten und paneuropäischen Gemeinsamkeiten? Und welche Funktion nahm die Kunst in der RessourcenKultur der damaligen Menschen ein? Welche Dynamiken machen sich im komplexen Gefüge der Ressourcen und Ausdrucksformen der damaligen Zeit bemerkbar?

Die Unterschiedlichkeit der jeweiligen Kunstäußerungen des Aurignaciens spricht gegen systemische und biologistisch dem Homo sapiens als spezifisch zugewiesene Verhaltensnormen, die gegenüber dem Neandertaler als evolutionär vorteilhaftes Toolkit bewertet werden könnten, sondern für regional und zeitlich wirksame kontingente Lösungen und für ein RessourcenGefüge, das im diachronen Abgleich zu vorherigen und nachkommenden Kulturkomplexen eigenständige Dynamiken aufzeigt. Geographisch sind die Fallbeispiele des Teilprojektes B 01 mit Burgund und der Schwäbischen Alb an erstklassigen Scharnierstellen zwischen Mittel- und Westeuropa angesiedelt, wo sowohl letzte Neandertaler als auch ein sehr frühes Auftreten anatomisch moderner Menschen beobachtet werden.