Uni-Tübingen

Newsletter Uni Tübingen aktuell Nr. 3/2015: Schwerpunkt

Doktorandenkonvente: eigene Interessenvertretung für Doktorandinnen und Doktoranden

Konstituierende Vollversammlungen an der Universität Tübingen im Mai

An den drei Großfakultäten der Universität Tübingen haben sich im Mai Doktorandenkonvente konstituiert. Die Konvente sind als Interessenvertretung aller Doktorandinnen und Doktoranden gedacht und gesetzlich vorgeschrieben. In der Neufassung des Landeshochschulgesetzes vom 9. April 2014 heißt es: „Die zur Promotion angenommenen Doktorandinnen und Doktoranden bilden einen Konvent“ (§ 38 LHG Absatz 7), sie erhalten damit als Statusgruppe „eine Stimme“ (Webseite des MWK BaWü zum neuen Landeshochschulgesetz). An der Universität Tübingen werden die Doktorandenkonvente auf der Ebene der Fakultäten und nicht auf Universitätsebene eingerichtet.


Mit der eigenen Interessenvertretung schließt der Gesetzgeber eine Lücke, denn bislang waren die Doktorandinnen und Doktoranden nur teilweise über den akademischen Mittelbau oder teilweise über den Studierendenrat repräsentiert – abhängig von der Form ihrer Promotion und einem etwaigen Beschäftigungsverhältnis an der Universität.


Das Landeshochschulgesetz besagt, dass die Doktorandenkonvente die Möglichkeit zur Stellungnahme bei Änderungen der Promotionsordnung haben. Die Konvente können darüber hinaus ein beratendes Mitglied in den Senat bzw. – wie an der Universität Tübingen – in den Fakultätsrat entsenden. Auch in den Promotionsausschüssen der Fakultäten sind sie vertreten. Alles weitere – Organisation und Vorstand, Ziele und Angebote – lässt das Gesetz offen und muss in der Geschäftsordnung geregelt werden.


So verwundert es nicht, dass sich Anika Klein vor der konstituierenden Vollversammlung des Doktorandenkonvents der Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen (WiSo) Fakultät die Frage stellte, was den Konvent eigentlich genau ausmacht und was von seiner Arbeit zu erhoffen ist. Nach der Wahl in den Vorstand besteht somit für sie und die vier anderen Vorstandsmitglieder die erste große Aufgabe darin, dem noch sehr offenen gesetzlichen Rahmen eine konkrete Form zu geben, die eigene Stellung als Konvent, aber auch die des Vorstands zu klären. Anika Klein studierte Pädagogik, Politik und Psychologie an der LMU München. Sie promoviert in der Abteilung Erwachsenbildung/Weiterbildung des Instituts für Erziehungswissenschaft bei Professor Dr. Bernhard Schmidt-Herta über „Ernährung im Lebenslauf – Eine qualitative Studie zu ernährungsbezogenen lebensgeschichtlichen Aneignungsprozessen“. Dort hat sie momentan eine befristete Teilzeitstelle.


Magdalena Heimgärtner, Vorsitzende des Doktorandenkonvents der Mathematisch-Naturwissenschaftlichen Fakultät (MNF) sieht die Ausgangslage ähnlich wie Klein. Ihr ist es wichtig, die Doktorandinnen und Doktoranden durch gezielte Öffentlichkeitsarbeit erst einmal überhaupt zu erreichen und zu informieren. Mit einer Online-Umfrage will sie – ähnlich wie Ihre Kolleginnen und Kollegen in der WiSo-Fakultät – demnächst erheben, welche Fragen, Probleme oder Wüsche die Doktoranden haben. Madgalena Heimgärtner hat Psychologie an der Universität Tübingen studiert, danach eine dreieinhalbjährige Ausbildung zur Psychotherapeutin mit Fachrichtung Verhaltenstherapie gemacht. Sie promoviert im Fach Neuropsychologie in der Abteilung Neuropädiatrie in der Universitätskinderklinik mit einer Arbeit über Kinder mit Neurofibromatrose Typ I und ADHS, ihre Betreuer sind Professor Dr. Martin Hautzinger und Professorin Dr. Ingeborg Krägeloh-Mann. Nach einer Anschubfinanzierung durch die Fakultät arbeitet sie neben der Promotion Vollzeit für ihren Lebensunterhalt.


Auch Simon Schüz findet es wichtig, dass die Doktorandinnen und Doktoranden jetzt überhaupt eine eigene Vertretung haben und dadurch die Möglichkeit, mitzureden. Schüz ist Vorstandsmitglied im Doktorandenkonvent der Philosophischen Fakultät und sieht sich vor allem als Ansprechpartner für die Doktoranden der eigenen Fakultät. „Die Konvente sind wie eine Fachschaft für Doktoranden“, umschreibt er ihre Funktion. Das Thema Vernetzung liegt Schüz besonders am Herzen, denn „die Promotion ist gerade in den Geisteswissenschaften zum Teil eine sehr einsame Zeit.“ Zusammmen mit den anderen Vorstandsmitgliedern will er aber auch die praktischen Fragen anpacken, die alle Doktoranden beschäftigen: „Was für ein Weiterbildungsangebot braucht Ihr? Was wird mit der bestehenden Betreuungsvereinbarung hinreichend geregelt und wo besteht noch Handlungsbedarf?“ Schüz führt dazu aus: „Die verbindliche Betreuungsvereinbarung nach dem neuen LHG ist ein wichtiger Schritt, denn damit wird auch formalisiert, welche Verantwortung für den Doktoranden besteht (sh. LHG §38, Abs. 5). Bislang waren Doktorandinnen und Doktoranden in diesem Punkt fast ausschließlich vom persönlichen Engagement ihres Betreuers abhängig.“


Simon Schüz hat in Mainz, Yale und Tübingen Philosophie, evangelische Theologie und Amerikanistik studiert. Das Thema seiner Dissertation liegt im Bereich der klassischen deutschen Philosophie und untersucht die transzendentalen Argumentationsstrategien Fichtes und Hegels. Sein Betreuer ist Professor Dr. Ulrich Schlösser. Schüz finanziert seine Promotion über ein Stipendium.


Die drei Vorstände sind überzeugt, dass die Partizipation an den Doktorandenkonventen steigen wird, wenn die Ziele und Aufgaben klar definiert und die Doktoranden mehr über die Existenz der Konvente erfahren. Bei der konstituierenden Vollversammlung der MNF kamen von ca. 1200 bei der Fakultät angenommenen Doktorandinnen und Doktoranden nur knapp 20. Bei der WiSo- Fakultät nahmen ca. 30 von 380 Doktorandinnen und Doktoranden teil, bei der Philosophischen Fakultät 33 von 800.


Alle drei Vertreter der Doktorandenkonvente wollen positiv etwas bewegen für ihre Interessengruppe, die Doktoranden aus einem verbreiteten Gefühl der „erlernten Hilflosigkeit“ befreien. Simon Schüz: „Die Gründung der Konvente ist so ein wichtiger Moment, das ich es als meine Pflicht ansehe, beim Doktorandenkonvent mitzumachen. Die Doktoranden sind die wichtigste Übergangsschnittstelle zwischen Forschung und Studium. Und doch scheinen sie dem Wissenschaftssystem mitunter gleichgültig zu sein. Um das zu ändern, muss man sich engagieren.“


Anika Klein sieht es ähnlich: „Ich las die Einladungsmail zur konstituierenden Vollversammlung, als ich gerade an einem Seminar der Graduiertenakademie teilnahm. In dem Seminar hatte ich viel von den Problemen der anderen teilnehmenden Doktoranden aus ganz verschiedenen Fachbereichen erfahren und mir gedacht, dass der Konvent eine Gelegenheit wäre, selbst etwas daran zu ändern: „Ich bin überzeugt, dass wir als Doktorandenkonvent mit konstruktiven Vorschlägen die Situation der Doktoranden verbessern können und dass die zuständigen Stellen – Fakultätsrat, Promotionsausschuss, Senat – aufgeschlossen sind für Verbesserungen.“


Magdalena Heimgärtner hat schon während ihres Studiums in der Fachschaft und im AStA. mitgearbeitet. Sie möchte andere Doktorandinnen und Doktoranden mit ihrer Erfahrung bei der Promotion unterstützen. Ihr ist dabei schnelle konkrete Hilfe wichtiger als stundenlang über mögliche Unterstützungsmöglichkeiten zu diskutieren. Heimgärtner betont die Wichtigkeit des Austausches mit Konventen an anderen Fakultäten oder Universitäten für ihre Arbeit.


Der Vorstanden des Konvents, so Anika Klein, möchte aber nicht nur eigene Angebote entwickeln, sondern die Doktorandinnen und Doktoranden auch auf bereits vorhandene Angebote hinweisen, beispielsweise den Career Service oder die Graduiertenakademie: „Dr. Sibel Vurgun hat bei der Graduiertenakademie schon sehr viel aufgebaut, auch auf der Internetplattform ILIAS.“ Ihre Kollegin von der MNF findet die Graduiertenakademie auch sehr gut, „aber die Akademie ist ein Angebot der Universität, der Konvent dagegen ein Angebot von Doktoranden für Doktoranden“.

Maximilian von Platen

Bereits im vergangenen Herbst hatten die Dekane alle ihre formal angenommenen Doktoranden zu Vollversammlungen eingeladen und sie dabei mit der Erstellung einer Geschäftsordnung beauftragt.

Simon Schüz beschreibt den Entstehungsprozess der Geschäftsordnung für den Doktorandenkonvent der Philosophischen Fakultät: „Wir hatten zunächst den Gesetzestext und haben uns mit anderen Konventsinitiativen, beispielsweise aus Heidelberg ausgetauscht. Dann haben wir uns intern zusammengesetzt und die Details ausgearbeitet, auch mit den Kolleginnen und Kollegen der MNF und der WiSo-Fakultät. Nach der Erstellung eines ersten Satzungsentwurfes hat uns die Rechtsabteilung der Universität beraten und gesagt, was noch angepasst werden musste. Die fertige Geschäftsordnung wurde auf der konstituierenden Sitzung des Doktorandenkonvents diskutiert und beschlossen. Jetzt muss sie vom Fakultätsrat bestätigt werden. Damit aus der Geschäftsordnung eine Satzung wird, muss sie danach noch vom Senat verabschiedet werden.“

Die konstituierenden Sitzungen für die Doktorandenkonvente an den anderen Fakultäten der Universität Tübingen sind ab Herbst 2015 geplant.