Uni-Tübingen

Newsletter Uni Tübingen aktuell Nr. 1/2022: Forschung

Auf den Spuren des frühmodernen Menschen in Südafrika

Ein Interview mit dem Geoarchäologen Peter Morrissey von der Witwatersrand Universität

Die Universität Tübingen verstärkt ihre Kooperationen mit Afrika: Sieben Forschende aus Algerien, Gabun, Senegal, Südafrika und Togo sind 2022 nach Tübingen eingeladen, sie kommen aus ganz unterschiedlichen wissenschaftlichen Disziplinen. Ihre mehrmonatigen Aufenthalte in Tübingen werden vom Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst Baden-Württemberg mit Forschungsstipendien gefördert. 

Der Geoarchäologe Peter Morrissey von der Witwatersrand Universität in Südafrika ist einer der ersten Stipendiaten, der im März 2022 für drei Monate nach Tübingen kommt. Gemeinsam mit Dr. Susan Mentzer von der Abteilung Geoarchäologie der Universität Tübingen, die auch seine Doktorarbeit betreut, möchte er hier bedeutende archäologische Funde der südafrikanischen Klasies-River-Höhlen erforschen. Dabei suchen sie nach Belegen und Erklärungen für das Verhalten des archaischen Homo sapiens, der vor 120.000 Jahren in der Höhlenregion lebte. Christin Wannagat hat Morissey vorab über seine Forschungspläne in Tübingen interviewt, das Gespräch bildet den Auftakt der neuen Reihe "Forschungskooperationen mit Afrika".

Was ist Ihr Hauptforschungsgebiet?

Ich bin Geoarchäologe. Schwerpunkt meines Fachs ist es, den geologische Kontext von archäologischen Funden besser zu verstehen. Das ermöglicht es uns, menschengemachte Merkmale zu identifizieren und festzustellen, ob einzelne archäologische Funde durch geologische Prozesse verändert wurden. Zudem können wir damit auch die Klima- und Umweltbedingungen ermitteln, die menschliche Besiedelungsprozesse bestimmt haben. All diese Informationen helfen Archäologinnen und Archäologen bei der Deutung von an archäologischen Stätten entdeckten Belegen, um damit das Verhalten des frühen Menschen besser zu verstehen.

Mit welchen Forschungsfragen beschäftigen Sie sich aktuell?

Meine Doktorarbeit konzentriert sich auf die Klasies-River-Höhlen (Klasies River Main) in Südafrika, eine äußerst wichtige archäologische Fundstätte aus der Mittelsteinzeit. Sie besteht aus mehreren verschiedenen Höhlen, die über die letzten 120.000 Jahren zu verschiedenen Zeiten von Menschen bewohnt wurden. Zu den Funden gehören große Mengen an Steinwerkzeugen und Tierknochen sowie einige bedeutende menschliche Fossilien. Aufgrund der Zusammensetzung der Ausgrabungsstätte mit verschiedenen Gesteinsschichten und Ablagerungen ist es schwierig zu verstehen, wie dort gefundene Artefakte und Fossilien zeitlich zueinander in Beziehung stehen und wie sich die unterschiedlichen Entstehungsprozesse der Stätte auf diese Funde ausgewirkt haben. Ich werde die Gesteinsablagerungen mithilfe einer mehrskaligen geoarchäologischen Analyse untersuchen, um die Faktoren für einige der ältesten Ablagerungen und die wichtigsten menschlichen Fossilien in Klasies zu klären. 

Warum haben Sie sich für einen Forschungsaufenthalt in Tübingen entschieden?

Meine Doktorarbeit erfordert den Einsatz der archäologischen Mikromorphologie, einer wichtigen Technik für die geoarchäologische Forschung. Leider kann derzeit noch keine südafrikanische Universität Studierende und Forschende in dieser Technik ausbilden. Es war für mich daher aus mehreren Gründen naheliegend, nach Tübingen zu gehen, um mich in dieser Technik fortzubilden und meine Proben zu analysieren. Zum einen leitet meine Betreuerin Dr. Susan Mentzer das geoarchäologische Forschungsprojekt an den Klasies-River-Höhlen und arbeitet in der Arbeitsgruppe Geoarchäologie in Tübingen. Zum anderen gehören zu ihrer Arbeitsgruppe weitere Geoarchäologinnen und -archäologen, die Erfahrung mit vergleichbaren Fundstellen in Südafrika und Europa haben. Dadurch gibt es in Tübingen eine ausgezeichnete Referenzsammlung, die für Lehre und Forschung unerlässlich ist. Ich freue mich über die Möglichkeit des Austauschs und bin dem Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst Baden-Württemberg für die Finanzierung dieses Forschungsaufenthaltes sehr dankbar. 

Welche konkreten Ergebnisse streben Sie während Ihres Aufenthalts an? Was sind Ihre Pläne für die Zukunftt?

Ich möchte mich in der archäologischen Mikromorphologie weiterbilden und lernen, diese Techniken zu nutzen und weiterzuentwickeln – für einen späteren Transfer der Ausbildung nach Südafrika. Dazu wollen Susan Mentzer und ich auch nach meinem Aufenthalt in Kontakt bleiben und digitale Strategien für Ferndiagnosen und Ausbildungsprogramme entwickeln.

Ich habe nach Tübingen jede Menge Gesteinsablagerungen aus der Höhlenregion Klasies mitgebracht, die zwischen 120.000 und 100.000 Jahre alt sind. Ich hoffe, dass ich nach der Probenanalyse feststellen kann, welche natürlichen und anthropogenen Prozesse an der ursprünglichen Bildung der Ablagerungen beteiligt waren und welche Prozesse sie möglicherweise auch wieder verändert haben. Das sind wichtige Belege für das unterschiedliche Verhalten des frühmodernen Menschen in Klasies zu unterschiedlichen Zeiten. 

Das Interview mit Peter Morrissey wird nach Ablauf des Forschungsaufenthaltes fortgesetzt.

Weiterführende Links: