Ana García-Sáez stammt aus der Nähe von Valencia an der spanischen Ostküste und hat an der dortigen Universität Chemie und Biochemie studiert. „In der Schule fand ich es faszinierend, dass alle lebenden Organismen auf der Grundlage von DNA entstehen“, erzählt die Wissenschaftlerin, die zum vergangenen Wintersemester als Professorin ans Interfakultäre Institut für Biochemie der Universität Tübingen IFIB berufen wurde. „Noch spannender erschien mir die Frage, wie sich das Leben aus chemischen Molekülen entwickelt hat.“ In der Abteilung für Biochemie und Molekularbiologie der Universität Valencia legte sie auch ihre Promotion ab.
Tübingen ist nicht die erste Station der Wissenschaftlerin in Deutschland. Über ein Stipendium kam sie 2005 als Postdoc ans Biotechnologische Zentrum der Universität Dresden und leitete von 2010 an eine Max-Planck-Forschungsgruppe am Deutschen Krebsforschungszentrum in Heidelberg. „In Spanien gibt es viel mehr Frauen in den Naturwissenschaften. Hier in Tübingen bin ich erst die zweite Professorin in der Biochemie“, berichtet die 37-Jährige.
Ihr Schwerpunkt in der Forschung sind die dynamischen Veränderungen der Membranen, die sie auch quantitativ untersucht. Membranen bilden die Außenhülle von Zellen, teilen aber auch innerhalb der Zelle einzelne Zellorgane oder Kompartimente ab, in denen spezialisierte Prozesse stattfinden können. Ihre Forschungsgruppe interessiert sich besonders für die Veränderungen der Membranen während der Apoptose, dem sogenannten programmierten Zelltod. Darüber lässt der Organismus überalterte, beschädigte oder infizierte Zellen gezielt und geregelt absterben. Die Apoptose wird von Bcl-2-Proteinen kontrolliert: Sie machen die äußere Membran der Mitochondrien, den Organellen, in denen die Zelle Energie für ihre Stoffwechselprozesse gewinnt, durchlässig. Dies führt zur Aktivierung bestimmter Enzyme und schließlich zum Zelltod. Die Bcl-2-Proteine haben auch eine wichtige Rolle bei der Entstehung von Tumoren. „Wenn wir die Mechanismen der Bcl-2-Proteine genau verstehen, können wir auch Wirkstoffe finden, die den Zelltod bei der Behandlung von Krankheiten einleiten oder stoppen“, erklärt Ana García-Sáez.
Sie arbeitet auch an einer Schnittstelle zur Physik, denn die Membranen werden mithilfe der Fluoreszenzkorrelationsspektroskopie untersucht, bei der Stoffe gezielt zum Fluoreszieren angeregt werden. Gemessen wird die Änderung der Fluoreszenzintensität bei verschiedenen Stoffwechselprozessen in der Zelle. Außerdem kommt eine spezielle Mikroskopie (Rasterkraftmikroskopie) zur Abbildung von Oberflächen zum Einsatz.
2012 erhielt die Professorin einen der begehrten Starting Grants des Europäischen Forschungsrats (ERC – European Research Council), mit dem exzellente Wissenschaftler eine hohe Fördersumme für ein Forschungsprojekt erhalten. Seit April ist Ana García-Sáez außerdem Mitglied einer trinationalen Arbeitsgruppe zur Erforschung des apoptotischen Zelltods, die im Rahmen eines D-A-CH-Projekts über zunächst drei Jahre mit drei Millionen Euro gefördert und von der Universität Konstanz koordiniert wird. D, A und CH stehen für die Autokennzeichen von Deutschland, Österreich und der Schweiz, die Deutsche Forschungsgemeinschaft finanziert das Projekt gemeinsam mit den Forschungsfördereinrichtungen der beiden anderen Staaten.
In Tübingen hat sich die Professorin Ana García-Sáez mit ihrer Familie gut eingelebt – zumal ihr Mann bereits vor ihr an der Universität Tübingen eine Stelle gefunden hatte.
Janna Eberhardt