Gymnasialschüler, die Su Dongpos „Rhapsodie von der Roten Wand" wie unsereins Macbeth oder Le petit prince mit Begeisterung lesen und ihre Klassenfahrt nach Peking oder Shanghai machen? Das rückt nun in den Bereich des Möglichen, nachdem an der Abteilung für Sinologie und Koreanistik des Asien-Orient-Instituts (AOI) der Universität Tübingen zum Wintersemester 2013/14 ein drei- bzw. zweijähriger Bachelor-/ Masterstudiengang Sinologie/Chinesisch angeboten wird. Studierende, die bislang in die „normalen" Tübinger BA/MA-Studiengänge Sinologie/Chinese Studies eingeschrieben waren und mit diesem Studium in der Bachelor- oder Masterphase bereits begonnen haben, können sich dann auch in den neuen Studiengang umschreiben. Mit der Einrichtung des neuen Studiengangs wird die Basis für den Aufbau der Lehrerausbildung für Chinesisch als gymnasiales Schulfach und die Weiterentwicklung der Fachdidaktik für Chinesisch in Baden-Württemberg geschaffen.
Chinesisch zählt bei der Verbreitung als Alltagssprache (mit 1,2 Milliarden Menschen auf Platz 1) ebenso wie bei der Internet-Präsenz zu den führenden Weltsprachen. Aufgrund der atemberaubenden Wachstumsdynamik der chinesischen Wirtschaft in den letzten drei Jahrzehnten hat sich der Austausch zwischen Deutschland und China in allen Bereichen enorm intensiviert. Das hat sich auch auf ein spürbar wachsendes Interesse an Chinesisch als Unterrichtsfach niedergeschlagen. Heute lernen deutschlandweit über 5.800 Schüler Chinesisch, allerdings ganz überwiegend nur in Arbeitsgemeinschaften. In Baden-Württemberg bietet einzig das Friedrich-Schiller-Gymasium Marbach Chinesisch als zweite Fremdsprache und als Wahlfach für das schriftliche Abitur an.
Einem weiteren Ausbau von Chinesisch als Schulfach stand bislang der eklatante Mangel an qualifizierten Lehrkräften entgegen. „Die größte Herausforderung", so im Jahr 2008 der damalige Generalsekretär der Ständigen Kultusministerkonferenz Erich Thies, „dürfte nunmehr in der Bereitstellung des Faches Chinesisch als reguläres Lehramtsstudienfach und der Ausbildung von Chinesischlehrern liegen, damit unsere Schulen dieser verstärkten Nachfrage auch Rechnung tragen können". Unter Einbindung des Regierungspräsidiums Tübingen, des Staatlichen Seminars für Didaktik und Lehrerausbildung Tübingen, der IHK Reutlingen sowie der Chinesischen Botschaft hat die Universität Tübingen diese Herausforderung angenommen; durch den neuen, bundesweit neben Göttingen bislang einzigartigen Studiengang erhält die Tübinger Sinologie ein weiteres Alleinstellungsmerkmal.
Von zentraler Bedeutung ist dabei die vom Ministerium für Kultus, Jugend und Sport (MWK) Baden-Württemberg zugesagte Sonder-Ausnahmegenehmigung, nach der Absolventinnen und Absolventen des neuen Studiengangs – in Kombination mit einem zweiten Schulfach – in den Vorbereitungsdienst zugelassen werden und dann nach Absolvierung des Vorbereitungsdienstes die Chance auf eine Anstellung im Schuldienst erhalten.
In der Bachelorphase im Umfang von 180 Leistungspunkten entspricht der Studienablauf im Hauptfach nahezu vollständig dem des „normalen" BA Sinologie/Chinese Studies. Dadurch ist ein unkomplizierter Wechsel in jedem Semester von dem einen in den anderen Studiengang und umgekehrt gewährleistet. Eine Besonderheit ist das obligatorische, integrierte Auslandssemester am European Centre for Chinese Studies (ECCS) an der renommierten Peking-Universität im 4. Studiensemester.
In der Masterphase im Umfang von 120 Leistungspunkten wird die Sprachausbildung im Chinesischen durch zwei Sprachkurse weitergeführt, der Schwerpunkt liegt aber auf der Fortführung des Zweitfachstudiums und dem lehramtsqualifizierenden Begleitstudium, einschließlich eines Schulpraktikums.
Nach jetzigem Stand ist der Studiengang in der Kombination mit folgenden Zweitfächern möglich:
Die Kombination mit weiteren Zweitfächern (Evangelische Religion und Informatik) ist geplant.
Für den neuen Studiengang besteht ein hoher Beratungsbedarf. Die Studienberatung findet in der Sinologie statt beziehungsweise für die Zweitfächer bei den jeweiligen Ansprechpersonen.
Achim Mittag