Uni-Tübingen

Chancengerechte Berufungsverfahren an der Universität Tübingen

Es ist an der Zeit, mit dem Versuch aufzuhören, Frauen zu verändern, und damit zu beginnen, die Systeme zu verändern, die sie daran hindern, ihr Potenzial zu entfalten.

António Guterres, 8. März 2020

Die Herstellung tatsächlicher Chancengleichheit in der Wissenschaft ist eine Voraussetzung für wissenschaftliche Leistungs- und Innovationsfähigkeit. Die Universität Tübingen setzt sich daher zum Ziel, die noch bestehenden Benachteiligungen für Frauen abzubauen. Dazu trägt ein qualitätsgesichertes, transparentes Berufungsverfahren mit einem verankerten Gleichstellungs-Instumentarium ebenso bei wie eine fortwährende Bearbeitung des Gender-Bias.

UT Development Share of Women Professors

2027
32%

Goal of Equal opportunities plan

2023
26,9%
2019
22,7%

2nd confirmation: UT stays excellent

2012
15,6%

UT gets part of Ecxellence Initiative

 

2005
7,2%

Start Exzellence BUND, 1. Cluster (CIN)

1997
6,5%
1990
3,1%
1964

Maria Höfner is appointed as first female full professor at UT

(timeline Prof. without W1/Tenure Track)

Nachdem die Frauenanteile an Professuren der Uni Tübingen viele Jahre lang unter 10% verharrten, kam durch ein erhöhtes Augenmerk der Wissenschaftspolitik auf Gleichstellung Bewegung in die Berufungspolitik. Seit 2012 entwickelt sich der Professorinnenanteil stetig nach oben. Dank erheblicher Anstrengungen ist die Universität den ambitionierten Zielvorgaben für 2027 schon sehr nahe gekommen. Das Ziel von 35% Professorinenanteil (ca. 32% ohne W1)  wäre durch näherungsweise 40% Ernennungen von Frauen zu erreichen.

Förderung und Controlling der Chancengleichheit in Berufungsverfahren

Im Folgenden finden Sie Informationen insbesondere für Leitungen oder Mitglieder von Berufungkommissionen und für Gleichstellungsvertretungen.

Ziel und Grundlage

Artikel 3 Absatz 2 GG besagt: "Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin."

Das Landeshochschulgesetz (LHG) beauftragt in §4 (3) die Universitätsgleichstellungsbeauftragte mit der Aufgabe, die Hochschulleitung bei der Durchsetzung der verfassungsrechtlich gebotenen Chancengleichheit von Frauen und Männern und bei der Beseitigung bestehender Nachteile für wissenschaftlich und künstlerisch tätige Frauen sowie Studentinnen zu unterstützen. Es gibt ihr auch das Recht, an Berufungskommissionen teilzunehmen.

Das Ziel der Gleichstellungsmaßnahmen und des Controllings ist die Qualitätssteigerung und -sicherung von Berufungsverfahren, um Benachteiligungen aufgrund des Geschlechts auszuschließen und die aktive Gewinnung von Frauen zu unterstützen, solange diese unterrepräsentiert sind.

Aufgaben und Rechte der Gleichstellungsvertretung in Berufungsverfahren

Da an der Universität Tübingen in der Regel zwischen 20 und 30 Verfahren parallel stattfinden, kann die Universitäts­gleich­stellungsbeauf­tragte diese Aufgabe nicht in allen Berufungskommissio­nen selbst wahrnehmen. Daher beauftragt sie für die Mehrzahl der Verfahren eine persönliche Stellvertreterin oder einen persönlichen Stellvertreter. Die Vertretung ist in diesem Auftrag mit den Rechten der Gleichstellungsbeauftragten ausgestattet und muß daher vollumfänglich informiert und in Kommissionen geladen werden, die Teilnahme an Terminen der Berufungskommission muß ermöglicht werden.

Seit der Novellierung des LHG vom 09. April 2014 ist die Gleichstellungsbeauftragte mit (und auch ihre Vertretung) Stimmrecht ausgestattet. Wenn sie oder die Vertretung eine Professur bekleidet, wird ihre Stimme der professoralen Mehrheit zugerechnet.

Die Vertretung der Gleichstellungsbeauftragten berät die Berufungskommission bei der Sicherstellung der Gleichstellung und hat die Aufgabe, in den Kommissionssitzungen zu jedem Verfahrensschritt Ihr Einverständnis zu geben oder Stellung zu nehmen. Dabei ist sie jedoch nicht alleine für den Ausschluss von Benachteiligungen aufgrund des Geschlechts verantwortlich. Vielmehr sind alle Mitglieder, insbesondere die oder der Vorsitzende der Kommission dazu im Sinne eines Querschnittsauftrags verpflichtet.

Daher sind alle Verfahrensschritte zur Sicherstellung der Chancengleichheit in den allgemeinen Qualitätssicherungsprozess zu Berufungsverfahren der Universität Tübingen („Leitfaden für Berufungsverfahren“) eingebunden und mit begleitenden Dokumenten hinterlegt.

Um die Kommunikation zwischen der zentralen Gleichstellungsbeauftragten und ihren Stellvertreterinnen und Stellvertretern zu gewährleisten, wird eine Protokollvorlage zur Verfügung gestellt. Auf der Basis dieses Berichts wird die Stellungnahme der Gleichstellung zu Verfahren von der zentralen Gleichstellungsbeauftragten erstellt.

Der Protokollbogen und ein ausführliches Merkblatt zum Gleichstellungsauftrag können hier unter "Begleitende Dokumente" heruntergeladen werden.

Mindestvorgaben / Orientierungswerte zu Frauenanteilen nach Fachbereichen

Übersichten zum Download:

Die Datengrundlage liefert die Hochschulstatistik des Statistischen Bundesamts (destatis, Fachserie 11, Reihe 4.4,  Habilitationen bzw. Reihe 4.2 Promotionen nach Lehr-und Forschungsbereich). Für den Mindest-/Orientierungswert werden die fünf Jahrgänge 2017 - 2021 zusammengefasst, um zum einen jährliche Schwankungen zu kompensieren und und zum anderen möglichst realistisch das zur Verfügung stehende Potenzial an Wissenschaftlerinnen (in Deutschland) für diese Stellenart abzubilden. International können auch höhere Frauenanteile zur Verfügung stehen, bezogen auf die konkrete Ausschreibung ist daher ein kritischer Umgang mit dem Wert notwendig.

Wenn die Fächersystematik von destatis nicht zutrifft weil bspw. potenziell mehrere Fächer für Bewerbungen möglich sind, speist das Gleichstellungsbüro einen errechneten Wert über die jeweilige Gleichstellungsvertretung in die Kommissionsarbeit ein.

Gleichstellungspolitische Mindestvorgaben oder Orientierungswerte in Berufungsverfahren geben vor, bei welchem Frauenanteil das verfassungsgemäße Gebot der Chancengleichheit von Frauen und Männern erfüllt ist. Sie werden nach dem sogenannten Kaskadenmodell ermittelt.

Das Kaskadenmodell besagt, dass sich die Ziele für die Frauenanteile auf Professuren am Frauenanteil der für die Einstellung notwendigen Qualifikation orientieren. Hierbei wird fachbezogen vorgegangen, wodurch bei Fächer mit geringen Frauenanteilen unerreichbare Vorgaben vermieden werden. Für Fächer mit hohen Frauenanteilen bedeutet dies im Umkehrschluss, dass die Orientierungswerte auch oberhalb der Parität - also bei über 50 % - liegen.

Mit dem Kaskadenmodell arbeitet nicht nur die Deutsche Forschungsgemeinschaft, es ist auch im Landeshochschulgesetz festgeschrieben. Es wurde  in den 80er Jahren in Tübingen entwickelt und  bildet seitdem den Kern der Gleichstellungsstrategie der Universität Tübingen.

Parität oder Kaskade?

Das Grundgesetz gibt allen Mitglieder des öffentlichen Dienstes (und damit alle Universitäts-Angehörigen) durch die Formulierung einer "tatsächlichen Durchsetzung" der Gleichberechtigung einen aktiven Handlungsauftrag.

Dass es sich um einen aktiven Auftrag handelt, unterstreicht die besondere Bedeutung, die der Gesetzgeber der Chancengleichheit zumisst. Dieser gilt bis zur Parität - im Falle der Berufungen der Universität jeweils bis zur Parität bezogen auf die jeweilige Besoldungsstufe der gesamten Universität Tübingen.

Daraus ergibt sich das Verhältnis der Werte aus dem Kaskaden-Modell zur Parität:

Bis zur Parität (der jeweiligen Karrierestufe der Universität) gilt der aktive Handlungsauftrag, der auch aktive Maßnahmen der Gleichstellung rechtfertigt, solange andere Individuen nicht direkt benachteiligt werden.

Der Orientierungswert aus dem Kaskaden-Modell gibt fachbezogen Auskunft über den tatsächlich vorhandenen Anteil an Frauen auf der jeweiligen Qualifizierungsstufe der BRD. Daraus lassen sich zum einen Mindestanforderungen für Stellenbesetzungen ableiten: Wenn der Mindestwert dem Personalbestand des Fachbereichs auf der Qualifikationsstufe entspricht, kann statistisch von Chancengleichheit auf Stellen ausgegangen werden. Ausserdem bietet der Wert die Möglichkeit, in einzelnen Besetzungsverfahren den Anteil an Bewerbungen oder Einladungen mögliche geschlechtsbezogene Verzerrungen zu erkennen und gegebenenfalls nachzusteuern.

Solange die Parität nicht erreicht ist, sprechen wir von einer Mindestanforderung (aus der Kaskade): Um mittelfristig Gleichberechtigung zu erreichen, sollte sie bei der Besetzung von Stellen innerhalb eines angemessenen Zeitraums deutlich übertroffen werden, da sonst das Angleichen der Lebens- und Karrierechancen der Geschlechter sehr schleppend verläuft. Oberhalb der der Parität dient der Wert aus dem Kaskaden-Modell zur Orientierung, ob die Chancengleichheit im Übergang zwischen den von einer Karrierestufen gewahrt bleibt.

Wichtig ist: Nur der Wert aus dem Kaskadenmodell drückt fachbezogen Chancengleichheit aus. Wenn in manchen Fächern der Frauenanteil traditionell bereits  beim Studierendenanteil sehr hoch ist, kann daraus nicht gefolgert werden, dass Frauen beispielwese auf der Professur ab einem Anteil von 50% benachteiligt werden dürfen - dies würde die Chancen von Männern auf eine Professur individuell überproportional erhöhen. Bis zum Erreichen der Parität der Universität auf einer Qualifikationsstufe muß in Fächern mit hohem Frauenanteil dieser Anteil auch auf der nächsten Ebene angestrebt werden, Fächer mit geringer Frauenrepräsentanz gleichen das aus. Statt dessen sollte bei einem gefühlt zu hohen Frauenanteil auf höheren Qualifikationsstufen auf den darunterliegenden Karrierestufen, beispielsweise mit Werbemaßnahmen, angesetzt werden, um dort den Anteil von Männern zu erhöhen und auf diesem Weg die Orientierungswerte zu beeinflussen.

Sichtungsaktivitäten: Quellen, Sichtungsbeauftragte

Quellen

Sehr gute Instrumente, um die erforderlichen Mindestanteile von Frauen im Bewerbungspool zu erreichen, sind das Marktscreening ("Sichtung") und die aktive Ansprache von aussichtsreichen Kandidatinnen. Die geschlechtsspezifische Vorgehensweise, die seit 2020 auch durch das LHG vorgegeben wird, trägt dem durch Studien gut belegten, unterschiedlichen Bewerbungsverhalten von Männern und Frauen Rechnung.

Eine Übersicht zu vorwiegend fächerübergreifenden Quellen für die Sichtung hat die bukoF zusammengestellt.

Vielleicht finden sich auch unter den Fellows der Margarete-von-Wrangell-Programms oder unter den Athene-Grants der Universität Tübingen vielversprechende Kandidatinnen?

Neben den Homepages einschlägiger Universitäten kann in vor allem wissenschaftlichen Fachgesellschaften nach potenziellen Kandidatinnen recherchiert werden. Beispielsweise können Mitgliederlisten oder Arbeitsgemeinschaften konsultiert oder die Fachkongresse nach passenden Beiträgen gescannt werden. Natürlich können auch Vertrer*innen für die gewünschte Spezialisierung direkt um Tipps gebeten werden.

Für eine internationale Suche eigent sich beispielsweise eine Anfrage bei Fachkollegien der DFG, zumindest für die Benennung geeigneter Ansprechpersonen für eine bestimmte Spezialisierung.

Möglich ist auch die Suche in der Projekt Database der ERC (Starting) Grants der letzten Jahre, eine Suche nach Preisträgerinnen über die GEPRIS-Datenbank der DFG (DFG Verfahren Einzelförderung, bsp. Emmy Noether) oder über die Humboldt-Stiftung.

Sichtungsbeauftragte

Seit der LHG Novelle 2020 ist die Berufungskommission für die Aktive Rekrutierung verantwortlich (vgl. LHG §48 3a). Eine Kerngruppe aus dem Fachbereich und der Gleichstellungsvertretung kann der Kommission bereits im Vorfeld vor dem Einsetzen der Kommission zuarbeiten.

Je nach Größe und Kultur von Fachbereichen kann es sich anbieten, eine neue Rolle von Sichtungebeauftragten zu formalisieren, um die Suche zu professionalisieren, die Aktivitäten zu koordinieren und die Kommunikation zwischen Dekanat und ausschreibendem Fachbereich zu erleichtern. Die Funktion von Beauftragten kann auch die Kontinuität der Rekrutierungs-Arbeit von der Vorarbeit über die Gründung der Berufungskommission bis zur Beobachtung der Ergebnisse in der späteren Auswahlphase verbessern.

Die Idee hat sich aus einem Workshop des Rektorats und der Dekan*innen Ende 2022 herausgebildet. Das Gleichstellungsbüro hat die Gedanken aufgegriffen und stellt anbei die Konzeption der neuen Rolle „Sichtungsbeauftragte in Berufungsverfahren“ zum optionalen Einsatz in den Fakultäten zur Verfügung.

Konzeption für die Rolle „Beauftragte*r für die Sichtung im Berufungsverfahren“

Gender Bias und Care-Aufgaben als diskriminierende Faktoren

Stellen im wissenschaftlichen Dienst sind nach dem Prinzip der Bestenauslese zu besetzen. Die Bewertung der wissenschaftlichen Exzellenz von Bewerberinnen und Bewerbern ist  daher das zentrale Auswahlkriterium in einem Berufungsverfahren.

Die wissenschaftliche Qualifikation muss so objektiv und sachbezogen wie möglich bewertet werden. Da sie sich jedoch aus verschiedenen Elementen, wie der Publikationsleistung, der Lehrerfahrung oder der Drittmitteleinwerbung zusammensetzt, die einerseits schwer zu normieren und zudem unterschiedlich gewichtet werden können, ist die Bewertung anfällig für den sogenannte Gender Bias.

Als Gender Bias werden systematische Verzerrungseffekte bezeichnet, die ihre Ursache in gesellschaftlichen Geschlechterstereotypen, verinnerlichten Rollenbilder und geschechtsspezifischen Vorurteilen haben. Dadurch wird unbewusst die Wahrnehmung beeinflusst, was zu fehlerhaften Entscheidungen führen kann.
Studien belegen, dass Lebensläufe, Forschungsanträge und wissenschaftliche Publikationen  unterschiedlich bewertet werden, abhängig davon, ob sie unter einem männlichen oder weiblichen Namen eingereicht wurden. Dabei bewerten sowohl Männer wie auch Frauen die Leistungen von Männern besser als die von Frauen. Hinzukommt, dass bei gemeinsamen Autorenschaften der Erfolg eher dem Autor als der Autorin zugeschieben wird und das gleiche Verhalten bei einem Mann positiv und bei einer Frau negativ bewertet wird.

Es gibt also in unserer Gesellschaft geschlechtsspezifische Differenzen bei der Beurteilung der wissenschaftlichen Leistung von Bewerberinnen und Bewerbern. Wir tendieren alle dazu, die Leistungen von Frauen kritischer zu beurteilen als die von Männern oder anders ausgedrückt: Was Männer tun, erscheint uns eher als brillant, selbst wenn es vergleichbar oder gar das Gleiche ist, wie das, was Frauen tun. Wer also an Auswahlverfahreng mitwirkt, muss daher fortwährend kritisch die eigene Einschätzung auf etwaige Vorurteile hin überprüfen.

Dabei spielt auch die Berücksichtigung von Nachteilen eine Rolle, die Bewerberinnen in Ihrer wissenschaftlichen Laufbahn durch Care-Arbeit entstanden sind. Familienzeiten sind angemessen bei der Beurteilung der Leistungen zu berücksichtigen. Dies gilt prinzipiell auch für männliche Bewerber. Es ist aber zu bedenken, dass Frauen in der Regel auch in den Familien, in denen Männer einen Teil der Sorgearbeit übernehmen, den deutlich größeren Anteil tragen. Diese Situation hat sich, wie Untersuchungen zeigen, während der Corona-Pandemie noch einmal verschärft.

In Fächern, in denen überwiegend Männer wissenschaftlich tätig sind, kommt zudem noch die sogenannte homosoziale Kooptation zum Tragen. Dies bedeutet, dass Mitglieder eines sozialen Netzwerkes dazu tendieren, neue Mitglieder nach dem Prinzip der „Selbstähnlichkeit“ zu rekrutieren, was bedeutet, dass gleichgeschlechtliche Förderbeziehungen überwiegen. So erhöht sich die Aussicht von Männern auf Unterstützung, während Frauen weniger Förderung erhalten. Dies gilt auch für die Aufnahme in informelle Netzwerke, die für eine wissenschaftliche Karriere von entscheidender Bedeutung sind und über die Bekanntheit von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern in der scientific community entscheiden.

Frauen sind somit, wenn sie sich auf eine Stelle bewerben, in einer grundsätzlich anderen Situation als Männer. Sie müssen ihre individuelle Leistung vor dem Hintergrund der genannten diskriminierenden Faktoren unter Beweis stellen. Für diejenigen, die in Auswahlverfahren Verantwortung übernehmen, ist es daher wichtig, diese diskriminierenden Faktoren zu kennen, um zu verhindern, dass dadurch Entscheidungen beeinflusst werden.

Umgang mit Diversität

Die Universität Tübingen begreift Diversität als Basis wissenschaftlicher Exzellenz und entwickelt daher eine auf Vielfalt und Chancengleichheit basierende Hochschulkultur, in der alle ihre Mitglieder unabhängig von Geschlecht, ethnischer oder nationaler Herkunft, Alter, sozialem und religiösem Hintergrund, einer Behinderung oder der sexuellen Orientierung ihre individuellen Fähigkeiten entfalten und einbringen können.

Die Diversitätsstrategie der Universität Tübingen ist sowohl ressourcenorientiert (Vielfalt als Quelle der Kreativität und Innovation) als auch wertebasiert (Chancengleichheit, Toleranz, Antidiskriminierung und Offenheit als Leitideen der Institution). Deshalb ist ihr die Diversität bei der Personalauswahl genauso wichtig wie der Abbau von unbewusstem Bias und der Schutz vor Diskriminierung und gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit.

Keine Person darf wegen wissenschaftsfremder Faktoren schlechter bewertet werden – Auswahlentscheidungen sollen wissenschaftsgeleitet und diskriminierungsfrei getroffen werden. Bewertungen sollen unvermeidbare, besondere persönliche Lebensumstände, die beispielsweise die für die Wissenschaft verfügbare Zeit einschränken zugunsten von Forschenden berücksichtigen.

Ein wichtiges Instrument für die Förderung der Diversität ist das wissenschaftliche Alter. Wissenschaftliche Chancengleichheit bedeutet, den Startpunkt der professoralen Karriere für alle gleich zu definieren, nämlich mit der Promotionsprüfung, und etwaige Verzögerungen im wissenschaftlichen Werdegang nach diesem Zeitpunkt aufgrund diversitätsrelevanter Lebensumstände (siehe unten) zu Gunsten der bewerbenden Person zu berücksichtigen.

Zudem ist die systematische und laufende Reflexion von Bias in Auswahlsitzungen entscheidend. Die Gleichstellungsbeauftragte und ihre Vertretungen unterstützen gerne.

 

Die DFG hat eine große Sammlung an Studien und Filmen zu Bias und auch Online Kurse und Toolboxes zur Verfügung gestellt.

Sie nutzt ausserdem einen eigenen, standardisierten Verfahrensablauf, den wir zur Nachahmung empfehlen. Die Universität Tübingen arbeitet daran, die umfangreichen und qualitätssichernden Standards zu gendergerechten Berufungsverfahren um Leitlinien für Diversitätsgerechte Verfahren zu bereichern.

Gleichstellungs-Controlling in Berufungsverfahren

Das Controlling kombiniert die "bottom up"- Strategie der Kommunikationsoptimierung, Informations- und Weiterbildungsangebote einschließlich persönlichem Coaching der Gleichstellungsvertreter/innen in Berufungsverfahren mit der top-down Strategie der engen, direkten Kooperation zwischen Rektorat, Verwaltung und Gleichstellungsbeauftragter der Universität.

Bestandteile des Controlling-Verfahren sind im Einzelnen:

Begleitende Dokumente

  • Leitfaden für Berufungsverfahren
  • Merkblatt „Rechtliche Grundlagen von Berufungsverfahren - der gesetzliche Gleichstellungsauftrag“
  • Dokumentationsformular Sichtung
  • Dokumentationsformular Aktive Rekrutierung

(Ein aktueller Leitfaden und die aufgelisteten, mitgeltenden Dokumente finden sich im Downloadbereich des Dezernat 1, Sachgebiet 2


Weitere Informationen:

  • Faire Berufungsverfahren - Empfehlungen zur Qualitätssicherung und Chancengleichheit (Eine Handreichung der LaKoG)
  • Artikel: "Es muss gehandelt werden. Wo liegen die Schlüssel zur Erhöhung des Frauenanteils an Professuren?" (in: Forschung & Lehre (6/14), S. 466–467)