Uni-Tübingen

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13.04.2023

Istrien – Eine multikulturelle Region? SFB eröffnet Threat!Box in Pazin

Dr. Daniela Simon führt Besucher*innen durch die Ausstellung

Die internationale Ausstellung „Threat!Box – An Exhibition on Threat“ des Sonderforschungsbereichs 923 „Bedrohte Ordnungen“ der Universität Tübingen macht ab dem 12. April Station im Ethnografischen Museum Istriens (Pazin). In mehreren Modulen beschäftigt sich das Projekt damit, wie historische und aktuelle Gesellschaften auf unterschiedliche Bedrohungen Gegenwart reagiert haben und mit ihnen umgehen. Die einzelnen Module werden weltweit an acht Standorten gezeigt, unter anderem in Washington, D.C. (USA), Johannesburg (Südafrika), Melbourne (Australien), Barcelona (Spanien) und Istanbul (Türkei). Die Themenpalette reicht dabei von bedrohlichen Pestausbrüchen im Reiche Justinians, den giftigen Hinterlassenschaften des Goldabbaus in Johannesburg bis hin zu den literarischen Verarbeitungen rassistischer Gewalt in den USA. 

In der Empfangshalle des Istrischen ethnografischen Museums ist ab dem 12. April das Modul Vajka Kontra – stets anders! Istrien – eine multikulturelle Region zu sehen, das sich mit der Halbinsel Istrien im 19. Jahrhundert beschäftigt. Die Tübinger Historikerin Dr. Daniela Simon untersucht darin die heute zu Kroatien gehörende Halbinsel Istrien, die über die Jahrhunderte Weg mehrere Herrschaftswechsel durchlebt hat. Auf der Halbinsel an der nördlichen Adria zwischen Triest und Rijeka ist wegen der vielfältigen Migrationsgeschichte bis heute ein unverkennbares Muster an mediterranen und kontinentalen Kulturen zu beobachten. Istrien war geprägt von seiner multikulturellen Geschichte. Der ab dem 19. Jahrhundert in ganz Europa typisch werdende Nationalismus führte jedoch zu einer allmählichen „Entmischung“ dieser Multikulturalität. Einige sahen sich von dieser ‚Entmischung’ bedroht, weil dadurch das typisch Istrianische verloren ginge. Andere wiederum sehnten sich nach kultureller Eindeutigkeit und klarer ethnischer Zugehörigkeit. In den zeitweilig aggressiv geführten Debatten verhandeln istrische Bevölkerungsgruppen seitdem über nationale Interessen, Zugehörigkeitsgefühle und Sprachenfragen.

Die Ausstellung Threat!Box – An Exhibition on Threat basiert auf einer virtuellen Ausstellung des SFB 923 (www.bedrohte-ordnungen.de). Die Ausstellung umfasst 24 Module, die die verschiedensten „Bedrohten Ordnungen“ vorstellen. Umwälzungen der karolingischen Welt, Revolutionen im Manila des 17. Jahrhunderts oder Freiheitskämpfe ukrainischer Kosaken gegen Peter den Großen zeigen, dass selbst lang vergangen Geglaubtes bis heute Auswirkungen auf Gesellschaften hat. Gleichzeitig zeigen Module über den Umgang mit dem 11. September 2001 in den USA, Globalisierungsdynamiken in der Corona-Pandemie oder der beispiellosen Mobilisierung von Hilfe im Zuge der Geflüchtetenkrise um das Jahr 2015, dass Bedrohte Ordnungen auch in der Gegenwart immer wieder zu finden sind.

Die einzelnen Ausstellungsboxen stellen Bedrohungsszenarien vor, die eine inhaltlichen Verbindung zum jeweiligen Ausstellungsort haben. Sie dienen als exemplarische Startpunkte, von denen aus mehr über Geschichte und Gegenwart von „Bedrohten Ordnungen“ erfahren werden kann. Ethnographischen Museum Istriens können die Besucher*innen im Inneren der Ausstellungsbox das lokale Beispiel „Vajka kontra – stets anders“ mit anderen Bedrohten Ordnungen vergleichen, die in der virtuellen Ausstellung behandelt werden. So erfahren die Besucher*innen mehr darüber, wie Menschen mit Bedrohungen und Krisen umgegangen sind und wie damit eine Welt im Wandel vorangetrieben wird.

Sonderforschungsbereich 923 „Bedrohte Ordnungen“

Das Projekt startete 2011 an der Universität Tübingen und läuft noch bis zum Sommer 2023. Unter „Bedrohten Ordnungen“ werden historische oder aktuelle Situationen verstanden, in denen Menschen das Vertrauen in gewohnte Abläufe, das Handeln ihrer Mitmenschen oder den Glauben an die Zukunft verlieren. Sie reagieren darauf emotional und fühlen sich unter Druck gesetzt, über die Bedrohung zu sprechen und nach Lösungen zu suchen. Zu allen Zeiten und in unterschiedlichen Gesellschaften kommt es im Angesicht solcher Bedrohungen zu vergleichbaren Handlungsmustern, die der Sonderforschungsbereich seit 2011 in mehr als 110 Fallstudien untersucht.

Die Deutsche Forschungsgemeinschaft fördert den SFB mit circa 2 Millionen Euro pro Jahr. Knapp 60 Wissenschaftler*innen forschen aktuell in 19 Teilprojekten, die interdisziplinär, historisch oder gegenwartsnah sowie raumübergreifend angelegt sind. Beteiligt sind die Fächer Geschichtswissenschaften, Soziologie, Empirische Kulturwissenschaft, Politikwissenschaften, Theologie, Philologie, Rechtswissenschaften und Medizin.

Berichterstattung:

 

Kontakt

Thorsten Zachary
Universität Tübingen
SFB 923 „Bedrohte Ordnungen“
Wissenschaftskommunikation
Telefon +49 7071 29-75095
thorsten.zacharyspam prevention@uni-tuebingen.de

Prof. Dr. Reinhard Johler
Universität Tübingen
Institut für Empirische Kulturwissenschaft / SFB 923 "Bedrohte Ordnungen"
Telefon +49 7071 29-75448
reinhard.johlerspam prevention@uni-tuebingen.de

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