Alternative Methoden sind wertvoll, hochwillkommen und werden in der biomedizinischen Forschung wenn immer möglich eingesetzt und weiter entwickelt. Allerdings wäre es naiv zu glauben, sie würden Tierversuche in der biomedizinischen Forschung grundsätzlich verzichtbar machen. Tierversuche sind notwendig, wenn physiologische Zusammenhänge und ihre Störungen im Organismus aufgeklärt werden sollen. Dazu gehören Untersuchungen des Zentralnervensystems und der Verarbeitung von Sinnesreizen, das Zusammenspiel des Kreislaufsystems, des Verdauungsapparates, des Hormonsystems, des Immunsystems sowie die Grundlagen des Verhaltens. Bei der Genehmigung von Tierversuchen prüfen die Behörden, ob ein solcher Versuch unerlässlich ist oder ob die angestrebten Erkenntnisse auch ohne den Einsatz von Tieren gewonnen werden können.
Bei alternativen Methoden handelt es sich im Idealfall um Verfahren, die vollständig auf den Einsatz von Tieren verzichten. Gemeint sind in diesem Zusammenhang vor allem Arbeiten mit Zelllinien. Dies ist in der Tat ein Idealfall – im Sinne eines Wunschbildes – denn die Komplexität eines Organismus, also das Zusammenwirken von Organen und Geweben, kann nicht vollständig durch künstliche Systeme ersetzt werden. Schon jetzt nehmen Versuchsmethoden außerhalb des Organismus, so genannte in vitro-Verfahren (in vitro = „im Glas“), einen großen Raum in Forschung und Forschungsförderung ein. Aber trotz aller Fortschritte in diesem Bereich kann mit diesen Verfahren der intakte Organismus nicht ersetzt werden, und dessen Reaktion muss letzten Endes in vivo („im Leben“), also im Tierversuch, geklärt werden. Im Übrigen müssen auch für Herstellung von Organ- und Zellkulturen Tiere getötet werden. Für die Kultivierung der Zelllinien ist oft Kälberserum aus Schlachttieren als Nährsubstanz notwendig, um die Teilung, das Wachstum und die Differenzierung der Zellen anzuregen.
Neben Zelllinien kann die Computersimulation eine Ergänzung zum Tierversuch sein. In der biomedizinischen Forschung wird diese eingesetzt, um Hypothesen über Lebensvorgänge abzubilden und anhand von theoretischen Modellen zu überprüfen. Diese Technik wird häufig in der Neurobiologie verwendet, um Funktionen des zentralen Nervensystems zu veranschaulichen. Letztlich müssen aber auch die Aussagen der Simulation im Tierversuch überprüft werden. Möglich werden Computersimulationen erst, wenn wir bereits Informationen über das abzubildende System haben, mit der wir den Computer „füttern“ können. Es gibt bisher keine Möglichkeit diese Informationen anders als über den Versuch im lebenden Organismus zu erlangen. Zudem muss jede Computersimulation vereinfachen, weil sie ansonsten bereits an der Komplexität einer einzelnen Zelle scheitern müsste. Das menschliche Gehirn besteht aber nicht aus einer Nervenzelle, sondern aus 86 Milliarden Nervenzellen mit bis zu 1000 Verbindungen untereinander, die wiederum durch viele einzelne Kontaktstellen vernetzt sind – die komplexeste Struktur, die uns Menschen bekannt ist.