Uni-Tübingen

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13.02.2024

Erfolg beim Eliteprogramm für Postdocs der Baden-Württemberg Stiftung

Förderung für Projekte in der Ägyptologie, Pharmazie und den Geowissenschaften

Die Baden-Württemberg Stiftung fördert drei Tübinger Forschungsprojekte mit ihrem „Eliteprogramm für Postdocs“: Dr. Silja Mordhorst (Pharmazie), Dr. Rebecca Schlegel (Geowissenschaften) und Dr. Carolina Teotino-Tattko (Ägyptologie) erhalten für die Laufzeit von maximal drei Jahren bis zu 150.000 Euro für eigene Forschungsvorhaben.

Das Programm unterstützt exzellente junge Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in der Qualifizierungsphase nach der Promotion, um wissenschaftliche Eigenverantwortung und Selbstständigkeit zu stärken. Übergeordnetes Ziel ist es, die Attraktivität Baden-Württembergs für die Nachwuchswissenschaftlerinnen und -wissenschaftler zu erhöhen und sie als hochqualifiziertes Personal für die Hochschulen gewinnen zu können.

Die geförderten Projekte:

Fighting Tuberculosis: Antimycobacterial Peptides as Promising Drug Candidates (Dr. Silja Mordhorst)

Bakterielle Naturstoffe sind wichtige Leitstrukturen in der Entwicklung neuer Wirkstoffe. Die Entdeckung neuer Naturstoffe wird immer schwieriger und oftmals werden auf dem klassischen Weg bereits bekannte Verbindungen bzw. bekannte Stoffklassen isoliert und identifiziert. Heutzutage werden innovative in silico Strategien wie zum Beispiel genome mining und metagenomics angewendet, um das versteckte Potential nicht-kultivierter Bakterien zu erforschen. Die Naturstoffklasse der ribosomal synthetisierten und posttranslational modifizierten Peptide (RiPPs) ist bekannt für ihre große strukturelle Diversität und vielfältigen Bioaktivitäten.

Der RiPP Naturstoff Lassomycin wurde aus dem Bakterium Lentzea kentuckyensis sp. isoliert und zeigt eine starke Aktivität gegen das humanpathogene Bakterium Mycobacterium tuberculosis. Auch der RiPP Naturstoff Kitamycobactin zeigt Aktivität gegen M. tuberculosis. Tuberkulose ist eine ernste Infektionskrankheit an der jährlich ca. 10 Millionen Menschen erkranken. Es wird geschätzt, dass bis zu einem Drittel der Weltbevölkerung mit M. tuberculosis infiziert ist und dass etwa 1.5 Millionen Menschen jedes Jahr an Tuberkulose sterben. Nach den internationalen Leitlinien wird die Krankheit mit einer Kombinationstherapie behandelt; zwei Monate intensive Chemotherapie mit vier verschiedenen Antibiotika (Ethambutol, Pyrazinamid, Isoniazid und Rifampicin), gefolgt von weiteren vier bis sechs Monaten mit Isoniazid und Rifampicin. Toxische Nebenwirkungen und die lange Therapiedauer führen zu einer schlechten Patienten-Compliance. Außerdem sind die Kosten für diese Standardtherapie mit etwa 100 € pro Tag (in Deutschland) sehr hoch.

Ziel des hier vorgeschlagenen Forschungsprojekts ist die Identifikation und die heterologe Produktion von antimykobakteriellen Peptiden aus der RiPP-Familie. Dabei dienen die chemischen Strukturen der zwei bekannten Verbindungen Lassomycin und Kitamycobactin als Pharmakophor, um weitere tuberkulostatische oder tuberkulozide Verbindung zu entdecken. Durch die antimykobakterielle Aktivität von Lassomycin und Kitamycobactin werden einige Analoga ebenfalls vielversprechende Wirkstoffkandidaten für die Behandlung von Tuberkulose darstellen. Immer häufiger treten Resistenzen gegen die Standard-Antibiotika Therapie auf: Multiresistente (MDR) und weitgehend resistente (XDR) Mykobakterien sind ein großes gesellschaftliches Problem heutzutage, daher werden dringend neue Wirkstoffe mit anderen Zielstrukturen als die der Standard-Antibiotika benötigt.

Biographische Angaben:

Silja Mordhorst studierte Pharmazeutische Wissenschaften an der Universität Freiburg und promovierte dort in der Arbeitsgruppe von Prof. Andexer. 2019 erhielt sie das Feodor Lynen-Forschungsstipendium der Alexander von Humboldt-Stiftung und ging damit an die ETH Zürich, wo sie im Labor von Prof. Piel als Postdoktorandin arbeitete. Im Frühjahr 2022 wurde sie als Juniorprofessorin für Pharmazeutische Biologie ans Pharmazeutische Institut der Universität Tübingen berufen.

Webseite von Silja Mordhorst 

BRISANT - Bodengebundene Radar- Interferometrie zum Schmelzen der Antarktis (Dr. Rebecca Schlegel)

Die globale Klimaerwärmung und deren Auswirkungen sind epochale Herausforderungen unserer und kommender Generationen. Auswirkungen werden in fast allen Lebensbereichen prognostiziert. Die Zunahme von extremen Wetter- und Klimaereignissen und die Überflutung von küstennahen Gebieten verursachen unter anderem Probleme in der Nahrungsmittel- und Wasserversorgung, den Diversitätsverlust in der Pflanzen- und Tierwelt, und das Aussterben und die Umsiedlung von Spezies. Der aktuelle Sachstandsbericht (AP6) des Weltklimarates IPCC zeigt, dass viele Auswirkungen größer zu erwarten sind, als im vorherigen Bericht (AP5) beschrieben wurde.

Die Prognosen der Auswirkungen basieren auf Erdsystemmodellen, die Kopplungen verschiedener Erdsystemkomponenten (z. B. Atmosphäre mit Biosphäre) beinhalten. Dabei gibt es im Erdsystem mehrere Kippelemente, bei welchen es bei Erreichen des so genannten Kipppunktes zu plötzlichen und unumkehrbaren Veränderungen im System kommt. Das antarktische Eisschild wurde als einer der Kippelemente unseres Erdsystems identifiziert. Dennoch sind die Eis-Ozean-Kopplungen aufgrund der unzureichenden Datenlage weitgehend noch nicht in Erdsystemmodellen integriert. Internationale Bemühungen, die Kopplungen voranzutreiben, benötigen Beobachtungen der Eis-Ozean-Wechselwirkung, um Ergebnisse zu validieren und kalibrieren.

Die Unterkanten der schwimmenden Eisschelfe der Antarktis stellen die basale Kontaktfläche zwischen Eis und Ozean in hunderten von Metern Tiefe dar. Die Unzugänglichkeit der Eisschelfunterkante verhindert direkte Beobachtungen der Eis-Ozean-Wechselwirkungen, weshalb die Bestimmungen der meisten relevanten Parameter, insbesondere der basalen Schmelzraten, von der Oberfläche mittels geophysikalischer Methoden abgeleitet werden. Bestehende Methoden bieten dazu einerseits zeitlich hochaufgelöste Punktmessungen, und andererseits eine hohe räumliche Abdeckung mit geringerer zeitlicher Auflösung. Das vorgeschlagene BRISANT-Projekt schließt die Raum-Zeit-Lücke zwischen beiden Verfahren anhand einer methodischen Radarneuentwicklung.

Die Hypothese dieses Projektes ist, dass basale Schmelzraten eine Funktion der lokalen Topographie der Eisschelfunterkante und der Eismächtigkeit darstellen. Daraus ergibt sich ein selbst-organisiertes Muster, welches sowohl von eisdynamischen als auch von ozean-induzierten Prozessen auf der sub-kilometer Skala (auf der auch die basale Topographie variiert) gesteuert wird. Diese resultieren in räumlich und zeitlich hoch variablen basalen Schmelzraten, die derzeit von vorhandenen Messmethoden nur unzureichend abgedeckt werden. Die daraus resultierende Lücke im Prozessverständnis der Eis-Ozean-Kopplung muss für eine verlässliche Implementierung in numerischen Modellen geschlossen werden. Dazu sind „fortschrittliche Beobachtungssysteme, die Echtzeitdaten des Zustands und der Veränderung […]“ (Nationale Akademie der Wissenschaften Leopoldina (2022)) der Eis-Ozean Kontaktfläche liefern, notwendig.

Das Projekt schlägt vor, die räumliche Variabilität auf der sub-kilometer Skala, entlang von Profilen mit zehner bis hunderten Kilometern Länge, mittels Wiederholungsmessungen und interferometrischer Auswertung der Eismächtigkeitsänderung abzuleiten. Dazu ist eine Optimierung existierender Radarsysteme nötig, die aufgrund von technischen Fortschritten in der Radartechnik greifbar geworden ist. Die abgeleiteten Resultate können mit Punktmessungen anhand von bereits existierenden Radaren validiert werden. Bei Erfolg liefert diese methodische Neuentwicklung Zugang zu kritischen Validierungs- und Kalibrierungsdaten für die Eis-Ozean-Kopplung in Erdsystemmodellen.

Biographische Angaben:

Rebecca Schlegel ist seit 2023 Teil der Arbeitsgruppe Geophysik im Fachbereich Geowissenschaften an der Universität Tübingen. Ihre bisherige Forschung fokussierte sich auf die Dynamik von Eisströmen in der Antarktis. Mittels verschiedener geophysikalischer Methoden werden dabei physikalische Eigenschaften des Untergrunds (Sediment/Gestein unter dem Eis) der Eisströme untersucht und kartiert. Der Zusammenhang von Eisstromdynamik und Untergrund sind u.a. entscheidend, um exakte Meeresspiegelvorhersagen zu treffen.

Webseite der Arbeitsgruppe Geophysik 

Die Bildostraka aus Athribis (Atripe) (Dr. Carolina Teotino-Tattko)

Thema der Untersuchung sind mit Zeichnungen versehene so genannte Ostraka aus dem alten Ägypten, genauer aus der Region, die zum einstmaligen 9. oberägyptischen Gau gehörte. Dort liegen heute die Überreste des antiken Athribis (Atripe) ca. 7 Kilometer südwestlich der modernen Stadt Sohag und gegenüber von Achmim. Für die dort verehrten Götter Min, seine Gemahlin Repit und deren Sohn Kolanthes errichteten Ptolemaios IX. und sein Sohn Ptolemaios XII. einen großen Tempelbezirk. Bei einem von der DFG finanzierten Grabungsprojekt der Universität Tübingen unter der Leitung von Prof. Christian Leitz kamen westlich des heutzutage freigelegten Tempels in zumeist sekundären Schichten bislang etwa 23.000 dieser Ostraka zum Vorschein, ohne dass die Grabung abgeschlossen ist. Als Ostraka bezeichnet man beschriftete resp. bemalte Tonscherben oder Steinsplitter, bei denen es sich wie in Athribis um abgenutzte oder zerbrochene aus Ton gefertigte Alltags- und Gebrauchsgegenstände wie Gefäße handelt, die eine zweite Nutzung als Text- und Bildträger erfahren.

Die Zeichnungen auf Bildostraka sind meistens auf der konvexen Seite, d.h. der Außenseite der Scherben abgebildet und nur selten mit Schrift kombiniert. Sie sind hauptsächlich in Tusche ausgeführt, manchmal zusätzlich in weiteren Farben. Neben schwarzer Tusche fiel die Wahl vereinzelt auf rote (Ocker-)Tusche; in etlichen Fällen wurde mit Kohle gezeichnet. Neben krakeligen, undefinierbaren Formen gibt es elaborierte Zeichnungen, etwa Bilder geübter Künstler oder Abbildungen, die mit großer Wahrscheinlichkeit von Kindern stammen. Das Repertoire an bildlichen Motiven ist weit gefächert, obgleich Menschen- und Götterdarstellungen, letztere teilweise tierköpfig, mit Abstand die größte Gruppe bilden. Aus dem Bereich der Fauna belegt sind Abbildungen von Hunden, Skorpionen sowie Falken u.a.m., aus dem Bereich der Flora lassen sich Palmblätter und Blumen identifizieren. Dazu kommen (Kult-)Objekte wie ein Räucherarm und Sonnenuhren, Architektur(teile) wie Gebäude und Säulen, geometrische Figuren wie Gitternetze, Kreuze und Sterne sowie Dekorationselemente wie florale Zierbänder und Mäandermuster.

Ziel des Projekts ist es, die in der Siedlung von Athribis gefundenen Bildostraka zu untersuchen und zu veröffentlichen, die nicht nur wichtige Informationen über das tägliche Leben der Bewohner der Region, sondern auch ihren Glauben liefern werden.

Biographische Angaben:

Carolina Teotino-Tattko studierte Ägyptologie an der Universität Tübingen, wo sie 2021 promovierte. 2022 leitete sie das Projekt „Das Haus des Min in Horustempel von Edfu“ an der Julius-Maximilians-Universität Würzburg und seit Oktober 2022 betreut sie die ägyptische Sammlung am Institut für die Kulturen des Alten Orients der Universität Tübingen.

Webseite von Carolina Teotino-Tattko 

Dr. Natalie Walker, Dezernat Forschung / Forschungsförderung

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