Newsletter Uni Tübingen aktuell Nr. 1/2010: Schwerpunkt
"Warum bist Du nicht schwarz?"
Als Austauschstudentin kam die Südafrikanerin Retha Heymann im vergangenen Jahr von der Universität Stellenbosch nach Tübingen. Jetzt ist sie wieder da, um an der Universität Tübingen in der Arbeitsgemeinschaft Funktionalanalysis zu promovieren. Denn für sie hat Tübingen mehr zu bieten als Mathematik.
"I am a Master's student in Mathematics (Functional Analysis) at the University of Stellenbosch in South Africa. I am interested in doing research exchange to the University of Tübingen in 2009." So schrieb ich Prof. Dr. Rainer Nagel Ende 2008, obwohl ich dachte, dass ein bekannter Professor in Deutschland wahrscheinlich keine Zeit für eine Masterstudentin aus Südafrika hat. Doch die Antwort kam schon zwei Stunden später: "You will be welcome."
Ich wollte nach Tübingen, um meine Deutschkenntnisse zu verbessern, Mathematik an einer deutschen Universität zu lernen und ein fremdes Land zu erleben. Im April und Mai 2009 war ich dann im Rahmen eines Austauschprogramms in Tübingen.
Schon bei der Ankunft in Tübingen war ich überrascht, wie freundlich ich hier empfangen wurde und wie hilfreich viele Leute waren. Ich wurde vom Bahnhof abgeholt, und mein Zimmerschlüssel war schon da. Es gab einen Beratungskurs für internationale Studenten und interessante Aktivitäten für Ausländer, die von StudIT organisiert wurden.
Ich habe bald gemerkt, dass es ein Privileg ist, in der AGFA (Arbeitsgemeinschaft Funktionalanalysis) am Mathematischen Institut zu arbeiten. Die AGFA ist sehr international orientiert mit Doktoranden zum Beispiel aus Ungarn, Syrien und der Türkei und mit Kontakten überall in der Welt. Hier werden auch Beziehungen zwischen verschiedenen Bereichen der Mathematik, wie Funktionalanalysis, Ergodentheorie und Zahlentheorie, untersucht. Alle trinken zusammen Tee im Büro des Professors, die Bürotüren sind immer offen, und Studenten und Professoren essen zusammen in der Mensa. Deshalb habe ich nach einer Möglichkeit gesucht, mehr Zeit in Tübingen zu verbringen und bin ich jetzt wieder hier als Doktorandin mit einem DAAD-Stipendium.
In Tübingen habe ich nur wenige Landsleute aus Südafrika getroffen. Deshalb ist es vielleicht nicht zu erstaunlich, dass ich oft gefragt werde: "Aus welchem Land in Südafrika?"; "Aber wo bist du geboren?"… "Woher kommen deine Eltern?"… "Und deine Großeltern?"; "Warum bist du nicht schwarz?". Die meisten Leute wissen nur, dass die Fußballweltmeisterschaft dieses Jahr in Südafrika stattfinden wird. Viele haben keine Ahnung, was Apartheid war, obwohl alle wissen, wer Nelson Mandela ist. Ich habe aber in Deutschland eine neue Perspektive auf Südafrika bekommen, weil mich die vielen Fragen zum Nachdenken zwingen.
Tübingen bietet mir aber auch mehr als Mathematik. Rennradfahren ist mein Hobby und in und um Tübingen gibt es dazu viele Möglichkeiten. Auch konnte ich mit Olympiasieger Gregor Braun (Anm. d. Redaktion: 1976 in Montreal zwei Mal Gold in der Einer- und in der Mannschaftsverfolgung), Professor Rainer Nagel und Dr. Ulrich Groh im Schwarzwald, den Vogesen und auf Mallorca große Touren machen.
Jetzt freue ich mich auf eine interessante und erfolgreiche Zeit als Doktorandin und viele weitere schöne Erlebnisse in Deutschland.
Retha Heymann
Mein ForschungsprojektBen Green und Terence Tao haben im Jahr 2004 bewiesen, dass im Chaos der Primzahlen eine wunderbare Symmetrie herrscht: Es gibt dort beliebig lange arithmetische Progressionen. Oder in mathematischen Termini: Zu jeder natürlichen Zahl k gibt es eine Primzahl a und eine natürliche Zahl n, so dass alle Zahlen a, a+n, a+2n,....a+kn Primzahlen sind. Das ist umso erstaunlicher, als die längste derzeit bekannte (und mit Großrechnern gefundene) arithmetische Progression in den Primzahlen nur die Länge k = 25 besitzt, es aber nach dem Green-Tao-Theorem auch Progressionen der Länge zum Beispiel k = 1.000.000 geben muss. Mein Forschungsprojekt beruht auf der Tatsache, dass Green und Tao im Beweis ihres zahlentheoretischen Theorems auch Methoden aus der Funktionalanalysis und der Operatorentheorie verwenden. Betreut von Dr. Tanja Eisner und Prof. Dr. Rainer Nagel möchte ich diese Methoden nun verallgemeinern und dann in anderen Gebieten anwenden. Dabei haben wir zum Beispiel die moderne Quantenmechanik im Auge, die ebenfalls von einem Gegensatz zwischen Chaos und Symmetrie charakterisiert ist. Diese sich in solchen Anwendungen zeigende "Einheit der Mathematik" fasziniert mich an dem Projekt. Ich stehe allerdings erst am Anfang. |
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